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Fachartikel, 31.03.2011
Steinige Energiezukunft
Fiskus behindert Sonnenstrom vom eigenen Dach
Nach dem schweren Reaktorunfall in Japan wollen alle Parteien in Bund und Ländern den Umstieg auf erneuerbare und damit dezentraler produzierte Energien beschleunigen. Doch dabei erweisen sich die Finanzämter als Bremser.

Wer eine Photovoltaikanlage errichtet – ob auf einer Freifläche, auf dem Haus-, Garagen- oder Scheunendach – und den Strom ins Netz einspeist, ist grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig und kann deshalb die Vorsteuer auf deren Herstellungskosten sofort abziehen. Strittig ist, wie weit das auch für die Vorsteuern für den oft notwendigen Umbau oder die Sanierung des Daches oder einer anderen vorhandenen Trägerkonstruktion, etwa eines Carports, gilt, auf der die Solarpanels und Wechselrichter installiert werden.

Die Finanzverwaltung stellt sich hier bundesweit quer nach dem Motto: Dach ist Dach und bildet mit der Photovoltaik-Anlage, die draufgesetzt  oder eingebaut wird, keine Einheit. Umgekehrt heißt das, ein dachintegriertes Mini-Solarkraftwerk wird auch kein unternehmerisch genutzter Gebäudebestandteil, der bei einem entsprechenden Nutzungsanteil von mehr als zehn Prozent zum Vorsteuerabzug für das Gebäude berechtigen würde (nach dem zum 31. Dezember 2010 auslaufenden Seeling-Modell gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz).

Folglich, so die Logik des Fiskus, seien die Kosten der Dachsanierung eines nicht unternehmerisch genutzten Gebäudes, die im Zusammenhang mit der Errichtung der Solarstromanlage vorgenommen wird, nicht dadurch verursacht und deshalb die darauf entfallende Vorsteuer nicht abzugsfähig. Dies gelte selbst, wenn die bisherige Dacheindeckung asbesthaltig ist und daher laut Gesetz keine Photovoltaik-Anlage montiert werden darf (ein Verstoß gegen dieses Verbot ist sogar eine Straftat). Einzige Ausnahme: Wenn das Dach aus statischen Gründen verstärkt wird, damit es nicht unter der Last der Solarmodule zusammenbricht, kann der entsprechende Vorsteuerbetrag abgezogen werden.

Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe sah dies zwar zumindest im Fall der Asbestsanierung etwas liberaler und ging von einer teils privaten, teils solar-unternehmerischen Nutzung aus. Diese könne zur Berechnung des Vorsteuerabzugs mit 50 Prozent der von der Photovoltaikanlage bedeckten Dachfläche geschätzt werden. Inzwischen wurde die OFD Karlsruhe aber, wie man hört, mit ihrer steuerzahlerfreundlichen Haltung in der Runde der Umsatzsteuerspezialisten der Länderfinanzverwaltungen zurückgepfiffen.

Uneinheitliche Rechtsprechung: München kontra Nürnberg, Niedersachsen kontra Rheinland-Pfalz

Stattdessen berufen sich die Finanzämter gern auf zwei Urteile des Finanzgerichts München vom 27. Juli 2009, die voll auf ihrer ablehnenden Linie liegen:

  • Im ersten Fall war das Dach einer nicht betrieblich genutzten Scheune komplett saniert worden, weil es sonst nicht bis zum Ende der etwa 20jährigen Betriebsdauer der PV-Anlage gehalten hätte. Es handelte sich dabei um eine so genannte Auf-Dach-Anlage, die „ohne Eingriff in die Dichtigkeit der Dachhaut“ mit einem Gestell auf das Dach aufgesetzt wird. Die Münchner Finanzrichter versagten den Vorsteuerabzug hier mit der Begründung, die Nutzung des Scheunendaches für die Solarstromerzeugung sei keine „bestimmungsgemäße Verwendung“. Deshalb könne die ansonsten privat genutzte Scheune auch nicht dem Unternehmensvermögen „Betrieb einer Photovoltaikanlage“ zugeordnet werden. Zulässig sei es aber ein Vorsteuerabzug, soweit aus statischen Gründen der Einbau von Sparren oder Stützbalken erforderlich sei (Aktenzeichen: 14 K 595/08).

  • Im zweiten Fall hatte der Steuerzahler eine Solar-Dachanlage, die ursprünglich auf einem fremden Gebäude platziert war, dort abmontiert und auf dem Dach eines speziell dafür errichteten Holzschuppens auf eigenem Grundstück neu installiert. Hier lehnten die Finanzrichter den Vorsteuerabzug mit Verweis auf die 10-Prozent-Grenze ab. In die Berechnung des unternehmerischen Nutzungs-anteils dürfe nur die Wohn- bzw. Nutzfläche des Gebäudes eingehen, nicht aber das Dach. Der Platz für die im Schuppen untergebrachten Anlagenteile wie Wechselrichter, Einspeisezähler und Schaltschrank mache aber weniger als zehn Prozent aus (Aktenzeichen: 14 K 1164/07). Gegen dieses Urteil ist Revision beim Bundesfinanzhof anhängig (Aktenzeichen: XI R 29/09).

Ähnlich negativ für den Steuerzahler fiel ein Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 21.Dezember 2009 aus, das keinen unmittelbaren und direkten Zusammenhang zwischen der Erweiterung eines Carports und einer darauf  installierten PV-Anlage erkennen mochte (Aktenzeichen: 16 K 377/09). Auch dieser Fall ist inzwischen beim BFH gelandet (Aktenzeichen: XI R 21/10).

Überzeugender begründet sind zwei Urteile des Finanzgerichts Nürnberg, das in beiden Fällen den Vorsteuerabzug gewährte. Bereits rechtskräftig ist die Entscheidung vom 29.September 2009 (Aktenzeichen: 2 K 784/2009). Dabei ging es um Vorsteuerbeträge, die für die Entfernung asbesthaltiger Eternitplatten anfielen. Die Entsorgung und Neueindeckung des Daches seien zwingende Voraussetzung für die Errichtung und den Betrieb der Photovoltaikanlage – und andernfalls nicht notwendig gewesen, stellten die Richter fest. Durch die Dacherweiterung sei auch kein zusätzlicher Wohn- Nutz- oder Abstellraum entstanden. Damit bestehe eindeutig ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit der Stromerzeugung. Die Frage, ob die Kosten der Dachsanierung in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude stünden und somit diesem zuzurechnen seien, spiele dagegen keine Rolle.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat sich in einem aktuellen Urteil vom 10. Februar 2011, in dem es ebenfalls um einen Asbestsanierungsfall ging, der Nürnberger Auffassung angeschlossen (Aktenzeichen: 6 K 2607/08). Hier hat das Finanzamt beim BFH Revision eingelegt (Aktenzeichen: XI R 10/11).

Chancen wahren, Einspruch einlegen

Noch dezidierter begründeten die Nürnberger Finanzrichter ihre Pro-Entscheidung im zweiten Fall, dem Vorsteuerabzug aus der Neueindeckung eines Daches, auf dem eine PV-Anlage errichtet wurde (13. April 2010, Aktenzeichen: 2 K 952/2008). Nach Art. 17 Abs. 2  der 6. EG-Richtlinie (heute: Art. 168 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) sei ein Steuerpflichtiger nämlich immer dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er Gegenstände und Dienstleistungen zur Erzielung seiner besteuerten Umsätze verwende. Der Vorsteuerabzug bestimme sich also nach den Ausgangsumsätzen und nicht nach der Zuordnung zum Unternehmen. Somit könne es bei der Frage der Berechtigung zum Vorsteuerabzug keine Rolle spielen, ob das für die unternehmerische Tätigkeit bezogene Investitionsgut

  • ertragsteuerlich gemäß § 6 Abs. 1 EStG zu einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehöre oder
  • ihm steuerrechtlich nach § 39 Abgabenordnung (AO) zuzurechnen oder
  • eigentumsrechtlich nach § 94 BGB wesentlicher Bestandteil eines privaten Wohngebäudes oder eines landwirtschaftlich genutzten Gebäudes geworden sei.

Auch hier ist das Finanzamt vor den BFH gezogen (Aktenzeichen: XI R 29/10).

Betroffene Steuerzahler sollten also mit Verweis auf die beim BFH anhängigen Verfahren Einspruch einlegen, wenn ihnen das Finanzamt in vergleichbaren Fällen den Vorsteuerabzug verwehrt.

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