Neu ist die Frage „Wie effizient arbeitet unser Vertrieb?“ für die Unternehmen nicht. Die meisten stellten diese Frage in der Vergangenheit aber oft halbherzig; unter anderem, weil sich in der Industrie das Input-Output-Verhältnis im Vertrieb schwieriger messen lässt als in der Produktion– speziell in der Investitionsgüterindustrie. Eine Ursache hierfür ist: Investitionsgüter sind keine Schnelldreher. Oft dauert es Monate, teils sogar Jahre bis ein Auftrag unter Dach und Fach ist. Zudem sind die Verkaufsprozesse sehr komplex, zum Beispiel weil an der Kaufentscheidung der Kunden meist viele Personen und Bereiche beteiligt sind. Entsprechend schwierig ist der Vertriebsprozess zu managen und zu evaluieren. Hinzu kommt: Welche Aktivitäten beziehungsweise Kostenfaktoren den Vertriebskosten zugeordnet werden, variiert von Unternehmen zu Unternehmen. Entsprechend schwer lassen sich Benchmarks erstellen. Dessen ungeachtet darf von Unternehmensseite das Bestreben, die Vertriebseffizienz zu messen und zu erhöhen, nicht aufgegeben werden. Sonst würde auf eine wichtige Funktion des Vertriebsmanagements verzichtet werden.
Top-Management befragt
Vor diesem Hintergrund beschlossen das Institut für Unternehmensführung der Hochschule Mannheim und die Unternehmensberatung Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld, zu untersuchen, welche Bedeutung die Industrieunternehmen aktuell dem Steigern der Vertriebseffizienz beimessen. Die Kernfragen waren:
Bis Januar 2008 wurden für die Studie 74 obere Führungskräfte von Herstellern von Investitionsgütern befragt, deren Umsatz im zurückliegenden Geschäftsjahr über 10 Millionen Euro lag. Bei circa 45 Prozent war der Jahresumsatz sogar höher als 100 Millionen Euro. Von den befragten Personen waren 45 Prozent Mitglieder des Vorstands oder der Geschäftsleitung; die restlichen 55 Prozent waren weitgehend Verkaufs- und Vertriebsleiter.
Die Befragung ergab: Eine Erhöhung der Vertriebseffizienz wird von den Industrieunternehmen zunehmend als wichtige Aufgabestellung erkannt und markiert bei immerhin 50 Prozent ein Hauptziel im laufenden Geschäftsjahr. Auffallend ist zudem: Bei den Unternehmen, in denen nach Auffassung deren Spitzenmanager noch Umsatzsteigerungspotenziale von 20 Prozent und mehr ruhen, wurde das Thema „Vertriebseffizienz erhöhen“, offiziell zum Jahresziel erklärt. Hierfür gibt es zwei mögliche Erklärungen:
Das Credo: Eine höhere Vertriebseffizienz ist möglich!
Die meisten Unternehmen wollen die Vertriebseffizienz verbessern, indem sie den Umsatz als zentrale Outputgröße erhöhen. Im Schnitt vermuten sie, dass bei gleichbleibendem Input der Umsatz durch ein effektiveres Vorgehen im Vertrieb um 20 Prozent gesteigert werden könnte; das heißt, sie gehen davon, dass der Wirkungsgrad der Bemühungen und somit der Zielerreichungsgrad erheblich verbessert werden kann. Weniger bedeutsam ist für die Unternehmen ein Senken der Kosten. Dem entspricht, dass die Befragten beim Steigern der Vertriebseffizienz nicht auf einen Abbau von Personal setzen. Im Gegenteil, zahlreiche Unternehmen erachten den Ausbau der Vertriebsmannschaft als viel versprechenden Weg.
Mit ihren geplanten Maßnahmen zur Effizienzsteigerung verfolgt die Mehrheit der Unternehmen nicht nur rein monetäre Ziele. Sie wollen auch die Kundenzufriedenheit steigern und die Reaktionsgeschwindigkeit ihrer Organisation erhöhen. Dies überrascht nicht. Denn beim Vertrieb von Investitionsgütern müssen für und mit Kunden oft maßgeschneiderte Problemlösungen entworfen werden. Deshalb sind die genannten Faktoren Schlüsselfaktoren beim Gewinnen von Aufträgen.
Wichtigster Hebel: Die Kundenprofitabilität erhöhen
Als die fünf wichtigsten Hebel zum Erhöhen der Vertriebseffizienz sehen die Befragten:
Am bedeutsamsten ist aus der Sicht der Befragten das Erhöhen der Kundenprofitabilität – also das Bemühen, mit den Kunden höhere Erträge zu erzielen. Dieses Ziel kann durch eine stärkere Fokussierung der Vertriebsaktivitäten auf ertrags- und erfolgsversprechende Kunden erreicht werden (zum Beispiel durch Zielkunden-Strategien) oder durch das Erzielen höherer Preise (zum Beispiel durch Preisgesprächs- und Verhandlungstrainings). Die Profitabilität kann zudem durch ein verstärktes Cross-Selling sowie ein Steigern der Liefermengen und -anteile bei Bestandskunden erhöht werden; des Weiteren durch schlankere und kostengünstigere Prozesse. Insofern ist eine hohe Kundenprofitabilität zumeist das Resultat eines Bündels von Maßnahmen (zum Beispiel durch einen strukturierten Selling-Plan). Deshalb überrascht es nicht, dass die Befragten diesem übergeordneten Ziel eine größere Bedeutung beimessen, als den einzelnen Hebeln, die eine höhere Vertriebseffizienz bewirken.
Auffallend ist jedoch, dass viele Top-Manager im Erhöhen der verkäuferischen Fähigkeiten der Vertriebsmitarbeiter den Hebel sehen, von dem der größte Effekt ausgeht. Dies legt die Vermutung nahe, dass das Umsetzen der Vertriebsstrategien aus Managementsicht häufig auf der Mitarbeiterebene scheitert. Der größte Qualifizierungsbedarf wird im Analysieren und Ausschöpfen von Kundenpotenzialen gesehen. Als wichtig erachten die Befragten zudem, dafür zu sorgen, dass die Vertriebsmitarbeiter höhere Preise erzielen. Dies stellt aus ihrer Sicht eine Daueraufgabe dar, weil aufgrund des starken Wettbewerbs die Preise der Unternehmen permanent unter Druck stehen. Deshalb messen die Befragten, wenn es um das Optimieren der operativen Vertriebsprozesse geht, vermutlich neben der Kundenbindung auch dem Angebotsmanagement eine sehr hohe Bedeutung bei.
Maßnahmenbündel ist gefragt
Bezogen auf das Verbessern der Vertriebsprozesse wurden bei der Befragung drei Kategorien von Maßnahmen unterschieden:
Beim Auswerten der Antworten auf die Frage, welche Maßnahmen seitens der Unternehmen geplant sind beziehungsweise wurden, um die Vertriebseffizienz zu erhöhen, fällt auf: Nennenswerte Effizienzsteigerungen lassen sich nach Ansicht der Top-Manager in der Regel nicht durch Einzelmaßnahmen erzielen. Vielmehr ist ein Bündel von Maßnahmen nötig, das auf den Bedarf des Unternehmens abgestimmt ist. Das zeigt: Den Verantwortlichen ist bewusst, dass sich letztlich das System weiterentwickeln muss, weshalb isolierte Maßnahmen – sei es im Qualifikations-, Organisations- oder Infrastrukturbereich – keine nachhaltige Wirkung haben, wenn sie nicht in einem Gesamtkonzept verankert sind.
Weniger Intuition, mehr Kennzahlen
Damit die Verantwortlichen die erforderlichen Maßnahmenpakete schnüren können, müssen sie zunächst den aktuellen Leistungsgrad des Vertriebs kennen. Deshalb wurde auch untersucht, mit Hilfe welcher Informationen das obere Management die Effizienz ihrer Vertriebsbereiche beurteilt. Ein Ergebnis war: Beim Beurteilen der Vertriebseffizienz stützt sich das Management weitgehend auf die klassischen quantitativen Controllingdaten wie Umsatzentwicklung, Deckungsbeitrag und Auftragseingang. Diese Daten werden von den Entscheidern aufgrund ihrer Erfahrung sowie persönlichen Annahmen über die Wirkungszusammenhänge im Vertrieb interpretiert. Das heißt, die persönliche Intuition ist heute beim Bewerten der Vertriebseffizienz die häufigste Grundlage. Und wenn Verhältniszahlen zur Effizienzmessung herangezogen werden, sind diese nicht immer tatsächlich Indikatoren für die Vertriebseffizienz (Wirtschaftlichkeit) sondern eher für die Effektivität (Zielerreichungsgrad). Als Beispiele hierfür seien genannt:
• Return on Sales (ROS = Gewinn im Verhältnis zum Umsatz),
• Hitrate (= Verhältnis von erstellten Angeboten zu den gewonnenen Aufträgen),
• Marktanteil; Lieferanteile bei Kunden,
• Anteil des mit Neu- und Wettbewerberkunden erzielten Umsatzes.
Vertriebseffizienz systematischer analysieren
Vielfach ist das Problem, dass die benötigten Informationen und Zahlen nicht zur Verfügung stehen. Das heißt: Zum Bewerten der Vertriebseffizienz werden häufig Kennzahlen genutzt, die zwar Auskunft über das Vertriebsergebnis geben, aber keinen Aufschluss darüber, inwieweit dazu Aufwand und Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen. Faktisch wird also oft nur das Erreichen der Vertriebsziele „überwacht“ (Zielerreichungsgrad, Effektivität). Eine systematische Analyse der Qualität der Vertriebsprozesse und -aktivitäten bezüglich ihrer Effizienz (Wirtschaftlichkeit) erfolgt nicht.
Eine Ursache hierfür dürfte sein, dass das obere Management primär daran gemessen wird, ob die Umsatz- und Ertragsziele erreicht wurden. Für das Gewährleisten der Vertriebseffizienz hingegen sind im Unternehmensalltag weitgehend die mittleren und unteren Führungsebenen zuständig. Das zeigen auch die Antworten auf die Frage, welche weiteren Informationsquellen das oberste Management zum Beurteilen der Effizienz nutzen. Als solche werden vor allem Berichte und Reports nachgeordneter Leitungsebenen genannt.
Entsprechend wichtig wäre es, dass just diesen Führungsebenen aussagekräftige Kennzahlen (wie zum Beispiel Verhältniszahlen) zur Verfügung stünden, damit sie nicht nur den Grad des Erreichens der Vertriebsziele konstatieren, sondern auch
Genau solche Kennziffern und Prozess-Daten scheinen jedoch in den Unternehmen vielfach zu fehlen. Deshalb vertrauen auch die operativen Führungskräfte (wie 80 Prozent ihrer Vorgesetzten), wenn es um das Erhöhen der Vertriebseffizienz geht, weitgehend auf ihre Einschätzung und persönliche Erfahrung. Dies erhöht die Gefahr, dass nicht immer die wirklich richtigen Schlüsse gezogen werden. Hinzu kommt: Wenn keine aussagekräftigen Daten über die Vertriebseffizienz vorliegen und deren Bewertung weitgehend aufgrund von subjektiven Einschätzungen erfolgt, ist es auch schwierig, sich firmenintern auf Maßnahmen zu verständigen und den Mitarbeitern zu vermitteln, warum ein anderes Vorgehen oder verändertes Verhalten nötig ist. Der Mangel an aussagekräftigen Informationen und Zahlen führt deshalb in der Praxis oft dazu, dass ein gezieltes Steuern der Vertriebseffizienz unterbleibt.
Fazit: Die von den in der Studie Befragten vermuteten Effizienzpotenziale – durchschnittlich 20 Prozent Umsatzsteigerung und 10 Prozent Kostenoptimierung – belegen: Es wird sich lohnen, das Steuern der Vertriebsprozesse und damit der Vertriebseffizienz zu optimieren.
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Studie: Vertriebseffizienz – die Chance im Industriegütervertrieb?
Aktuelle Studie der Hochschule Mannheim und des Beratungsunternehmens PETER SCHREIBER & PARTNER belegt: Im Industriegütervertrieb existieren noch ungenutzte Potenziale zur Effizienzsteigerung. Doch leider fehlen oft die erforderlichen Kennzahlen und Instrumente, um sie zu heben.