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Kolumne
Beraten und verkauft, 20.05.2011
Antiquierte Konzepte
Vom Auf- und Abstieg der Motivations-Gurus
Der große Motivator Christoph Daum ist mit Eintracht Frankfurt abgestiegen – und bekam den Laufpass. Zeitgleich versucht sein alter Weggefährte Jürgen Höller den Wiederaufstieg als Motivations- und Erfolgstrainer – ebenfalls mit antiquierten Rezepten.
Am Schluss wirkte er nur noch mitleiderregend, der große Motivator Christoph Daum, wenn er nach Spielen stammelnd versuchte zu erklären, warum sein Team erneut die nötige Leistung nicht erbrachte und das angestrebte Ergebnis nicht erzielte. Meine alten Rezepte wirken nicht mehr – das spürte der ehemalige Erfolgstrainer wohl selbst, weshalb er in den letzten Wochen vor dem Abstieg selbst eingestand, eigentlich könne er nur noch die stets gleichen Phrasen und Durchhalteparolen wiederholen.

Daum ist „keine Spitzenkraft mehr“, schrieb denn auch die Financial Times Deutschland, nachdem der Abstieg von Eintracht Frankfurt besiegelt war. „Seine Ansprache hat ihre Zauberkraft verloren. Im Kontrast zu den jungen Erfolgstrainern (Jürgen Klopp und Thomas Tuchel) wirkt er wie ein sehr alter Mann.“ Und sie bescheinigt ihm einen gewissen Realitätsverlust, wenn er ernsthaft glaube, er könne bei Eintracht Frankfurt auch in der 2. Bundesliga noch als Trainer arbeiten. Einen Tag später war der Traum ausgeträumt.

Umso bemerkenswerter ist es, dass zeitgleich ein alter Weggefährte von Daum versucht, wieder in den Trainer-Olymp aufzusteigen: der ehemalige „Motivations-Guru“ Jürgen Höller, der laut Wikipedia „einem breiten Publikum bekannt wurde, als er 1999 ... die Fußball-Bundesligamannschaft Bayer 04 Leverkusen unter der Ägide des Trainers Christoph Daum barfuss über Glasscherben laufen ließ“ – „als nach Eigenangaben ‚erster Mentaltrainer der Fußball-Bundesliga’“.

Einige Jahre hüllte sich Höller, der nach der Pleite seiner Weiterbildungsfirma Inline AG unter anderem wegen Meineids, Steuerhinterziehung und Konkursverschleppung zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, nach seinem Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen in Demut. Doch nun hat ihn anscheinend wieder der alte „Alles ist möglich“-Wahn gepackt. Seit einigen Wochen überzieht er die Landschaft mit Werbe-Emails, die alle solch Aufmerksamkeit-heischende Betreffzeilen wie „Aufsehen erregende Neuigkeit von Jürgen Höller“ oder „Streng vertraulich: Jürgen Höller packt jetzt aus“ tragen (und dies bei einer Mail, die unaufgefordert an so viele Personen verschickt wurde, dass aufgrund der zahlreichen Resonanzen, so Höhler, einige Zeit der Server seines Unternehmens „zusammenbrach“).

In diesen Mails versucht Höller sein neues „Lifing®-Coach-Programm“ zu vermarkten, das er nach jahrelanger Beschäftigung mit den „Gesetzen des Lebens“ entwickelt hat. Und „die atemberaubende und Aufsehen erregende“ – aber wenig überraschende – Neuigkeit lautet: Höller hat den Stein der Weisen oder genauer gesagt die Antwort auf die Frage, wie Menschen glücklich und erfolgreich werden, gefunden. Und diese „universellen Lebensgesetze“, die „tatsächlich funktionieren“, wie Höller aus 50.000 begeisterten Briefen, Faxen, E-Mails und Telefonanrufen weiß, macht er nun, weil er guter Mensch ist, in seinem Lifing®-Coach-Programm Auserwählten zugänglich.

Da stellt sich schon die Frage: „Spinnt Jürgen Höller jetzt?“ (Betreff einer weiteren Mail). Das fragte sich laut Höller zumindest einer seiner „ältesten, treuesten und erfolgreichsten Kunden“, als er erfuhr, zu welch „günstigem Einführungspreis“ Höller „so ein tolles Programm“ wie das Lifing®-Coach-Programm anbietet.

Ob Sie spinnen, Herr Höller, das weiß ich nicht – dafür kenne ich Sie zu wenig. Offensichtlich hat Sie aber der alte Größenwahn gepackt und Sie haben nicht kapiert, dass Sie mit Ihren Phrasen aus der Marketing- und Motivationsmottenkiste heute im besten Fall noch einige einfach gestrickte Strukturvertriebsmitarbeiter erreichen (.... und eventuell einige verzweifelte Menschen, die sich an den letzten Strohhalm klammern, was schlimm wäre).

Mein Eindruck: Sie sind ähnlich wie Christoph Daum laut Financial Times bereits in recht jungen Jahren „ein sehr alter Mann“. Denn selbst die stärksten Nackenschläge lösen bei Ihnen keine dauerhaften Lernprozesse aus. Stattdessen verfallen sie reflexartig immer wieder in Ihre alten Verhaltensmuster und setzen auf Ihre überholten Erfolgsrezepte von gestern. Davon kann sich jeder Besucher Ihrer Webseite www.juergenhoeller.biz überzeugen. Dort präsentiert sich ganz der Alte.
ZUM KOLUMNIST
Über Bernhard Kuntz
Bernhard Kuntz ist ein ausgewiesener Kenner des Bildungs- und Beratungsmarkts aufgrund seiner Tätigkeit als Redakteur des Fachmagazins 'management & seminar' (1989 bis 1992) und seiner über 15-jährigen Arbeit als Fachjournalist für Personal- und ... mehr
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