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Fachartikel, 19.12.2008
Kondratieff-Zyklen
Krisen machen den Weg für Wachstum frei
Krisen gehören zu unserem Wirtschaftssystem ebenso wie Boom-Phasen. Zum Glück, denn sie machen den Weg für neue Entwicklungen frei. Entsprechend wichtig ist es, dass Unternehmensführer ihre Unternehmen nicht nur rechtzeitig für die nächste Krise, sondern auch für die darauf folgende Wachstumsphase wappnen.
Das Ende der modernen Weltwirtschaft naht. Diesen Eindruck gewinnt man zum Teil, wenn man die Berichterstattung über die aktuelle Wirtschaftskrise verfolgt. So farbig sind die Katastrophenszenarien, die zuweilen gemalt werden, und so viel Wehmut schwingt häufig beim Rückblick auf die vergangenen „guten Jahre“ mit. Dabei fällt auf: Fast alle Unternehmen und Unternehmer trifft die Krise unvorbereitet. Sie haben für die veränderte Situation keine Konzepte und fühlen sich vielfach überfordert.

Die meisten Manager betrachten die Krise zudem als etwas Negatives, Unnötiges und Belastendes. Sie reagieren so, als seien Krisen etwas „Anormales“, mit dem man nicht rechnen kann. De facto sind Krisen aber ein integraler Bestandteil unseres Wirtschaftssystems. Denn in ihm ist alles auf Wachstum ausgelegt. Jedes Unternehmen versucht sich zu entwickeln, mehr Umsatz und Gewinn zu erzielen. Doch dies ist nicht unendlich möglich. Deshalb bedarf es regelmäßiger Krisen, damit Wachstum wieder möglich ist. Jeder, der die Krise verdammt, müsste folglich im Umkehrschluss auch das Wachstum verdammen. Das wissen gute und erfahrene Manager auch. Das sei an einem Beispiel erläutert.

Die Krise als Chance

Anfang Dezember 2008 traf ich einen Manager, der im Januar 2009 Vorstandsvorsitzender eines Automobilzulieferers wird. Ich sprach ihm scherzhaft mein Beileid aus und wünschte ihm viel Glück in der schwierigen Zeit. Seine Reaktion war anders als erwartet. Statt mir zuzustimmen, meinte er, die Situation sei für einen Jobwechsel nahezu ideal. Denn der Markt sei in einem kompletten Umbruch. Die bisherigen Spielregeln würden nicht mehr gelten, und wer jetzt clever sei, könne den Markt neu ordnen. Entsprechend leicht könne er sich profilieren.

Krisenzeiten unterscheiden sich unter anderem durch folgende Faktoren von „normalen“ Zeiten:

  • Die Zahl der Firmenübernahmen steigt: Unternehmen mit schwacher Liquidität, die einem bisher als Wettbewerber das Leben schwer machten, stehen auf einmal als Übernahmekandidat zur Disposition.
  • Die Entscheidungsgeschwindigkeit erhöht sich: In Krisenzeiten werden Entscheidungen schneller getroffen. Unternehmen sind schneller zu einem Lieferantenwechsel bereit.
  • Die Spielregeln verändern sich: In Krisenzeiten verändern sich die Märkte sehr schnell. Selbst große Player „schwächeln“ und verlieren ihre Dominanz. Also können sich kleine, flinke „Newcomer“, die rasch auf die veränderte Situation reagieren, mit neuen attraktiven Produkten und Problemlösungen im Markt etablieren.

Leider verhalten sich die meisten Manager in der Krise wie in Wachstumsphasen. Gute Manager hingegen bereiten sich schon in Wachstumsphasen auf die nächste Krise vor. Und in der Krise? Dann bereiten sie ihr Unternehmen auf die kommende Wachstumsphase vor. In der Praxis heißt dies: Sie betreiben in der Krise zwar auch das obligatorische Kostensparen und Downsizing, daneben legen sie aber einen starken Schwerpunkt auf

  • Innovation (Denn nur wenn Unternehmen neue, innovative Produkte haben, heben sie sich vom Markt ab.)
  • Personalentwicklung (Denn nur wenn Unternehmen in der Krise ihre Leistungsträger halten, können sie die daraus resultierenden Chancen nutzen. Zugleich bieten Krisen jedoch die Chance, sich von Mitabeitern zu trennen, die nicht mehr den Ansprüchen des Unternehmens genügen.)
  • Marketing und Vertrieb (Denn in Krisen werden die Märkte neu geordnet. Wer in der Krise einen starken Vertrieb hat, kann seinen Marktanteil ausbauen.)

Dass Krisen auch Chancen sind, bringt das japanische Wort für Krise Ki-Ki, klar zum Ausdruck. Es bedeutet zugleich Katastrophe und Gelegenheit.

Um diese Chancen zu nutzen, müssen Manager jedoch wissen oder genauer gesagt aufgrund ihrer Marktkenntnis sowie -erfahrung erspüren: Wohin entwickelt sich unser Markt? Und: Was werden künftig die Treiber des Wachstums sein? Das heißt, sie müssen die Zukunft gedanklich vorwegnehmen, um hieraus Handlungsstrategien abzuleiten.

Was ist der nächste „Kondratieff“?

Einen solchen Versuch, die Zukunft zu prognostizieren, wagte der sowjetische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratieff. Er war überzeugt, dass Wirtschaftssysteme durch große Produktivitätswellen getrieben werden und am Ende jeder Produktivitätswelle eine Krise entsteht, bevor die nächste Produktivitätswelle startet. Kondratieff identifizierte rückblickend und prognostizierte vorausschauend folgende Wellen: 

1. Produktivitätswelle Dampfmaschine: Diese Produktivitätswelle sorgte dafür, dass bisher aufwändige handwerkliche Arbeit industrialisiert werden konnte und somit Massenfertigung möglich war. Dies führte zum Beispiel in der Textilindustrie zu einem Boom, der die ganze Wirtschaft mitriss.

2. Produktivitätswelle Eisenbahn: Durch die Eisenbahn wurde es möglich, kostengünstiger Waren und Menschen an entlegene Plätze zu transportieren. Neue Märkte öffneten sich somit für die Unternehmen.

3. Produktivitätswelle Elektrifizierung: Durch die Elektrifizierung wurde auch das Handwerk effizienter. Kleine Elektromaschinen konnten bisher handwerkliche Tätigkeiten ablösen. Die Elektrifizierung war 20 Jahre lang der Motor der Wirtschaft. Ende der 20er Jahre des vergangenen Jahrhundertes ging diese Ära zu Ende. Die Städte waren elektrifiziert. Die Kraftwerke waren gebaut und die Produktivitätssteigerungen durch Elektromaschinen gehoben. Deshalb war die Wirtschaftskrise von 1929 unvermeidlich, was Kondratieff schon 1926 voraussagte.

4. Produktivitätswelle Automobil und Mobilität: Ab den 40er Jahren wurde das Thema Individualmobilität zur neuen Produktivitätswelle. Die Automobilindustrie wurde zum Motor der Wirtschaft.

5. Produktivitätswelle Informationstechnologie: Ab den 80er Jahren übernahm die Informationstechnologie die Rolle als Produktivitätstreiber. Durch Computer, E-Mail, Datenverarbeitung, Handy, Internet wurde die Effizienz in Unternehmen vorangetrieben. Diese Produktivitätswelle hat heute jedoch ihren Zenit bereits überschritten. Produktivitätsverbesserungen sind nur noch marginal.

Die aktuelle Krise könnte somit auch als Zeichen für das Ende des 5. Kondratieffs gesehen werden. Woran sich die spannende Frage anschließt: Was sind die Treiber der nächsten Produktivitätswelle, also des 6. Kondratieff? Als mögliche Kandidaten werden von Wissenschaftlern und ähnlichen Experten seit fast 20 Jahren die Bio- und Nanotechnologie gehandelt. Andere vermuten die künftigen Megathemen lauten Energie und psychosoziale Gesundheit.

Dass in den Fachkreisen hierüber kein Konsens erzielt werden kann, liegt vermutlich auch daran, dass sich heute Veränderungen nicht mehr so monokausal wie früher erklären lassen. Hierfür hat der technologische Fortschritt eine zu große Dynamik entwickelt. Außerdem sind heute aufgrund der Globalisierung neben den gesellschaftlichen auch die wirtschaftlichen Beziehungen viel komplexer. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass alle vorgenannten Faktoren (neben anderen) künftig Treiber der Veränderung und somit des Wachstums sein werden, jedoch in den einzelnen Märkten und Branchen in unterschiedlich starkem Maße.

Auch über solche scheinbar theoretischen Zusammenhänge einmal nachzudenken, lohnt sich für Unternehmensführer – wenn sie ihre Organisation rechtzeitig fit für die nächste Wachstumsphase machen möchten.

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ZUM AUTOR
Über Dr. Georg Kraus
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Dr. Georg Kraus ist Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner und Autor des „Change Management Handbuch" sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, unterstützt ...
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