VOLLTEXTSUCHE
Fachartikel, 24.09.2012
Altersarmutsrisiko Selbstständigkeit
Altersvorsorge für Selbstständige - kein Königsweg in Sicht
Zum Schutz vor Altersarmut will die Bundesarbeitsministerin Selbstständige zur Vorsorge verpflichten. Allerdings ist nicht klar, wie viele von ihnen überhaupt schutzbedürftig sind. Zudem könnte eine Pflichtversicherung dazu führen, dass sich der eine oder andere Selbstständige vom Arbeitsmarkt zurückzieht – weil er oder sie sich die Vorsorge schlicht nicht leisten kann.*)

Ursula  von  der  Leyens  Kampf gegen die Altersarmut macht auch vor den Selbstständigen nicht halt. Die  Arbeitsministerin  will  für  sie eine verpflichtende Alterssicherung einführen. Zum einen sollen dadurch vor  allem  Solo-Selbstständige  vor Altersarmut geschützt werden. Zum anderen werden auch die Steuerzahler  entlastet,  wenn  Selbstständige eine  eigenständige  Alterssicherung aufbauen statt womöglich die – steuerfinanzierte – Grundsicherung im Alter in Anspruch zu nehmen. Doch ganz so einfach ist das alles nicht:  Bereits  die  Abgrenzung  der vermeintlich Schutzbedürftigen bereitet Schwierigkeiten:

  • Laut Mikrozensus, einer umfassenden  Bevölkerungserhebung  des Statistischen  Bundesamts,  hatten zuletzt 2,4 Millionen der insgesamt 4,3 Millionen Selbstständigen keine Angestellten.
  • Laut  Sozio-oekonomischem  Panel  gibt  es  aber  nur  3,6  Millionen Selbstständige. Zieht man die Freiberufler ab, weil ein großer Teil von ihnen in berufsständischen Versorgungswerken  pflichtversichert  ist, dann verbleiben rund 2,7 Millionen Selbstständige, von denen 1,6 Millionen ohne Angestellte arbeiten.
  • Gut 250.000 Selbstständige zahlen bereits Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung. Hinzu kommen jene Personen, die zwar keine Beiträge mehr einzahlen, aber bereits früher eine Anwartschaft gebildet haben. Sie fallen damit ebenfalls aus der Zielgruppe heraus.

Doch  auch  die  Selbstständigen ohne  gesetzlichen  Versicherungsschutz sind nicht automatisch von Altersarmut  bedroht.  Solo-Selbstständige rangieren zwar mit einem mittleren  Brutto-Monatsverdienst von 1.500 Euro am unteren Ende des Spektrums der Erwerbseinkommen. Diese Zahlen trügen allerdings, denn:

Vier von zehn Solo-Selbstständigen arbeiten nur in Teilzeit.

Hier  liegt  die  Vermutung  nahe, dass mancher mit seiner Selbstständigkeit lediglich das Haushaltseinkommen aufbessern will. Und genau darin  liegt  das  nächste  Problem: Manch einer wird sich überlegen, ob sich diese Arbeit noch lohnt, sollte vom knappen Geld noch einmal etwas  für  die  Vorsorge  wegfallen. Denn  eine  verpflichtende  Alterssicherung  könnte  am  Ende  für  den Dazuverdiener gar nicht nötig sein – zum Beispiel weil der unterhaltspflichtige Partner die Altersvorsorge übernimmt oder Vermögen vorhanden ist. Wer also die finanzielle Situation von Selbstständigen realistisch einschätzen will, muss die gesamte Haushaltssituation  unter  die  Lupe nehmen.

Dazu bedarf es eines Blicks auf das  sogenannte  bedarfsgewichtete Einkommen. Das ergibt sich, wenn jedem  Haushaltsmitglied  ein  bestimmter Bedarf zugeteilt und dann das gesamte verfügbare Haushaltseinkommen durch die Summe aller Bedarfe  geteilt  wird.  Was  kompliziert  klingt,  folgt  einer  einfachen Logik: In Haushalten mit mehreren Personen muss nicht jeder ein eigenes Bad, eine Waschmaschine oder einen Kühlschrank haben. Deshalb hat – statistisch – die erste Person den  größten  Bedarf,  jede  weitere benötigt weniger.

Nach gängiger Konvention gilt als einkommensarm, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten  Einkommens  verfügt. Das  trifft  vor  allem  auf  un-  und angelernten Arbeiter zu – nämlich auf  jeden  fünften  von  ihnen.  Und auch jeder achte Solo-Selbstständige liegt mit seinem Einkommen unter der Armutsgrenze.

Das entscheidende Kriterium für eine Armutsgefährdung ist aber das Berufsfeld. So haben Betriebsleiter von Restaurants und Hotels sowie im Groß- und Einzelhandel ein relativ hohes Armutsrisiko, genauso wie Handelsvertreter, Kinderpfleger, Friseure oder Kosmetiker.

Um fürs Alter vorzusorgen, legen Selbstständige in der Regel mehr auf die hohe Kante als andere:

Selbstständige  mit  Angestellten bauen bis zum Ende ihres Berufslebens im Mittel ein Vermögen von gut 275.000 Euro auf.


Dass die Selbstständigen auf dieses Vermögen im Alter angewiesen sind, beweist das Tempo, mit dem das Polster schmilzt. Innerhalb von nur zehn Jahren ist das Vermögen im Schnitt um mehr als die Hälfte geschrumpft – viel schneller als zum Beispiel  bei  ehemaligen  Angestellten, die neben ihrem Vermögen noch mindestens auf eine gesetzliche Rente,  möglicherweise  aber  auch  auf eine  betriebliche  Altersversorgung zurückgreifen können.

Selbstständige  ohne  Angestellte sorgen  ebenfalls  für  das  Leben  im Alter vor, allerdings in deutlich geringerem Maße als ihre Kollegen mit einer Belegschaft im Rücken. Nichtsdestotrotz ist ein bisschen Vermögen immer noch besser als gar kein Vermögen – schließlich sinkt so auf jeden Fall das Armutsrisiko.

Jeder fünfte Ruheständler, der zuvor als Solo-Selbstständiger erwerbstätig war, ist im Alter einkommensarm. Ein Drittel kann aber mithilfe seines Vermögens die Lücke zur Armutsgrenze  bis  zum  Lebensende schließen.

Etwas  günstiger  schneiden  jene Ruheständler ab, die während ihrer Selbstständigkeit  Mitarbeiter  beschäftigt haben. Und von den Solo-Freiberuflern  gilt  jeder  zehnte  im Alter  als  einkommensarm  –  doch fast 40 Prozent von ihnen können ihr geringes  Alterseinkommen  durch eigenes Vermögen aufstocken.

*) IW-Trends 3/2012; Judith Niehues, Jochen Pimpertz: Alterssicherung der Selbstständigen in Deutschland

ZUM AUTOR
Über Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln e.V.
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ist das führende private Wirtschaftsforschungsinstitut in Deutschland. Das Institut vertritt eine klare marktwirtschaftliche Position und will das Verständnis wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse in Politik und Öffentlichkeit festigen und verbessern. Dazu analysiert das ...
Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln e.V.
Postfach 101942
50459 Köln

+49-221-49810
WEITERE ARTIKEL DIESES AUTORS
Studie zur gesellschaftlichen Mitte
Vom Facharbeiter bis zum Gymnasiallehrer – die Mittelschicht in Deutschland ist bunter und ... mehr

ANDERE ARTIKEL AUS DIESEM RESSORT
SUCHE
Volltextsuche





Profisuche
Anzeige
PRESSEFORUM MITTELSTAND
Pressedienst
LETZTE UNTERNEHMENSMELDUNGEN
Anzeige
BRANCHENVERZEICHNIS
Branchenverzeichnis
Kostenlose Corporate Showrooms inklusive Pressefach
Kostenloser Online-Dienst mit hochwertigen Corporate Showrooms (Microsites) - jetzt recherchieren und eintragen! Weitere Infos/kostenlos eintragen
EINTRÄGE
PR-DIENSTLEISTERVERZEICHNIS
PR-Dienstleisterverzeichnis
Kostenlos als PR-Agentur/-Dienstleister eintragen
Kostenfreies Verzeichnis für PR-Agenturen und sonstige PR-Dienstleister mit umfangreichen Microsites (inkl. Kunden-Pressefächern). zum PR-Dienstleisterverzeichnis
BUSINESS-SERVICES
© novo per motio KG