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Fachartikel, 29.07.2008
Familienunternehmen
Die leisen Champions der deutschen Wirtschaft
In mehr als neun von zehn deutschen Unternehmen haben Einzelunternehmer oder ganze Clans das Sagen. Die meisten Familienunternehmen sind in Deutschland fest verwurzelt, forschen und investieren in erster Linie in ihrer Region, schaffen mehr Jobs als Nicht-Familienunternehmen und sind nicht nur erfolgreich, sondern auch gesellschaftlich sehr engagiert. Kurzum: Sie sind das Rückgrat in der deutschen Wirtschaft.
Familienunternehmen machen nur selten Schlagzeilen. Die fränkische Firma Schaeffler, die den Autozulieferer Continental übernehmen will, ist hier eine große Ausnahme – zumal die meisten vom Eigentümer geführten Betriebe zu klein sind, um gegen DAX-Konzerne anzutreten. Weil sie nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, wusste man über Familienunternehmen bislang recht wenig.

Licht in dieses Dunkel bringt jetzt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), die sich auf Daten von mehr als 6.000 Unternehmen stützt. Danach erfüllen 94 Prozent der befragten Firmen die Kriterien eines Familienunternehmens: Sie sind mehrheitlich im Eigentum einer Familie und werden von dieser direkt über die Geschäftsleitung oder indirekt über die Gesellschafter mehrheit dominiert. Die Ergebnisse der Untersuchung im Einzelnen:

Rendite

Familienbetriebe erzielen auf den ersten Blick höhere Gewinne als andere Unternehmen: Ein Fünftel wies im Durchschnitt der Jahre 2004 bis 2006 eine Umsatzrendite nach Steuern von über 10 Prozent auf. Von den nicht familiendominierten Unternehmen kamen nur 13 Prozent auf einen solchen Spitzenwert. Allerdings müssen die Einzelunternehmer von diesem Gewinn noch ihr eigenes Einkommen bestreiten – bei Aktiengesellschaften sind die Managergehälter schon in den Kosten enthalten.

Jobmotor

Die Firmen in Familienbesitz haben in den Jahren 2004 bis 2006 mehr Beschäftigung aufgebaut als die Nicht-Familienunternehmen. Pro Jahr wuchs die Zahl der Arbeitsplätze um einen Prozentpunkt stärker.

Umgerechnet auf die Gesamtwirtschaft haben die Familienfirmen damit zwischen 2004 und 2006 in etwa 300.000 Stellen mehr geschaffen als die anderen Unternehmen.

Innovationen

Die Eignerfirmen sind bezogen auf ihr Sortiment vergleichsweise konservativ: Nur zwei Drittel haben seit 2005 neue Produkte oder Prozesse auf den Markt gebracht. Von den übrigen Firmen sind rund 75 Prozent Erneuerer. Das ist für die Familienbetriebe aber offenbar kein Problem. Sie entwickeln ihre vorhandene Angebotspalette intensiver weiter – und stoßen damit auf positive Resonanz bei den Kunden.

Defizite scheint es bei Familienunternehmen auch im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) zu geben. Nicht familienbestimmte Unternehmen betreiben zu 28 Prozent kontinuierlich FuE, 25 Prozent forschen gelegentlich. Dagegen beträgt der Anteil der Familienunternehmen mit FuE-Aktivitäten 13 bzw. 19 Prozent. Da aber überdurchschnittlich viele Dienstleistungs- und Bauunternehmen in Familienhand sind, erklärt sich die Forschungsabstinenz fast von selbst.

In der Industrie sieht die Sache schon anders aus. Hier geben Familienunternehmen sogar einen höheren Anteil ihres Umsatzes für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten aus, nämlich 3,5 Prozent. Nicht-Familienunternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe kommen nur auf eine FuE-Quote von 2,5 Prozent.

Auslandsengagement

Unternehmen im Besitz von Eltern, Kindern oder Enkeln sind deutlich seltener global aufgestellt als andere Firmen: Sie exportieren nur 8 Prozent ihres Sortiments – andere kommen auf eine Ausfuhrquote von über 16 Prozent. Dieser Unterschied resultiert aber allein aus dem höheren Anteil von kleinen Familienbetrieben aus dem Handwerk und dem Servicesektor. Deren Dienstleistungen sind nicht unbedingt exportfähig. Mit der Betriebsgröße und der Nähe zur Industrie wächst der Drang über die Grenzen:

Mittelständische Industrieunternehmen in Familienbesitz mit 10 bis 50 Millionen Euro Jahresumsatz haben mit 31,6 Prozent eine höhere Exportquote als Nicht-Familienunternehmen mit 26,1 Prozent.

Hidden Champions

Pfiffige Familienunternehmen erobern insbesondere mit Nischenprodukten die globalen Märkte; oft sind sie zum Weltmarktführer in ihrem Marktsegment aufgestiegen oder zählen zu den drei größten Unternehmen. Die Firma Freudenberg aus Weinheim ist so ein Fall. Sie produziert Dichtungen, Fliesstoffe, Schmier- und Trennmittel – also Produkte, die in anderen Erzeugnissen „untergehen“. Allerdings kommt kaum ein Automobilhersteller ohne diese „Hidden Products“ aus.

Das durchschnittliche Umsatzwachstum von Unternehmen, die die Kriterien der Hidden Champions erfüllen, liegt bei 9 Prozent pro Jahr.

Heimatverbundenheit

Familienunternehmen sind fest in ihrer Region verwurzelt: Von den Eignern geführte Industriebetriebe erzielen nur 4,9 Prozent ihres Umsatzes durch den Verkauf von Produkten, die ein ausländisches Zweigwerk herstellt – die restlichen Industriebetriebe kommen auf einen Anteil der Auslandsproduktion am Gesamtumsatz von immerhin 7,5 Prozent. Die vergleichsweise geringe Internationalität der Familienfirmen zeigt sich auch in Sachen Jobs – nur 2,9 Prozent der Belegschaft arbeiten in der Ferne, bei den Nicht-Familienunternehmen sind es immerhin 5 Prozent.

Clusterbildung

Familienbetriebe sind untereinander und auch mit Forschungseinrichtungen um sie herum vernetzt. Das macht sie stark im internationalen Wettbewerb. Man kennt sich und hilft sich. So erwirtschaften Familienbetriebe im Schnitt 50 Prozent des Umsatzes im Umkreis von 50 Kilometern, bei den anderen Firmen sind es nur 34 Prozent. Fast die Hälfte der Einkäufe werden ebenfalls in der Region getätigt, die anderen kaufen nur jedes dritte Produkt oder jede dritte Dienstleistung in der näheren Umgebung ein.

Zukunftsaussichten

Die traditionelle Verbundenheit zum Heimatstandort ist keine Ehe auf Zeit – immerhin knapp die Hälfte der Familienunternehmen hofft, dass sie sich am Stammsitz behaupten kann. Weitere 40 Prozent wollen noch eine Schippe drauflegen. Familienunternehmen, vor allem kleine, sehen am Heimatstandort indes auch Probleme auf sich zukommen – insgesamt befürchten 12 Prozent, dass sie daheim schrumpfen oder ganz dicht machen müssen. Interessant ist, dass auch die übrigen Firmen erkannt haben, dass die Verwurzelung in der Region Vorteile bringt. So wollen sogar 55 Prozent der Nicht-Familienunternehmen ihre Stammwerke vergrößern.

Gesellschaftliches Engagement

Weil die Firmeneigner vor Ort sind, sieht man sie sonntags in der Kirche, auf dem Sportplatz und beim Schützenfest. Sie überweisen Geld an karitative Einrichtungen oder spenden schon mal für das neue Sportheim. Praktisch alle Firmeninhaber verhalten sich so.

Damit das Familienunternehmen auch künftig im Dorf bleibt, ist nicht zuletzt die Wirtschaftspolitik gefordert. Den Standort Deutschland gilt es zu stärken, indem die begonnenen Reformen weitergeführt werden. Die kostspielige Einführung des Gesundheitsfonds und die außerplanmäßige Rentenanhebung rücken das Ziel niedrigerer Lohnnebenkosten wieder ein Stück weit weg. Auch Bürokratieabbau und flexiblere Arbeitsmarktregeln stehen auf der Agenda einer mittelstandsfreundlichen Politik.

Ein internes Problem aber kann keine Regierung lösen – die Nachfolgeregelung. Allzu oft teilt der „Patriarch“ vor seinem Ausstieg aus Gerechtigkeitsgründen das Unternehmen gleichmäßig unter den Kindern auf, was fatal sein kann. Denn nicht jeder Sprössling hat auch das unternehmerische Talent seines Vaters oder seiner Mutter geerbt.

Diese Form der Firmenübergabe ist gleichwohl in Deutschland gang und gäbe: In der dritten Generation haben nur noch 14 Prozent der Familienbetriebe einen einzigen Gesellschafter – Sachentscheidungen werden so immer komplizierter; es drohen Krisen. Erfolgreiche Familienunternehmen verfügen daher über ein Familienmanagement, um Konflikte zu vermeiden oder so zu steuern, dass sie nicht das Unternehmen belasten. Durch eine wirtschaftsfreundliche Regelung der Erbschaftssteuer kann die Politik aber zumindest die Chancen auf Weiterführung erhöhen.

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Publikationshinweis
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Die Zukunft der Familienunternehmen in Deutschland – Potenziale und Risiken in der globalen Wirtschaf
Von Klaus-Heiner Röhl

Das Modell Familienunternehmen weist viele Facetten auf, vom lokal tätigen Handwerksbetrieb bis zum weltweit agierenden Industrieunternehmen einer alteingesessenen Unternehmerfamilie. Die Studie untersucht die Struktur von Familienunternehmen, die verschiedenen Organisationsformen, erfasst strategische Fragen vom Konflikt- und Familienmanagement bis hin zu Unterschieden in der Ausrichtung familien- und kapitalmarktgesteuerter Firmen.

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