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Fachartikel, 26.09.2005
Organisationsentwicklung
Der Weg zu systematischer „Müllabfuhr“
Unternehmensfitness durch Ausmerzen von Altem, Überkommenen und Überflüssigem - ein Beitrag über MUDA-Techniken des KAIZEN, einem japanisches Management Konzept.
In produzierenden Betrieben gibt es auf dem Hof einen großen Container, in den immer der Ausschuss aus der Produktion entsorgt wird. Es ist mitunter beeindruckend, was da an Material im Laufe einer Woche zusammenkommt, und es stellt sich direkt die Frage: „Muss das soviel sein?“ Mögliche Antworten auf diese Frage führen dann ganz schnell zu potentiellen Verbesserungsmaßnahmen.

Ein entscheidender Gedanke ist nun: „Gibt es vielleicht Müll im Unternehmen, der nicht so offensichtlich erkennbar ist?“ Diese Frage wird im folgenden Beitrag beantwortet.

1. Überleben nur mit Müllabfuhr

Jede einzelne biologische Zelle besitzt Mechanismen der Müllabfuhr. Ohne systematische kontinuierliche Entgiftung ist kein Überleben möglich. Dies gilt für Organismen höherer Art genauso wie für Menschen und für Unternehmen. Entsprechend muss in jedem Unternehmen ein Prozess des Ausmerzens von Altem, Überkommenen und Überflüssigem installiert werden. Die Idee dazu geht auf Peter Drucker zurück, einen Mann der sich zeit seines Lebens mit Management und dessen Verbesserung beschäftigt hat.

2. Zu allem Tun kommt jedes Jahr Neues hinzu

Die Mitarbeiter in Unternehmen sind aber in der Regel gefordert, ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, was sie zusätzlich und neu tun können. Entsprechend neigen Menschen und damit Organisationen dazu, zu viel zu tun. D.h. zuviel Verschiedenes und Nutzloses. Es wird alles gesammelt, was in bei der Bewältigung dieser Zielsetzung helfen könnte. So entsteht viel Ballast in Gestalt von individuellen Aktenbergen und Aktenschränken und deren elektronische Varianten.

3. Methodisch Müllabfuhr betreiben
Damit dieser Müll nicht belastet oder gar überhand nimmt, muss also ein systematischer Prozess des Ausmerzens installiert werden. Man kann nicht darauf vertrauen, dass es ausreicht, was an Überflüssigem bei Umzügen und Fluktuationen von alleine verschwindet. Die Fluktuation, z.B. die Kündigung eines Mitarbeiters macht genau deutlich, welchen Wert seine Akten nach dem Weggang noch haben: so gut wie keinen. Was aber keinen Wert hat, sollte kontinuierlich und systematisch entsorgt werden. Vitale Unternehmen stellen sich daher die Frage: „Wovon sollten wir uns trennen?“

3.1. Offensichtlicher Abfall

Natürlich trennt man sich von offensichtlichem Abfall sofort. Dazu gehören Ausschuss, der Inhalt von Papierkörben, Abfall für grüne, braune und schwarze Tonnen, Material, was recycelbar ist, Sperrmüll etc.

3.2. Verschwendung


Es gibt aber auch Abfall, der nicht so offensichtlich ist. Er ist Gegenstand aller MUDA-Techniken des KAIZEN (*3), einem japanisches Management Konzept. MUDA heißt Verschwendung. Verschwendung ist täglich zu bekämpfen. Verschwendung passiert durch:

::: Überproduktion
::: Bestände (zu hoch)
::: Transport (zu lang)
::: Wartezeiten (überflüssig)
::: Zu aufwendige Prozesse
::: Bewegung (zu lang)
::: Fehler (vergebliche Arbeit)

Weltweit erfolgreich und bekannt wurde dieser KAIZEN-Ansatz insbesondere durch das TOYOTA-Produktionssystem.

3.3. Neues Denken

Die Frage, „wovon sollten wir uns trennen, was sollten wir nicht mehr tun?“ ist aber noch grundsätzlicher zu beantworten. Glaubhaften Berichten zufolge war die systematische und hartnäckige Anwendung dieser Frage die Initialzündung dafür, dass General Electric von einem fetten, trägen und bürokratischen Koloss zu einem der bestgeführten, vitalsten und profitabelsten Unternehmen der Welt wurde (*3).

Im Zentrum des Turnarounds von General Electric stand die Umsetzung der Entscheidung, aus allen Geschäften auszusteigen, in denen man nicht mindestens Zweiter am Weltmarkt war. Dritter zu sein wurde schon als eine Verschwendung von Ressourcen betrachtet.

Was einem Riesenunternehmen möglich ist, sollte kleinen und mittleren Unternehmen umso leichter gelingen, wenn Sie diese Methode überlegt und systematisch zur Anwendung bringen. Dazu sollten sie regelmäßig die zukunftsgerichtete Frage stellen: „Was von all dem, was wir heute tun, würden wir nicht mehr neu beginnen, wenn wir es nicht schon täten? Was würden wir nicht mehr anfangen, wenn wir nicht schon mittendrin steckten? Wovon müssen wir uns daher trennen? Was müssen wir schlicht beenden und stoppen?“(*1)

3.4. Beispiele

Man sollte die Frage: „Was würden wir nicht mehr neu beginnen…?“ etwa alle drei Jahre bezogen auf Produkte, Märkte, Kunden und Technologien stellen.

Und einmal jährlich für alles andere stellen, was in der Organisation des Unternehmens getan wird: für

::: sämtliche Verwaltungsabläufe

::: Computersysteme und –programme

::: Formulare, die in Gebrauch sind

::: Listen, die man führt; den gesamten Belegfluss

::: Berichte, die erstellt werden

::: Alle Sitzungen, die man abhält (nur weil man dran gewöhnt ist ohne dass sie doch Ergebnisse produzieren)

::: Prozeduren, Programme und Methoden, die in Gebrauch sind

Unterjährig sollten Projekte bei jedem Meilenstein auf den Prüfstand gestellt werden, ob sie ggf. nicht besser abgebrochen werden sollten.

Die meisten dieser Dinge waren einmal nützlich und sinnvoll zu dem Zeitpunkt, als man sie einführte. Nichts aber überlebt sich so rasch, wie administrative Prozeduren und managerielle Programme und nichts wird gleichzeitig so schnell zum liebgewordenen Ritual und hält sich so zäh am Leben. Besonders eklatant fällt das bei einer drohenden Insolvenz auf. Da kann man sich schlagartig von sehr Vielem trennen.

3.5. Maßnahmen

Diese Frage sollte nicht nur für das Unternehmen als Ganzes gestellt werden, sondern sie sollte in Bezug auf jede Abteilung zum selbstverständlichen Werkzeug jeder Führungskraft gehören.

Wenn man die Frage zum ersten Mal stellt, wenden einem die Mitarbeiter möglicherweise verdutzt anschauen, weil sie zunächst wenig damit anfangen können. Dann wird man aber relativ rasch erleben, wie viele Dinge insbesondere von den guten Mitarbeitern als potenzielle Kandidaten für die Entsorgung genannt. Es kommen lange Listen bei der Diskussion heraus. Danach darf man aber nicht mehr fragen: „Sollen wir uns davon trennen oder nicht?“, sondern nur noch: “Wie schnell können wir uns davon trennen?“

3.5. Schlüssel zu weit reichenden Konsequenzen

„Ein Meister ist, der übt“. Die konsequente Anwendung dieses Managementwerkzeuges gibt einem den Schlüssel für weit reichende Konsequenzen in die Hand:

::: zu wirklich wirksamen „Schlanken Management“ und zur richtigen Art der Geschäftsprozessüberarbeitung

::: zu effektivem Management von Veränderungen und zu wirksamer Innovation

::: zur wirksamen Auseinandersetzung mit dem Wesenskern des Unternehmens, zur Definition des fundamentalen Geschäftszweckes

Z.B. sollte die Frage bei 1. nicht lauten: „Wie können wir alles schneller, billiger, sparsamer und besser machen?“ sondern: „Was sollten wir überhaupt nicht mehr tun?“ Im Zeitalter von Computer und Telekommunikation kann man alles „besser“ machen. Etwas um x% effizienter zu machen, ist zwar ein Fortschritt, unter Umständen sogar ein großer Fortschritt; es ist aber um 100% falsch, wenn es sich um etwas handelt, was man überhaupt nicht mehr machen sollte.

Zu 2.: Management von Veränderungen und richtiges Innovationsmanagement ist ohne die Frage nach der Befreiung von Ballast gar nicht denkbar. Leider betrachten viele aber auch diese Aufgaben als etwas, was man zu allem Bisherigen noch zusätzlich macht. Dieser Ansatz ist schon im Kern falsch. Es führt dazu, dass, das Bisherige zementiert wird und das Neue darüber hinaus und zusätzlich gemacht werden muss. Nichts führt zu einem so schnellen Wandel wie die Frage: „Was sollten wir nicht mehr tun?“ Sind mit der Beantwortung Arbeitsplätze gefährdet, so wird sich natürlich nichts schnell wandeln. Ist diese Konsequenz mit der systematischen Müllabfuhr verbunden, muss man diese Maßnahme besonders sorgfältig vorbereiten und dann ebenso rasch durchführen.

Zu 3.: Das wichtigste ist jedoch, dass die Frage nach der Entschlackung praktisch immer zum Wesenskern des Unternehmens vorstößt, zur Frage nämlich: „Warum tun wir das überhaupt, Was ist der Zweck dieses administrativen Ablaufes, dieser Sitzung, dieses Formulars, usw.?“ man stößt damit unweigerlich auf den Basiszweck der Tätigkeit des Unternehmens. Sie werden gegründet, um zufriedene Kunden zu schaffen, um Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, herzustellen und zu verkaufen. Rechnungswesen, IT, Personalabteilung, Verwaltung usw. sind Folgen und nicht der eigentliche Zweck des Unternehmens. Leider tendieren diese Dinge immer wieder dazu zum Selbstzweck zu werden und ein Eigenleben zu entwickeln. Man muss daher dies Dinge und die Art, wie man sie abwickelt, immer wieder im Lichte des grundsätzlichen Hauptzwecks in Frage stellen.

4. Zusammenfassung

Systematische Müllabfuhr ist damit der Schlüssel zu weit reichenden Konsequenzen: zu einer Geschäftsprozessüberarbeitung, zu wirksamer Innovation und zur wirksamen Auseinandersetzung mit dem Wesenskern des Unternehmens. Die Methode ist gleichzeitig der leichteste und schnellste Weg zur persönlichen Wirksamkeit und ihrer Mitarbeiter. Wirksame Führungskräfte reservieren sich 1 Tag im Jahr, an dem sie gewissenhaft die Frage durchdenken: „Was sollte ich nicht mehr tun, weil …?“

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Alle Zitate oder Textauszüge gemäß folgender Literaturhinweise:
*1 Malik, Fredmund: Führen, Leisten, Leben; DVA, 2000
*2 Masaaki Imai: KAIZEN, Wirtschaftsverlag Langen Müller/Herbig 1992
*3 Wirtschaftswoche, Nr.19, 05.05.2005: Leidenschaftlicher Löwe (Jack Welch)

ZUM AUTOR
Über Dr.-Ing. Dieter Coy
Gesellschaft für Innovation und Beratung b.R.
Dr.-Ing. Dieter Coy, Jahrgang 1947, studierte Nachrichtentechnik an der TH Darmstadt. Nach einer erfolgreichen Industrietätigkeit in Entwicklung und Vertrieb gründete er 1998 die Gesellschaft für Innovation und Beratung. ...
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