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Fachartikel, 22.02.2010
Deutsche Exportwirtschaft
Wachstumstreiber Schwellenländer
Ob vor, während oder nach der Wirtschaftskrise: Für die deutsche Exportwirtschaft spielen aufstrebende Schwellenländer wie China, Russland oder auch Polen eine immer größere Rolle. Deren fortschreitende Industrialisierung kommt insbesondere den hochspezialisierten Herstellern von Investitionsgütern zugute.*)

Wer die ökonomische Dynamik der Schwellenlände richtig würdigen will, muss die verzerrenden Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zunächst ausklammern und den Blick auf die Zeit davor richten. Schon damals, zwischen 2000 und 2007, wuchsen die aufstrebenden Volkswirtschaften um jahresdurchschnittlich gut 6 Prozent, also doppelt so schnell wie die Weltwirtschaft. Exportweltmeister Deutschland konnte davon besonders profitieren:

Mehr als ein Drittel des deutschen Exportwachstums zwischen 2000 und 2007 ging auf das Konto der Schwellenländer.

Dieser Einkaufsboom hat den Anteil der aufstrebenden Länder am gesamten deutschen Warenexport von 18 auf 25 Prozent erhöht.

Der Hauptgrund für diese Dynamik war – neben dem hohen Wirtschaftswachstum – der Investitionsboom in Asien. Zudem profitierten viele Schwellenländer ab 2002 von hohen privaten Kapitalzuflüssen sowie stark steigenden Öl- und Rohstoffpreisen. Alles zusammen erlaubte es ihnen, vermehrt ausländische Güter nachzufragen.

Auch im Vergleich mit anderen Industrieländern, der allerdings durch Wechselkursveränderungen verzerrt ist, können sich die deutschen Exporterfolge sehen lassen:

Von 2000 bis 2007 stiegen Deutschlands Exporte in die Schwellenländer um rund 230 Milliarden Dollar – so stark wie in keinem anderen Industrieland.

Die mit Abstand wichtigsten Emerging Markets für Deutschland waren 2007 – in dieser Reihenfolge – Polen, China, Russland, die Tschechische Republik, Ungarn und die Türkei. Im Vergleich zum Jahr 2000 hat Polen nicht nur seine Führungsposition behalten, sondern seinen Anteil an den deutschen Warenexporten sogar von 2,4 auf gut 3,7 Prozent ausgebaut. China und Russland, beide mit einem Anteil von jeweils rund 3 Prozent, haben sich in diesem Zeitraum deutlich nach vorn geschoben; China von Platz 4 auf Platz 2 und Russland von Platz 6 auf Platz 3. Diese beiden Staaten haben zusammen mit Polen zugleich den größten absoluten Exportzuwachs von jeweils über 20 Milliarden Euro.

Gemessen an Deutschlands gesamten Warenausfuhren haben sich die Geschäfte mit den meisten Schwellenländern überproportional gut entwickelt. Das gilt aber nicht für alle: So sind die Warenausfuhren nach Mexiko, Brasilien, Argentinien, Singapur, Hongkong, Thailand, Indonesien und in die Philippinen nur unterdurchschnittlich gewachsen.

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Die Schwellenländer: Argentinien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Estland, Hongkong, Indien, Indonesien, Lettland, Litauen, Malaysia, Mexiko, Philippinen, Polen, Rumänien, Russische Föderation, Singapur, Slowakei, Slowenien, Südafrika, Südkorea, Thailand, Tschechien, Türkei und Ungarn.

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Die Bedeutung einiger Emerging Markets für den deutschen Warenexport macht ihr Wachstumsbeitrag deutlich, also der Anteil, den sie zum deutschen Exportwachstum beisteuern:

Die drei größten Kunden Polen, China und Russland hatten zwischen 2000 und 2007 für die Entwicklung der deutschen Ausfuhren ein ähnlich großes Gewicht wie die etablierten Industrieländer Frankreich und die Niederlande.

Der Anteil der einzelnen Länder am gesamten deutschen Exportzuwachs betrug in diesem Zeitraum jeweils rund 6 Prozent. Und das, obwohl die Ausgangsbasis, also das deutsche Exportvolumen, in die genannten Schwellenländer im Jahr 2000 sehr viel kleiner war.

Dafür aber war die Dynamik umso eindrucksvoller: Polen importierte 2007 rund 150 Prozent mehr Waren aus Deutschland als im Jahr 2000, China kam auf ein Plus von 215 Prozent und Russland sogar auf 325 Prozent.

Länder wie Ungarn, die Türkei, Indien, Rumänien und die Slowakei haben mit 1,4 bis 1,9 Prozent schon gut halb so viel zum deutschen Exportwachstum beigetragen wie die USA (2,9 Prozent). Tschechien lag mit 3,6 Prozent deutlich darüber.

Eine ganz andere Frage ist, welche Waren die Bundesrepublik in die Schwellenländer verkauft. Nach der sogenannten „Ausrüsterthese“ sind vor allem die deutschen Hersteller von Investitionsgütern gut im Geschäft, denn sie profitieren von der fortschreitenden Industrialisierung dieser Volkswirtschaften. Die Daten für 2000 bis 2007 belegen diese These eindrucksvoll:

Beim Export in die Schwellenländer war der Wachstumsbeitrag der Sparte „Investitionsgüter ohne Teile/Zubehör“ zum deutschen Gesamtexport mit fast 23 Prozent um 8 Prozentpunkte höher als bei der Ausfuhr in alle Länder.

Im Handel mit Konsumgütern und Kraftfahrzeugen dominierten dagegen noch die Industrieländer mit ihren breiten und kaufkräftigen Mittel- und Oberschichten, die in den Schwellenländern in dieser Form noch nicht vorhanden sind.

Die Ausrüsterthese bestätigt sich auch, wenn man die Sparte der Investitionsgüter um die Kategorien „Teile/Zubehör“ sowie um Nutzfahrzeuge erweitert und die Exportquoten international vergleicht. Demnach war der Anteil jener Investitionsgüterexporte, der in die Schwellenländer ging, in Deutschland schon im Jahr 2000 deutlich höher als etwa in Italien, Spanien und Frankreich. Zudem ist er von damals rund 21 Prozent bis 2007 auf 31 Prozent gewachsen und die Abstände zur internationalen Konkurrenz sind noch größer geworden.

Rund die Hälfte des deutschen Exportzuwachses bei Investitionsgütern zwischen 2000 und 2007 ging auf das Konto der Schwellenländer.

So weit die Entwicklung vor der Krise. Mit der größten Finanz- und Wirtschaftskrise aller Zeiten aber ist alles anders geworden – sagen zumindest die Kritiker des deutschen Exportmodells. Deutschland, so ihre These, sei zu exportorientiert – und damit zu abhängig vom Weltmarkt.

Tatsächlich aber gibt es keinen plausiblen Grund, warum ausgerechnet der mehrfache Exportweltmeister seine Strategie ändern sollte. Was die Schwellenländer angeht, von denen einige kaum noch als solche zu bezeichnen sind, besteht kein Grund zur (Absatz-)Sorge.

Vor allem dank der Zugpferde China und Indien wiesen die Emerging Markets selbst mitten in der Wirtschaftskrise 2009 noch positive Wachstumsraten von durchschnittlich gut 1 Prozent auf. Im Jahr 2010 dürften es nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds sogar schon wieder über 5 Prozent sein.

Die relativ robuste Verfassung der aufstrebenden Volkswirtschaften spiegelt sich auch in den deutschen Exporten wider. Während die Ausfuhren in die Industrieländer im Zeitraum Januar bis September 2009 gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 21 Prozent einbrachen, gingen die Ausfuhren in die Schwellenländer (ohne Mittel- und Osteuropa) nur um 16 Prozent zurück. Nach China setzten deutsche Exporteure in dieser Zeit nominal sogar 3 Prozent mehr Waren ab, und der Rückgang der Geschäfte mit Indien hielt sich mit 9 Prozent in vergleichsweise engen Grenzen.

Was die Zukunft angeht, stehen die Zeichen gut. Denn vieles spricht dafür, dass sich die Schwellenländer, mit Ausnahme der Krisenstaaten in Mittel- und Osteuropa, schneller und nachhaltiger erholen als die Industrieländer:

  • Gesündere Banken: Die Industrieländer sind wegen ihrer angeschlagenen Banken und der teilweise hohen privaten Verschuldung von der Krise stärker betroffen. In den Emerging Markets sind Lage und Aussichten überwiegend positiver.

  • Solide Wirtschaftspolitik: Die größeren Schwellenländer in Asien und Teilen Lateinamerikas haben aus ihren früheren Fehlern viel gelernt. Sie haben ihre Auslandsverschuldung (auch in Fremdwährung) abgebaut, Leistungsbilanzüberschüsse sowie hohe Devisenreserven erwirtschaftet, und sie betreiben in weiten Teilen eine solidere und stabilere Wirtschaftspolitik als früher.

  • Mehr Kapitalzuflüsse: Nach einem massiven Rückzug im vergangenen Winter fließen die Kapitalströme wieder und verbessern die finanzielle und wirtschaftliche Lage insbesondere in den asiatischen und lateinamerikanischen Schwellenländern.

  • Höhere Devisenreserven: Kapitalzuflüsse gehen oft mit einer Aufwertung einher. Da viele Schwellenländer das mithilfe ihrer Geldpolitik vermeiden oder in Grenzen halten, häufen sie weitere Devisenreserven an. Dies erleichtert ihnen zum Beispiel die Finanzierung von Konjunkturpaketen.

  • Steigende Rohstoffpreise: Der Auftrieb bei den Energie- und Rohstoffpreisen dürfte sich weiter fortsetzen. Davon profitieren Länder wie Russland, Brasilien und die anderen ölexportierenden Schwellenländer.

Trotz der positiven Perspektiven bleiben auch in den Schwellenländern Risiken. So dürfte die steigende Arbeitslosigkeit den privaten Konsum dämpfen. Alles in allem aber werden die aufstrebenden Länder ihre Rolle als Wachstumstreiber für deutsche Exporte behalten – wenn auch in leicht gedämpfter Form.

Vgl. Jürgen Matthes: Die Bedeutung der Schwellenländer für deutsche Warenexporte, in: IW-Trends 1/2010

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