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Fachartikel, 17.07.2007
Change-Management
Aus Zwei mach Eins – wenn Unternehmen fusionieren
Unternehmensverkäufe, -übernahmen und –fusionen sind mittlerweile an der Tagesordnung. Im Zuge dessen prallen stets zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander, die zumeist noch schwerer harmonisieren lassen, als die Prozesse und Strukturen. Was die Verantwortlichen im Management oft dabei übersehen: In den Prozessen und Strukturen eines Unternehmens spiegelt sich auch dessen Kultur wider.
Übernahmen und Fusionen sind das Highlight in der Karriere vieler Unternehmensführer. Stolz prophezeien Sie, welche glorreiche Veränderungen die Mitarbeiter durch die Übernahme des einstmals größten Wettbewerbers in Zukunft nun erwarten können, wie beispielsweise: „Mit dieser Übernahme steigt unser Marktanteil um zehn Prozent. Der Umsatz wird mehr als Drittel steigen. Dadurch eröffnen sich unserem Unternehmen ganz neue Perspektiven.“

Ist dann die Übernahme schließlich verkündet, zeigt sich der Alltag häufig grau und ist zumeist umso ernüchternder. Denn häufig unterschätzen Unternehmensführer die Tücken des damit verbundenen Integrationsprozesses – speziell auf der kulturellen Ebene. Denn die Kultur eines Unternehmens lässt sich anders als dessen Strukturen und Prozesse nur begrenzt mit solchen Instrumenten wie Organigrammen und Ablaufdiagrammen erfassen. Ihre Entwicklung lässt sich auch nur bedingt am „Reißbrett“ planen. Deshalb verdrängen Manager oft ihre Bedeutung.

Unsicherheiten und Ängste ernstnehmen

Große Veränderungen lösen bei den Mitarbeitern stets Unsicherheiten und Ängste aus – unter anderem, weil es bei ihnen neben Gewinnern auch Verlierer gibt. Oder zumindest Personen, die sich als solche empfinden. Diese meist diffusen Ängste und Befürchtungen müssen aufgefangen werden. Sonst verdichten sie sich zu Widerständen. Folgende Ängste können bei Fusionen zu Widerständen führen:

  • Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes
  • Angst vor Einkommenseinbußen
  • Angst vor neuen Aufgaben
  • Angst vor dem Verlust wichtiger persönlicher Beziehungen (z. B. aufgrund einer Versetzung)
  • Angst vor einem Verlust an Sozialprestige
  • Angst vor dem Verlust von Handlungsspielräumen und Entscheidungsbefugnissen
  • Angst vor geringeren Entwicklungs-/Karriere-Chancen

Die Ängste werden in der Regel umso größer, je länger die Mitarbeiter nicht wissen: Was kommt auf mich zu? Deshalb sollte das Management diese Fragen so schnell wie möglich beantworten. Sonst beginnt die Gerüchteküche zu brodeln, und der Veränderungsprozess erscheint für die Mitarbeiter in einem stets negativeren Licht, weshalb sich sogar Personen gegen ihn stellen, die faktisch zu den Gewinnern zählen.

Proaktive Information und Kommunikation

Einer Emnid-Umfrage zufolge sind die Hauptursachen für den fehlenden Erfolg von Fusionen nach Meinung von 87 Prozent der Befragten auf eine zu späte Integration der Mitarbeiter sowie eine unzureichenden und fehlerhafte Informationspolitik (81 Prozent) zurückzuführen. Ein Grund hierfür ist, dass viele Manager aus Angst, nur unnötig Unsicherheit zu erzeugen, die Überzeugung vertreten, es wäre besser, die Mitarbeiter erst zu informieren, wenn alles „in trockenen Tüchern“ ist.

Fusionsprozesse lassen sich aber nicht im Voraus im Detail planen. Viele Entscheidungen haben einen vorläufigen Charakter – unter anderem, weil nicht alle Einflussfaktoren und Wechselwirkungen präzis erfasst werden können. Zudem betritt das Unternehmen oft Neuland. Es hat also noch keine oder wenig praktische Erfahrung mit Fusionen. Deshalb führt die Angst davor, falsch oder unvollständig zu informieren, oft dazu, dass die Betroffenen fast keine offizielle Information erhalten. Dieses Informationsvakuum nährt Gerüchte und Halbwahrheiten, die wiederum Ängste und Unsicherheiten schüren. Deshalb sollte im Vorfeld jeder Fusion ein Kommunikationskonzept erstellt werden – mit folgenden Zielen:

  1. Verständnis für die Notwendigkeit der Fusion schaffen
  2. Vertrauen für die damit verbundenen Entscheidungen aufbauen
  3. Akzeptanz bei den Mitarbeitern erzeugen
  4. Motivation für die einzelnen Schritte erzeugen
  5. Basis für die Identifikation mit dem neuen Unternehmen schaffen

Kulturelle Unterschiede respektieren

Jedes Unternehmen hat seine eigene Geschichte und Kultur. Fusionieren zwei Unternehmen, entbrennt meist eine Kampf um das neue Leitbild. Diesen gewinnt, sofern dieser Prozess nicht gesteuert wird, in der Regel das übernehmende Unternehmen, selbst wenn offiziell eine „Hochzeit unter gleichen“ verkündet wird. Warum? Das übernehmende Unternehmen hat meist eine recht aggressive Kultur. Die Kultur des übernommenen Unternehmens hingegen ist eher von Partizipation geprägt. Deshalb dominiert der „Übernehmer“ zumeist das übernommene Unternehmen. Dies verstärkt die Ressentiments von dessen Mitarbeitern, was zu unnötigen Widerständen führt. Daher empfiehlt es sich, bei Fusionen eine Analyse durchzuführen, welche Elemente in den Kulturen der beiden Unternehmen die Zielerreichung fördern und deshalb in die neue Kultur einfließen sollten.

Beim Versuch, eine Unternehmenskultur zu verändern, spielt das obere Management eine Schlüsselrolle. Es muss die neue Kultur vorleben. Jeder Versuch, Kulturveränderungen ausschließlich über das mittlere Management herbeizuführen, scheitert. Unterschätzt werden darf auch nicht die Langwierigkeit von kulturellen Veränderungsprozessen. Sie dauern in der Regel mindestens drei Jahre.

Trauer akzeptieren und respektieren

Jedes größere Unternehmen investiert viel Zeit und Geld in den Aufbau einer Corporate Identity, also einer Firmenkultur. Die Mitarbeiter sollen stolz auf „ihr Unternehmen“ sein und sich mit ihm identifizieren. Bei einer Fusion bricht – speziell beim übernommenen Unternehmen – diese Identität weg. Vielen Mitarbeitern, insbesondere denen, die sich stark mit ihm identifizieren, fällt es schwer, sich vom bisherigen Unternehmen mit all seinen Gewohnheiten, Ritualen und Gepflogenheiten zu verabschieden. Sie trauern. Im Privatleben gehen wir selbstverständlich davon aus, dass ein „Abschiednehmen“ Zeit erfordert und kaum forciert werden kann. Im Unternehmenskontext existiert hierfür oft kein Verständnis. Ein vorübergehend lethargisches (und manchmal sogar aggressives) Verhalten wird oft nicht als Ausdruck von Trauer interpretiert und respektiert. So gilt es schon im Vorfeld bei Integrationsprozessen zu bedenken, dass Menschen zumeist erst wieder eine neue Bindung eingehen können, wenn die alte „verdaut“ ist.

Energien kanalisieren

Bei Fusionen leben die Mitarbeiter bis zum Übergang in die neue Struktur oft in einem „Schwebezustand“. Wie geht es weiter? Was wird aus mir? Gibt es meinen Job nachher noch? Solche Fragen bewegen sie. In dieser Situation zeigen Mitarbeiter oft folgende Verhaltensmuster:

  • Winterschlaf: Sie identifizieren sich nicht mehr mit dem Unternehmen, machen nur noch Dienst nach Vorschrift, folgen nur noch bedingt den Anweisungen ihrer Vorgesetzten usw.
  • Operative Hektik: Sie verfallen in Aktionismus. Es werden zahllose Projekte generiert. Die Mitarbeiter wollen überall mitmischen, um in einem guten Licht zu erscheinen. Nicht die Qualität der Arbeit, die „Show nach oben“ zählt.

Wichtig ist es deshalb, dass die Unternehmensführer den Führungskräften in ihrer Organisation und deren Mitarbeitern in der Übergangszeit eine Orientierung bieten, damit diese wissen, wie sie sich verhalten sollen. Ansonsten verpufft viel Energie wirkungslos.

Eine gewisse „Überparteilichkeit“ wahren

Fusionen gehen immer auch mit folgenschweren Entscheidungen einher – unter anderem über IT-Systeme, Stellenbesetzungen, Markt- und Produktstrategien. Häufig setzt sich dabei nicht das bessere Konzept, sondern das Konzept des Übernehmers durch. Felder werden besetzt und Territorien neu verteilt, wobei auch Eigeninteressen eine große Rolle spielen. Deshalb sollten die Unternehmenslenker auf eine gewisse „Überparteilichkeit“ achten, damit insbesondere im übernommenen Unternehmen keine überflüssigen „Verlierer“ produziert werden, die den Prozess blockieren.

Fusionen sind ein schwieriges Geschäft – unter anderem, weil die eigentliche Arbeit erst nach Vertragsabschluss und dem Verkünden der Fusion beginnt. Unternehmensführer sollten sich bewusst sein: Eine gelungene Integration gibt es nicht zum Nulltarif. In den Monaten und Jahren nach dem Verkünden der Fusion muss das Unternehmen viel Energie in das Gestalten dieses Prozesses investieren. Zudem sollte dieser Prozess professionell gesteuert und durch externe Experten begleitet werden – unter anderem um sicher zu stellen, dass bei den (Folge-)Entscheidungen stets die drei Aspekte „Strategie“, „Struktur“ und „Kultur“ beachtet werden, die sich wechselseitig beeinflussen.

ZUM AUTOR
Über Dr. Georg Kraus
Dr. Kraus & Partner
Dr. Georg Kraus ist Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner und Autor des „Change Management Handbuch" sowie zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, unterstützt ...
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