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Fachartikel, 26.08.2008
EU-Handel mit China
Viele Baustellen für die Politik
Der Warenhandel zwischen China und Europa floriert. Für die Geschäftspartner müsste das eigentlich ein Grund zur Freude sein. Trotzdem herrscht handelspolitisch alles andere als eitel Sonnenschein. Stein des Anstoßes ist der enorme Überschuss an Lieferungen aus China im Vergleich zu den europäischen Exporten. Ein Missverhältnis, das von chinesischer Seite aus künstlich konserviert wird.
Dass die Olympioniken unter der hohen Luftverschmutzung in Peking leiden würden, war sogar den Ausrichtern der Wettkämpfe klar. Sie griffen zum Wohl der Sportler durch und verhängten umfangreiche Fahrverbote sowie Produktionsstopps für Fabriken. Doch was die einen freute, nämlich die Athleten, war der anderen Leid. So waren auch europäische Unternehmen von Zwangspausen für ihre Tochterunternehmen im Umkreis der Olympiastadt betroffen. Neben anderen Reibungspunkten trübte dieses Vorkommnis die Freude über den an sich florierenden Warenaustausch. Mit kaum einem anderen Land hat sich der Handel der Europäischen Union so dynamisch entwickelt wie mit dem Land des Lächelns:

Über 16 Prozent der Wareneinfuhren in die Europäische Union kamen im vergangenen Jahr aus China – im Jahr 2000 waren noch die USA mit fast 21 Prozent der bei weitem wichtigste Lieferant.

Die Importe der EU aus Fernost belaufen sich mittlerweile auf satte 230 Milliarden Euro und haben sich binnen sieben Jahren sogar mehr als verdreifacht – das jährliche Plus lag durchschnittlich bei knapp 18 Prozent. Ein Drittel der Einfuhren besteht aus Computern und Co.; ein weiteres Sechstel steuern T-Shirts und andere Textilien bei. Gerade die Schnäppchenartikel sind oftmals made in China.

Das Geschäft beruht allerdings auf Gegenseitigkeit: Auch die EU ist für China mittlerweile der bedeutendste Handelspartner. Im Jahr 2007 verkauften die Europäer Maschinen, Autos, Flugzeuge und andere Güter im Wert von über 70 Milliarden Euro an Kunden im Reich der Mitte. Das ist fast dreimal so viel wie zu Beginn dieses Jahrzehnts – im Schnitt haben die Ausfuhren ins Olympialand damit um knapp 16 Prozent jährlich zugelegt.

Mit einem Anteil von fast 6 Prozent ist China inzwischen der viertwichtigste Abnehmer von EU-Waren – hinter den Vereinigten Staaten, der Schweiz und Russland.

So richtig in Schwung kam der westöstliche Warenaustausch mit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2001. Davon profitieren beide Seiten: China musste einen Teil seiner Importbarrieren abbauen, genoss zugleich aber die Handelserleichterungen, die die übrigen WTO-Mitglieder untereinander vereinbart hatten. Außerdem schaffte die EU im Jahr 2005 ihre strengen Einfuhrbeschränkungen für Textilien ab – was in erster Linie den Chinesen nützt.

Die Importe aus Peking, Shanghai und Co. sind allerdings manchen europäischen Firmen ein Dorn im Auge, insbesondere jenen aus den südlichen Ländern der Union. Sie kritisieren das zunehmende Ungleichgewicht im Handel:

Im Jahr 2007 betrug das Minus im Warenhandel mit China rund 160 Milliarden Euro – damit gehen 86 Prozent des gesamten Handelsbilanzdefizits der EU auf das Konto der Volksrepublik.

Hauptgrund dafür ist, dass viele chinesische Firmen gut und günstig produzieren. Andere asiatische Länder nutzen das Riesenreich zudem als verlängerte Werkbank – sie lassen dort also zu geringen Kosten fertigen – und exportieren ihre Waren dann von China aus in den Rest der Welt. Inzwischen haben die kritischen Stimmen bei der EU-Kommission Gehör gefunden. Diese müht sich bereits seit einiger Zeit, den Importdruck aus China etwas zu mildern:

  1. Strafzölle: Die Volksrepublik war zwischen 1995 und 2007 von 53 Antidumping-Maßnahmen der EU betroffen; rund ein Fünftel aller EU-Strafzölle auf Schleuderpreis-Produkte entfiel auf das Reich der Mitte.
  2. Neue Importquoten: Die völlige Freigabe der Textilimporte hatte 2005 zu einem massiven Anstieg der Lieferungen aus chinesischen Fabriken geführt. Die EU-Kommission reagierte darauf mit neuen Einfuhrbeschränkungen, die allerdings bis Ende dieses Jahres begrenzt sind und auch etwas weniger strikt ausfallen als die früheren.

Im Zeitverlauf kristallisierte sich jedoch mehr und mehr heraus, dass die Reibereien im Handel mit China nicht so leicht auszumerzen sind und dass man deren tiefere Ursachen angehen muss. Die EU-Kommission moniert
im Einzelnen:

  1. Subventionen: China fördert rigoros die internationale Konkurrenzfähigkeit seiner Unternehmen. Vor allem Staatsfirmen wird massiv mit Subventionen unter die Arme gegriffen – auch ein Grund, weshalb sie besonders günstig anbieten können.
  2. Missachtung internationaler Standards: Relativ gering schätzt der aufstrebende Bevölkerungsgigant weltweit gültige Standards für Produkte sowie den Umgang mit Umwelt und Beschäftigten: So hat Peking etwa die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Gewerkschaftsfreiheit und zum Verbot von Zwangsarbeit nicht akzeptiert – im Gegensatz zu vielen anderen Entwicklungsländern.
  3. Wechselkurspolitik: Die chinesische Zentralbank hält den Wechselkurs der heimischen Währung Renminbi Yuan künstlich niedrig. Den Unternehmen in Shanghai, Shenzhen und anderswo spielt das in die Karten, weil einerseits chinesische Güter für das Ausland billig sind, andererseits europäische Erzeugnisse in China recht teuer bleiben. Zwar ist der Yuan seit Mitte 2005 nicht mehr fest an den Dollar gekoppelt; die Notenbanker in Peking achteten jedoch in den zurückliegenden Monaten peinlich genau darauf, dass sich Chinas Währung nicht allzu stark von der amerikanischen entfernt. Deshalb hat der Yuan den starken Wertverlust des Dollars gegenüber dem Euro zumindest teilweise mitgemacht. Die anfängliche Aufwertung des Yuan in Relation zur europäischen Währung hielt lediglich bis Ende 2005 an und ging dann schnell wieder in eine sukzessive Abwertung über. Der Euroraum hat daher gleich eine doppelte Last zu tragen: Sowohl gegenüber den US-Erzeugnissen als auch gegenüber chinesischen Produkten sind seine Waren währungsbedingt im Preisnachteil.
  4. Blockade europäischer Exporteure: Wenig begeistert ist man in Europa auch über die Abschottung des chinesischen Markts. Laut WTO-Vorgaben hätten bestimmte wichtige Zugangsbeschränkungen für Banken, Versicherungen, Telefon- und Baufirmen längst beseitigt sein müssen. Stattdessen machen willkürliche neue Regularien sowie verzögerte Genehmigungsverfahren den Exporteuren das Geschäft schwer.
  5. Raubkopien und Produktpiraterie: Bereits einige europäische Unternehmen mussten feststellen, dass ihre Produkte detailgetreu nachgemacht auf dem Markt erscheinen, teils sogar mit demselben Markennamen. Die meisten dieser Kopien kommen aus China:

    Nach Angaben der EU-Kommission stammten im Jahr 2006 rund 80 Prozent der von EU-Zöllnern identifizierten Warenfälschungen aus dem Reich der Mitte.

    Wenn diese Nachbauten die Märkte rund um den Globus überschwemmen, geraten die Preise unter Druck und der Ruf der kopierten Unternehmen leidet. Patente und Urheberrechte sind daher wohl eine der wichtigsten
    Baustellen der europäischen Handelspolitik.

Die beiden Wirtschaftspartner haben immerhin begonnen, einige handelspolitische Steine aus dem Weg zu räumen: So hat China jüngst Zugeständnisse in Sachen Wechselkurs und Produktstandards gemacht und seine
öffentlichen Ausschreibungen etwas liberalisiert. Zudem verhandelt die EU seit Anfang 2007 über ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Peking, das auch außenpolitische Themen umfasst, und in diesem Frühjahr wurde ein hochrangiger Handels-und Wirtschaftsdialog eröffnet. Im Hintergrund allerdings droht die EU-Kommission weiter mit Klagen bei der WTO und einer verschärften Gangart in Sachen Strafzölle.

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