„Hoffentlich merkt sich der Müller das endlich.“ Das denken Führungskräfte und Ausbilder zuweilen, wenn sie einem Mitarbeiter oder Kollegen einen Sachverhalt schon mehrfach erklärt haben. Und zuweilen beschleicht sie sogar der Gedanke: „Der ist etwas schwer von Begriff.“ Doch Vorsicht! Wenn ein Mitarbeiter oder Kollege sich etwas nicht merkt, ist selten mangelnde Intelligenz oder fehlendes Interesse die Ursache hierfür. Meist liegt es an der Art der Wissensvermittlung, wenn Botschaften nicht wie gewünscht ankommen.
Wollen Sie es sich künftig ersparen, Dinge mehrfach zu erklären? Wenn ja, dann merken Sie sich das Wort „Anker“. Jeder seiner fünf Buchstaben steht für eine wichtige Regel, die es beim Vermitteln von Wissen zu beachten gilt. Sie lauten:
Tipp Nr. 1: Wichtige Infos an den Anfang und das Ende stellen
Die Informationen, die wir zuerst oder zuletzt hören, merken wir uns am ehesten. Diese Erkenntnis der Lernpsychologie nennt sich „Primacy-Recency-Effekt“. Wegen ihm achten zum Beispiel Marketingexperten beim Verfassen von Werbetexten besonders auf deren Anfang und Ende. Nutzen auch Sie diesen Effekt. Stellen Sie zum Beispiel bei Gesprächen mit Mitarbeitern die wichtigsten Botschaften konsequent an den Anfang und Schluss. Leiten Sie das Gespräch zum Beispiel mit einer Übersicht ein: „Ich möchte mit Ihnen darüber reden, wie Sie ...“ Und schließen Sie mit einem Fazit, das die Kernbotschaften zusammenfasst: „Besonders wichtig ist, erstens: .... Zweitens: ....Drittens: ....“
Diesen Effekt können Sie auch zum Beeinflussen von Entscheidungen nutzen. Untersuchungen zeigen: Die Argumente, die am Anfang und Schluss genannt werden, haben auf Entscheidungen den größten Einfluss. Überlegen Sie also genau, in welcher Reihenfolge Sie Ihre Argumente vortragen.
Tipp Nr. 2: Die Worte Nein und Nicht vermeiden
Stellen Sie sich einmal vor, ein Ausbilder gibt Ihnen den Rat: „Denken Sie nicht an die Klausur.“ Was geschieht? Kaum hat er dies gesagt, entsteht vor Ihrem geistigen Auge beispielsweise folgendes Bild: Sie sitzen in einem Raum. Vor Ihnen liegt ein Blatt Papier. Und um Sie herum die Kollegen an den anderen Tischen? Sie schreiben alle wie wild. Nur Ihr Blatt ist leer, und die Prüfung ist bald vorbei. Angstschweiß rinnt über Ihre Stirn und Ihre Hände sind feucht.
Warum erfolgt diese Reaktion? Das menschliche Gehirn assoziiert Wörter mit Gegenständen und Tätigkeiten. Die Worte „Baum“ und „hüpfen“ zum Beispiel rufen konkrete Bilder in unserem Kopf hervor. Das Wort „nicht“ hingegen lässt kein Bild entstehen. Also wird es von unserem Gehirn auch nicht unmittelbar verarbeitet. Häufig fällt es sogar unter den Tisch. Dann tun oder denken wir genau das Gegenteil von dem Gesagten.
Noch ein Beispiel: Ein Ausbilder will die Einführung in ein EDV-Programm locker gestalten. Also sagt er scherzhaft: „Alles halb so wild, Sie brauchen hierfür ja keine Programmiersprache lernen“. Dann können Sie fast sicher sein, dass in der Pause ein Auszubildender vor dem Ausbilder steht und sagt: „Ich hätte da mal eine Frage wegen der Programmiersprache.“ Denn sein Gehirn hat das Wort „keine“ ignoriert. Im Gedächtnis blieb nur die Information „Programmiersprache lernen“.
Sie wollen bei einer Person etwas bewirken? Dann sollten Sie Nicht-Botschaften vermeiden. Überlegen Sie statt dessen, welche positiven Bilder und „Drehbücher“ Sie in den Köpfen Ihrer Zuhörer aktivieren möchten. Und lassen Sie das Unerwünschte einfach weg.
Tipp Nr. 3: Kurz fassen
Wenn Sie einer Person Infos geben, dann werden diese zunächst im Kurzzeitgedächtnis gespeichert. Und erst von dort gelangen sie ins Langzeitgedächtnis. Jedoch nur unter folgender Bedingung: Das Kurzzeitgedächtnis wird zwischenzeitlich nicht überlastet. Denn seine Speicherkapazität ist begrenzt. Prasseln zu viele Infos zugleich auf es ein, werden die älteren Infos sozusagen gelöscht, um den neueren Platz zu machen.
Als Faustregel können Sie sich merken: Das Kurzzeitgedächtnis kann nur sieben Informationen speichern. Dann ist seine Aufnahmekapazität erschöpft. Das können sieben Namen, Zahlen oder Bedeutungszusammenhänge sein. Packen Sie also nicht alles Wissenswerte in eine „Lerneinheit“. Beschränken Sie sich zunächst auf die wichtigsten Punkte. Was weniger wichtig ist, können Sie Ihren Mitarbeitern oder Kollegen später mitteilen.
Tipp Nr. 4: Emotionen wecken und Bilder nutzen
Gefühle beeinflussen das Lernen. Untersuchungen zeigen: Vor allem positive Gefühle regen das Gehirn zum Lernen an. Und wie wohl sich eine Person beim Lernen fühlt, hängt vor allem von der Lernatmosphäre ab.
Für eine positive Lernumgebung sind vor allem zwei Punkte entscheidend:
Wenn Sie die Aufgaben entsprechend gestalten, können Sie bei Ihren Mitarbeitern oder Kollegen eine regelrechte Kettenreaktion auslösen. Es entsteht sozusagen ein Motivationskreislauf aus „Lernen, Erfolg haben, Glück empfinden und wieder Lernen“, der im Idealfall süchtig macht.
Und noch ein Tipp: Verpacken Sie die Lerninhalte in Bilder und Geschichten statt abstrakte Begriffe und Formulierungen zu verwenden. Denn erst Beispiele, Anekdoten und Bilder lassen die Infos im Kopf des Gegenübers lebendig werden und lösen in ihm Gefühle aus. Deshalb verankern sie sich besser.
Tipp Nr. 5: Relationen herstellen
Für das Vermitteln von Wissen gilt wie für den Gartenbau: Ein guter „Gärtner“ ist, wer aus dem Vorhandenen das Bestmögliche schafft. Um die schönsten Blumen oder dicksten Kartoffeln zu züchten, muss ein Gärtner aber wissen: Wie ist der Boden beschaffen? Entsprechendes gilt für Wissensvermittler. Bringen Sie also vorab in Erfahrung: Was weiß mein Gegenüber schon? Und: Welche Themen interessieren ihn? Dann können Sie auf das vorhandene Know-how aufbauen und vermeiden ein Über- und Unterfordern. Sie können zudem Verbindungen herstellen zu den Themen, die die Lernenden interessieren – zum Beispiel Mode, Autos oder Fußball. Dann können Sie zum Beispiel sagen: „Ein Arbeitsteam funktioniert ähnlich wie eine Fußballelf. Wenn nur ein Spieler rennt und zehn gelangweilt herumstehen, kann man kein Spiel gewinnen.“ So verpackt verankern sich Botschaften leichter.
Lernprozesse lassen sich mit einer Busroute mit mehreren Stationen vergleichen. Sie sind als Führungskraft oder Ausbilder der Busfahrer. Also sollten Sie wissen, an welchen Stationen die Lerner stehen. Dann können Sie diese dort abholen und mit Ihrem Bus zum Ziel bringen. Denn Menschen haben nicht nur eine unterschiedliche Geschichte, sondern auch verschiedene Interessen, Kenntnisse und Erfahrungen. Also müssen sie an verschiedenen Busstationen abgeholt werden.