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Fachartikel, 30.05.2011
Arbeitsorganisation
Gruppen- oder Teamarbeit in der Produktion einführen
In den meisten Produktionsunternehmen hat die Gruppenarbeit die tayloristische Arbeitsorganisation weitgehend abgelöst. Denn viele Betriebe haben erkannt: Wenn unsere Werker als Team agieren und wir ihnen mehr Kompetenzen übertragen, dann kann unsere Organisation die Herausforderungen besser meistern, vor denen sie heute in der Produktion steht.

In den meisten Industriezweigen hat sich die Gruppenarbeit als erfolgreiches Instrument zum Steigern der Produktivität etabliert. Denn sie hat einige Vorteile gegenüber einer tayloristisch-hierarchisch strukturierten Arbeitsorganisation. So steigert die Gruppenarbeit zum Beispiel die Motivation der Mitarbeiter. Außerdem werden ihre kreativen Potenziale besser genutzt. Zudem steigt die Arbeitseffektivität. Deshalb empfehlen fast alle modernen Managementansätze Gruppen- und Teamarbeit auch in der Produktion.

Traditionell verfasste Aufbau- und Ablauforganisationen streben danach, die industrielle Arbeit immer weiter zu zergliedern. Modern geführte Unternehmen hingegen verfolgen den gegenteiligen Ansatz. Sie setzen auf

  • ein Ausweiten der Handlungs- und Entscheidungsspielräume der Mitarbeiter und
  • deren Übernahme zusätzlicher Aufgaben und Verantwortung.

Ein Neuverteilen von Kompetenzen und Aufgaben

Insofern macht das Einführen qualifizierter Gruppenarbeit eine überzogene Arbeitsteilung rückgängig. An die Stelle repitiver und monotoner Tätigkeiten treten job-enrichment und job-rotation. Das heißt, Aufgaben wie Arbeitsplanung, Qualitätskontrolle und Instandhaltung werden an die Mitarbeiter zurückübertragen. Zudem erstellen die Gruppen eigenständig ihre Arbeits- und Qualifizierungspläne. Bei der Gruppenarbeit werden somit ausführende und planerische Operationen wieder zusammengeführt. Zudem werden die Gruppenmitglieder mit den hierfür erforderlichen Handlungs- und Entscheidungskompetenzen ausgestattet.

Gruppenarbeit ist im Betriebsalltag unterschiedlich organisiert – zum Beispiel in Form teilautonomer Arbeitsgruppen, Fertigungsinseln oder Service-Teams. Trotzdem ähneln sich die Effekte. So werden durch das Übertragen aller fertigungs- und dienstleistungsnahen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollfunktionen in die Verantwortung selbständiger Arbeitsgruppen zum Beispiele viele Nachteile der Fremdsteuerung von Arbeitsprozessen vermieden – unter anderem zahlreiche klassische Konflikte zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Entsprechendes gilt für die Arbeitsmotivation, weil das eigenverantwortliche Handeln eine höhere Arbeitszufriedenheit bewirkt. Das Rückverlagern von Kontroll- und Dispositionsfunktionen ermöglicht zudem eine Kostenreduktion, da ein aufwendiges Steuerungs- und Kontrollsystem entfällt. Zudem können sich die Führungskräfte wieder stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.

Einführung gut planen und vorbereiten

Unternehmen sollten vor dem Einführen von Gruppen- oder Teamarbeit eine Betriebsvereinbarung abschließen. Außerdem sollten sie die betroffenen Mitarbeiter umfassend über das Vorhaben informieren. Denn trotz aller Vorteile von Gruppenarbeit ist diese Form der Arbeitsorganisation für die Mitarbeiter bei deren Neueinführung meist ungewohnt. Deshalb ist ihre Akzeptanz nicht selbstverständlich.

Auch deshalb sollten Unternehmen, die Gruppenarbeit in der Produktion einführen möchten, bereits im Vorfeld überlegen: Wie können zum Beispiel bisher zentrale Servicebereiche wie die Instandhaltung oder die Materialwirtschaft in das neue Organisationskonzept eingebunden werden? Solche Fragen vorab zu klären, ist wichtig. Denn aus ihnen ergibt sich, wie die Arbeitsgruppen in die neue Unternehmensarchitektur eingegliedert werden. Außerdem definieren sie den Rahmen für das künftige Aufgabenspektrum der Gruppen.

Diese Entscheidungsprozesse verlaufen selten reibungslos. Denn bei allen Changeprozessen gibt es „Gewinner“ und „Verlierer“. So gewinnen zum Beispiel die Bereiche, in denen Gruppenarbeit eingeführt wird, wegen ihrer erweiterten Kompetenzen an Bedeutung. Zugleich sinkt aber zum Beispiel der Einfluss der Einrichter und Instandhalter – aber auch der Vorarbeiter und Meister. Deshalb ist es wichtig, den scheinbaren Verlierern eine Entwicklungsperspektive aufzeigen, um Ängste vor einem Statusverlust zu mindern.

Rahmenbedingungen klären

Geklärt werden sollten vorab neben den Grundprinzipien der Gruppenarbeit (zum Beispiel Gruppengröße, Aufgaben/Ziele der Gruppen, Kontrolle der Zielerreichung) auch folgende Faktoren:

  • Rolle und Funktion der Gruppensprecher (Modus der Wahl/Ernennung, Amtszeit, Vertretung)
  • neue Rolle der Führungskräfte (Meister, Werks-/Betriebsleitung) und
  • Entlohnungsfragen.

Zielführend ist oft auch eine Beschäftigungszusage für alle Beteiligten – unter anderem um die Angst zu vermeiden, es würden Gruppenmitglieder bei Produktivitätsfortschritten entlassen.

In der betrieblichen Praxis wird die gruppeninterne Führungsfunktion sehr verschieden ausgestaltet. Zwei „Extreme“ lassen sich registrieren.

  • Arbeitsgruppen ohne eine institutionalisierte Führungsperson. In diesen Gruppen sind alle Mitglieder gleichberechtigt und treffen alle Entscheidungen gemeinsam.
  • Arbeitsgruppen, die sich um eine starke Führungspersönlichkeit herum formieren, die sich vor allem um die organisatorischen Belange der Gruppe kümmert.

Beide „Extreme“ sind im Betriebsalltag eher selten. Häufig setzt die Betriebsleitung bei Arbeitsgruppen, die dauerhaft zusammenarbeiten, den Gruppensprecher ein. Er übernimmt die Funktion eines Vorarbeiters. Oft wird auch aus dem Kreis der Gruppe von deren Mitgliedern ein Gruppensprecher gewählt,

  • der die Gruppe nach außen vertritt,
  • die Abstimmung mit dem Vorgesetzten regelt und
  • zum Beispiel die Gruppengespräche moderiert.

Ansonsten ist er jedoch ein normales Gruppenmitglied – ohne besondere Vorrechte und Kompetenzen.

Die Betroffenen qualifizieren

Die fachliche Qualifizierung der zu bildenden Arbeitsgruppen erfolgt in der Regel „on-the-job“ und in den Gruppen selbst. Die soziale Qualifizierung aller Beteiligten (Werker, Meister und Mitglieder des Führungsstabes) hingegen erfolgt meist in Workshops, in denen sie sich mit den Zielen und Grundsätzen der Gruppenarbeit vertraut machen. Diese Veranstaltungen sollten so konzipiert sein, dass

•    alle Fragen zum neuen Konzept der Arbeitsorganisation geklärt werden (Bearbeiten von Erwartungen/Befürchtungen, Steigerung der Akzeptanz durch weitere Information),
•    die Grundlagen einer effektiven Kommunikation in Gruppen gelernt werden,
•    die Techniken der Moderation, Konflikt- und Problemlösung eingeübt werden sowie
•    das Durchführen von Gruppensitzungen, das Erstellen von Aktionsplänen und das Evaluieren von Gruppen- /Arbeitsergebnissen und -prozessen trainiert werden.

Wichtig ist dabei: Die sozialen Qualifizierungsmaßnahmen sollten vor Beginn der Umstellung abgeschlossen sein, damit die neuen Aufgaben die Mitarbeiter nicht überfordern.

Erfolgsfaktoren von Gruppenarbeit

Damit Gruppenarbeit gut funktioniert, müssen die Teams die Vorteile erkennen, die ihnen das Gruppenkonzept bietet. Außerdem müssen die Teammitglieder ausreichend qualifiziert und auf ihre Arbeit im Team adäquat vorbereitet sein.

Weitere Erfolgsfaktoren sind

  • aus einer Vision abgeleitete, anspruchsvolle Ziele,
  • ein eindeutig definierter Handlungs- und Entscheidungsspielraum und
  • ein freier Zugang zu den notwendigen Ressourcen.

Zudem müssen sämtliche Ziele des Teams konkret und unmissverständlich formuliert sein. Sie sollten Leistungsansprüche setzen, die zugleich anspruchsvoll und realistisch sind – gemäß der Maxime „fordern, aber nicht überfordern“. Auch die interne Aufgaben- und Rollenverteilung muss definiert sein, um eine hemmende Konkurrenz zu vermeiden. In gut funktionierenden Teams sind zudem die Problemlösungswege und -prozesse klar geregelt. Sie verlaufen nach transparenten Kriterien, so dass die Form der Entscheidungsfindung für alle Beteiligten nachvollziehbar ist.

Damit die Motivation zum Erreichen der anspruchsvollen Ziele und zum stetigen Verbessern der Leistung gewahrt bleibt, sind gemeinsame Erfolgserlebnisse wichtig. Generell gilt: Erfolgserlebnisse machen Teams noch erfolgreicher. Denn durch die erfolgreiche Zusammenarbeit wächst bei den Gruppenmitgliedern die Zuversicht „Wir können alle Herausforderungen meistern“. Ein tragendes Element der Gruppenarbeit ist die Entwicklung eines „Wir-Gefühls“. Es bildet die Basis für künftige Erfolge.

Positive Effekte der Gruppenarbeit


In einem Arbeitsumfeld, in dem

•    der tägliche Arbeitsprozess eine Weiterqualifizierung durch ein „learning-on-the-job“ ermöglicht,
•    neu erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten aufgrund der Rotation angewandt werden können und
•    eine gezielte Entwicklung und Unterstützung der Arbeitsgruppen und ihrer Mitglieder durch das Unternehmen erfolgt,

steigt das Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl der Mitarbeiter. Zudem erhöht sich ihre Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft. Eine abwechslungsreiche Gruppenarbeit verbunden mit einer systematischen Rotation verringert zudem einseitige Belastungen und beugt gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor. Dies schlägt sich in einem verringerten Krankenstand nieder. Zudem ergeben sich Vorteile bei der Personaleinsatzplanung. Denn wenn die Mitarbeiter flexibler einsetzbar sind, lässt sich auch die Abwesenheit von Gruppenmitgliedern leichter ausgleichen.

Auch folgende positiven ökonomischen Effekte von Gruppenarbeit lassen sich in der Produktion nachweisen:

  • kürzere Durchlaufzeiten,
  • eine höhere Auslastung der Maschinen und Anlagen,
  • geringere Stillstandszeiten
  • ein verbessertes Qualitätsniveau und
  • weniger Nacharbeit und Ausschuss.

Betriebe, die diese Effekte erzielen möchten, dürfen Gruppenarbeit jedoch nicht als ein reines Verhaltensmanagement sehen. Die Herausforderung lautet vielmehr: Viele Einzelpersonen mit unterschiedlichen Neigungen und Interessen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten müssen ein Team werden.

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Stefan Bald ist Geschäftsführer bei Dr. Kraus & Partner und seit 1995 als Personalentwickler, Organisationsberater, Coach sowie als Lehrbeauftragter an der pädagogischen Hochschule Freiburg und Dozent an der St. Gallener Business ...
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