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Fachartikel, 20.09.2007
Einkauf und Beschaffung
Kommunen als Wettbewerber zur privaten Wirtschaft
Unter dem Druck leerer Kassen versuchen sich Deutschlands Gemeinden und Kommunen immer stärker als Unternehmer. Die private Wirtschaft, insbesondere kleine Unternehmen, haben bei der Auftragsvertrage deshalb oft das Nachsehen, weil die Gemeinden steuerliche Vorteile genießen und deshalb preislich günstiger kalkulieren können. Die Zeche für solch kontraproduktive Kommunalpolitik zahlt der Steuerzahler, der diese Treiben finanziert.
Der spröde Begriff Daseinsvorsorge umschreibt die staatliche Aufgabe, die notwendigen Güter und Leistungen für die Grundversorgung der Bürger bereitzustellen. Dazu zählen z.B. das Verkehrswesen, die Energieversorgung, Müllabfuhr, Abwasserbeseitigung, Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser.

Seit einigen Jahren jedoch übertreiben es die Kommunen und betätigen sich auf Feldern, die herzlich wenig mit der Daseinsvorsorge zu tun haben – zum Beispiel die Vermittlung von Reisen und Wohnungen. Haupttriebfeder dieses Engagements ist jedoch weniger das Wohl der Bürger, sondern vielmehr die Ebbe in den Gemeindekassen:

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Je nach Bundesland stammten 2004 bis zu 8 Prozent der kommunalen Einkünfte aus wirtschaftlichen Aktivitäten – dieser Posten wuchs seit 1999 schneller als alle anderen Einnahmen zusammen.
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Zudem dürften diese Zahlen nur die Spitze des Eisbergs sein, denn sie geben nur das wieder, was die Gemeinden offiziell ausweisen. Unter dem Deckmäntelchen privater Unternehmensformen verlagern sie viele wirtschaftliche Aktivitäten in sogenannte Eigenbetriebe – und die daraus erzielten Einnahmen werden allenfalls in Form von Defiziten oder Gewinnabführung erfasst.

Nun wäre gegen die eigene wirtschaftliche Betätigung wenig einzuwenden, wenn sie das Ergebnis eines fairen Konkurrenzkampfes wäre. Doch genau das ist häufig nicht der Fall. Denn der Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Unternehmen wird vor allem durch die steuerliche Ungleichbehandlung der beiden Kontrahenten verzerrt.

Besonders gravierende Benachteiligungen ergeben sich durch das sogenannte Umsatzsteuerprivileg. Dieses stellt die kommunalen Unternehmen im Regelfall von der Umsatzsteuerpflicht frei, während die Leistungen der privaten Unternehmen dem vollen Mehrwertsteuersatz von derzeit 19 Prozent unterliegen. Im Extremfall haben kommunale Unternehmen also bei gleicher Kostenstruktur einen Preisvorteil von 19 Prozent und können ihre Ausschreibungsangebote entsprechend günstiger kalkulieren.

Ein weiteres Manko ist, dass die Gemeinden ihre Ausflüge in die Welt der Wirtschaft auch deshalb ausweiten, weil sie ausgerechnet an einem Posten sparen, der für private Wirtschaft besonders wichtig ist: den Investitionen. Der Anteil der kommunalen Investitionsausgaben an den Gesamtausgaben ist von 23,5 Prozent im Jahr 1992 auf 12,3 Prozent im Haushaltsjahr 2007 gesunken.

Über kurz oder lang könnten sich die Kommunen mit dieser Politik aber auch ins eigene Fleisch schneiden. Denn ausbleibende Investitionen – vor allem in die Infrastruktur – kommen irgendwann als Bumerang zurück: Wenn Straßen verrotten oder Gewerbegebiete nicht erschlossen werden, geht das erst zulasten der Unternehmen – und dann zulasten der kommunalen Steuereinnahmen.

Seit Jahren predigt die Bundespolitik diese Maxime „Weniger Staat, mehr Markt“. Doch an der politischen Basis stößt dieses Gebot offenbar auf taube Ohren. Im Zeitraum von 1999 bis 2004 haben die Kommunen ihre unternehmerischen Einnahmen um fast 11 Prozent auf rund 8,8 Milliarden Euro gesteigert. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass ein Teil dieses Zuwachses daher rührt, dass die Gemeinden Eigenbetriebe wieder unter die eigenen Fittiche genommen haben und diese so wieder in den Zahlenwerken erfasst werden – doch das macht die Sache nicht besser.

Kuriosum am Rande: Ausgerechnet die westdeutschen Gemeinden – finanziell meist deutlich besser gestellt als ihre ostdeutschen Pendants – tun sich als besonders eifrige Geschäftemacher hervor. Während die West-Kommunen ihre unternehmerischen Einnahmen um fast 12 Prozent steigerten, beschieden sich die Ost-Länder mit 6 Prozent.

Die Nummer eins sind die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Im einwohnerstärksten Bundesland stiegen die kommunalen Einnahmen aus Unternehmertätigkeit seit 1999 um 21,4 Prozent – und damit genau doppelt so schnell wie im Bundesdurchschnitt. Ebenfalls überdurchschnittliche Zuwächse verzeichnen außerdem noch Bayern (18,1 Prozent) und Niedersachsen (14,1 Prozent). Zur Ehrenrettung der West-Länder sei noch gesagt, dass Baden-Württemberg immerhin das einzige Flächenland ist, in dem die Kommunen der privaten Wirtschaft 2004 weniger Konkurrenz
gemacht haben als 1999.

Das ändert jedoch nichts am Gesamtbefund: Insgesamt sind die kommunalen Einnahmen aus Unternehmertätigkeit zwischen 1999 und 2004 stärker gestiegen als die gesamtwirtschaftliche Leistung. Ein Grund dafür ist, dass die kommunalen Unternehmen in einigen Geschäftsbereichen geradezu explosionsartige Zuwächse erreicht haben:

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Binnen fünf Jahren – von 1999 bis 2004 – stiegen die kommunalen Einnahmen aus der Abwasserentsorgung in Westdeutschland um rund 240 Prozent und in Ostdeutschland sogar um fast 280 Prozent.
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Auch die staatlichen Versorgungsunternehmen konnten mit Einnahmezuwächsen von mehr als 20 Prozent bundesweit ordentlich zulegen. Unterschiedliche Entwicklungen gab es dagegen bei der Abfallentsorgung: Hier verbuchten die westdeutschen Kommunen Mehreinnahmen von gut 40 Prozent, während es im Osten knapp 16 Prozent weniger waren.

Ein ähnliches Auseinanderdriften zeigt sich beim Fremdenverkehr und bei kommunalen Gemeinschaftsdiensten wie beispielsweise den Schlachthöfen und dem Bestattungswesen. Eine Ursache dafür könnte in der demografischen Veränderung liegen. Bekanntlich fällt in einigen ostdeutschen Regionen der Wanderungs- bzw. Schrumpfungsprozess der Bevölkerung besonders deutlich aus.

Selbstverständlich gibt es auch Gemeinden, die sich tatsächlich „Weniger Staat und mehr Markt“ auf die Fahnen geschrieben und einst kommunale Aufgaben an private Unternehmen übertragen haben. So privatisierte Pforzheim seine Verkehrsbetriebe, und die Stadt Dresden verkaufte in einer spektakulären Aktion ihren gesamten Wohnungsbestand an einen privaten Investor. Die Erlöse reichten immerhin aus, um die Elb-Metropole mit einem Schlag von all ihren Schulden zu befreien.

In Nordrhein-Westfalen schwenkt die Landesregierung auf einen besonders harten Kurs um. Eine strikte Subsidiaritätsklausel soll es den Kommunen künftig erschweren, erwerbswirtschaftliche Geschäfte zu machen – hier sollen private Firmen den Vorzug erhalten. Solch eine Generalklausel stünde auch anderen Bundesländern gut zu Gesicht, schließlich müssen deren Bürger die Zeche für den verzerrten Wettbewerb
zahlen. Denn eine Kommunalisierung von Aufgaben, die durchaus von privaten Unternehmen übernommen werden können, führt in der Regel zu Effizienzverlusten, sprich überhöhten Preisen – wie immer, wenn der Wettbewerb fehlt.

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Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen
Hubertus Bardt, Winfried Fuest

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