VOLLTEXTSUCHE
Fachartikel, 21.07.2010
Arbeitsrecht
Wann Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung leisten müssen
Wie aus zahlreichen Urteilen hervorgeht, zieht die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers wegen Krankheit nicht automatisch zugleich den Anspruch auf eine Lohnfortzahlung nach sich.

Maßgeblich für den Anspruch eines Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist die Antwort auf die Frage, ob die Krankheit der einzige Grund für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. So unter anderem das LAG Rheinland-Pfalz (6 Sa 361/08).

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der nach einem Streit mit dem Arbeitgeber den Betrieb verlassen hat. Dabei soll er nach Zeugenaussagen deutlich gemacht haben, er wolle in dem Unternehmen nicht mehr weiter arbeiten. Als er einige Tage später eine Krankmeldung schickte, erkannte der Arbeitgeber sie mit der Begründung nicht an, der Kläger sei nicht mehr leistungswillig gewesen und die Erkrankung daher vorgeschoben. Mithin müsse er als Arbeitgeber keinen Lohn fortzahlen.

Die Richter ließen offen, ob der Kläger tatsächlich krank war. Maßgeblich sei, dass er unter Zeugen deutlich gemacht habe, nicht mehr arbeiten zu wollen. Damit habe er auch seinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verloren.

Was dieses Urteil bedeutet

Eine „angekündigte“ Krankheit berechtigt Arbeitgeber also dazu, die Lohnfortzahlung zu verweigern. Zumindest so lange, bis der Arbeitnehmer den Beweis erbracht hat, dass tatsächlich eine Krankheit vorliegt und sein Fernbleiben von der Arbeit eben nichts mit der ursprünglichen Ankündigung zu tun hat.
Doch dies ist bei weitem nicht der einzige Fall, bei dem Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern können. Nachfolgend sechs weitere Fälle, in denen die Lohnfortzahlung von einem Arbeitgeber verweigert werden kann.

Fall Nr. 1: Alkohol

Natürlich können Arbeitgeber Mitarbeitern nicht vorschreiben, wie sie sich in der Freizeit zu verhalten haben. Dies gilt vor allem, wenn es um den Alkohol geht. Dabei sind Schnaps, Bier und Wein an so mancher Arbeitsunfähigkeit schuld. Beispiel:

Mitarbeiter Jan P. ist kein „Kind von Traurigkeit“. Er feiert gerne und lange. Nach einem solchen „feuchten Abend“ steigt Jan P. in sein Auto und fährt mit 1,60 Promille über eine rote Ampel. Dabei kollidiert er mit einem anderen Fahrzeug, bricht sich die Rippen und ist 8 Wochen arbeitsunfähig.

Die Rechtslage: Der Arbeitgeber muss Jan P. für die ersten 6 Wochen seiner Arbeitsunfähigkeit das Gehalt nicht fortzahlen. Jan P. hat den Verkehrsunfall durch sein grob fahrlässiges Verhalten selbst verschuldet (Bundesgerichtshof, Az. IV ZR 223/91).

Das Gleiche gilt übrigens auch, wenn der Mitarbeiter wegen Alkoholeinwirkung

  • als Beifahrer eines ebenfalls angetrunkenen Fahrers in dessen Auto steigt und wegen eines nachfolgenden Verkehrsunfalls arbeitsunfähig wird (LAG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.04.1989, Az. 1 So 1544/88),
  • eine Treppe hinunterfällt (ArbG Berlin, Az. 12 Co 124/80) oder
  • in einer Kneipe stürzt (BAG, Az. 5 AZR 497/86).

Kritisch wird das Zurückhalten der Lohnfortzahlung, wenn der betreffende Mitarbeiter
alkoholsüchtig ist. Hier kann nicht ohne weiteres von einem Verschulden des Mitarbeiters an seiner Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden. Stoppen können Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung aber, wenn der Mitarbeiter nach einer durchgeführten Entziehungskur wieder rückfällig und arbeitsunfähig wird (BAG, Az. 5 AZR 739/85).

Fall Nr. 2: Mutproben

Hierzu ein Beispiel: Vorarbeiter Herbert T. hat wiederholt Bandscheibenprobleme und dadurch starke Rückenschmerzen. Sein Arzt hat ihm äußerste Zurückhaltung bei körperlichen Aktivitäten empfohlen. Im Urlaub hat Herbert T. sich aber von seinen Mitreisenden überreden lassen, Bungee-Springen auszuprobieren. Zwar übersteht er die Herausforderung, meldet sich aber nach dem Urlaub arbeitsunfähig wegen starker Rückenschmerzen, die nach Auskunft seines Arztes auf den kräftigen Ruck während des Sprungs zurückzuführen sind.

Die Rechtslage: Der Arbeitgeber kann die Lohnfortzahlung verweigern, da Herbert T. seine Arbeitsunfähigkeit grob fahrlässig selbst verschuldet hat.

Fall Nr. 3: Sportunfälle

Der häufigste Fall, in dem sich Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters ärgern, sind sicherlich Sportverletzungen, die sich Arbeitnehmer während der Freizeit zufügen. Beispiel: Mitarbeiterin Tina ist Sportlerin und leidenschaftliche Skifahrerin. Bei einer Abfahrt bricht ihr neu gekaufter Ski und sie zieht sich eine Fraktur des Arms zu. Sie ist für längere Zeit arbeitsunfähig, schon das zweite Mal in diesem Jahr.

Die Lohnfortzahlung kann ihr Arbeitgeber aber trotzdem nicht verweigern. Der Grund: Da Tina eine geeignete Sportausrüstung hatte, trifft sie an dem Skiunfall keine Schuld.

Anders verhält es sich, wenn der Mitarbeiter leichtsinnig eine Sportart ausübt, ohne richtig ausgerüstet zu sein oder mit der er eindeutig überfordert ist; dann kann die Entgeltfortzahlung ververweigert werden (BAG, Az. 5 AZR 601/75). Das Gleiche gilt, wenn der Mitarbeiter gegen anerkannte Regeln der Sportart verstößt (BAG, Az. 5 AZR 338/79).

Ebenfalls stoppen kann ein Arbeitgeber die Fortzahlung des Gehalts, wenn der Mitarbeiter eine Sportart ausübt, deren besondere Gefährlichkeit gerichtlich anerkannt ist. Hierunter fallen etwa Bungee-Springen und Kick-Boxen (ArbG Hagen, Az. 4 Ca 648/87).

Anders verhält es sich in folgendem Fall:Zu Karneval entscheidet sich Mitarbeiterin Anke F. für ein besonders sportliches Kostüm. Zu der Verkleidung gehören auch Inline-Skates. Auf dem Weg zur Toilette stürzt Anke F. und bricht sich das Handgelenk.

Hier kann die Lohnfortzahlung nicht verweigert werden, da Inline-Skaten ist nach den Arbeitsgerichten keine Sportart ist, von der eine besondere Gefährdung für die Gesundheit des Mitarbeiters ausgeht.

Fall Nr. 4: Schlägerei

Rauflustige Mitarbeiter verdienen keine Entgeltfortzahlung. Ist die Arbeitsunfähigkeit
auf eine Schlägerei zurückzuführen, an der der Mitarbeiter sich durch eigene Schuld beteiligt hat, muss ihm Arbeitgeber das Gehalt nicht weiterzahlen (LAG Hamm, Az. 1 Sa 2349/87).

Fall Nr. 5: Verkehrsunfälle

Eine häufige Ursache für Verletzungen, die zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, sind
Verkehrsunfälle. Ist die Arbeitsunfähigkeit auf einen Verkehrsunfall zurückzuführen, gilt es für Arbeitgeber die Umstände des Unfalls immer eingehend prüfen. Hat der Mitarbeiter seine Pflichten als Verkehrsteilnehmer vorsätzlich oder in besonders grober Weise fahrlässig missachtet, liegt ein die Entgeltfortzahlung ausschließendes Verschulden vor.

Das ist etwa dann der Fall, wenn der Mitarbeiter vergessen hat, den Sicherheitsgurt
anzulegen und seine Arbeitsunfähigkeit genau darauf zurückzuführen ist. Dann muss der Arbeitgeber sein Gehalt nicht fortzahlen (BAG, Az. 5 AZR 1113/79).

Fall Nr. 6: Vorsätzliches Handeln

Zur Verweigerung der Entgeltfortzahlung sind Arbeitgeber auch im Falle eines vorsätzlichem Handeln des Mitarbeiters berechtigt, also wenn er die Arbeitsunfähigkeit durch mutwilliges Verhalten verursacht hat, wie unter anderem durch ein bewusst herbeigeführten Unfall. Beispiel:

Der angestellte Kai S. will noch drei zusätzliche Wochen Freizeit herausschinden und dazu einen Unfall mit Verletzungen herbeiführen, die ihn arbeitsunfähig machen sollen. Dazu fährt er mit seinem alten Opel in den Straßengraben. Tatsächlich erleidet er erhebliche Prellungen und Blutergüsse. Sein Arzt schreibt ihn für zunächst drei Wochen arbeitsunfähig.

Die Rechtslage: Da Kai S. seine Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich verschuldet hat, braucht der Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung leisten.

QUERVERWEIS
Informationsdienst
Lohn & Gehalt aktuell
Alle aktuellen Entwicklungen im Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht finden sind hier auf 8 Seiten kurz und kompakt für Sie aufbereitet. Keine überflüssigen Informationen, sondern genau das, was Sie brauchen...
Weitere Informationen
ZUM AUTOR
Über BWRmed!a
BWRmed!a mit Sitz in Bonn ist der Fachverlag für Beratung in Wirtschaft und Recht. Mit seinem breiten Spektrum an Publikationen informiert BWRmed!a kompetent über die neuesten juristischen Entwicklungen in den Bereichen Personal, Arbeitsrecht, Lohn, Gehalt und Steuern. Außerdem bietet BWRmed!a vielfältige Produkte zu den ...
BWRmed!a
Theodor-Heuss-Strasse 2-4
53177 Bonn

+49-228-9550120
WEITERE ARTIKEL DIESES AUTORS
ANDERE ARTIKEL AUS DIESEM RESSORT
SUCHE
Volltextsuche





Profisuche
Anzeige
PRESSEFORUM MITTELSTAND
Pressedienst
LETZTE UNTERNEHMENSMELDUNGEN
Anzeige
BRANCHENVERZEICHNIS
Branchenverzeichnis
Kostenlose Corporate Showrooms inklusive Pressefach
Kostenloser Online-Dienst mit hochwertigen Corporate Showrooms (Microsites) - jetzt recherchieren und eintragen! Weitere Infos/kostenlos eintragen
EINTRÄGE
PR-DIENSTLEISTERVERZEICHNIS
PR-Dienstleisterverzeichnis
Kostenlos als PR-Agentur/-Dienstleister eintragen
Kostenfreies Verzeichnis für PR-Agenturen und sonstige PR-Dienstleister mit umfangreichen Microsites (inkl. Kunden-Pressefächern). zum PR-Dienstleisterverzeichnis
BUSINESS-SERVICES
© novo per motio KG