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Fachartikel, 29.07.2015
Die Chance auf Wachstum nutzen
Ein 4-Stufen-Plan zum erfolgreichen Turnaround
Turnarounds können wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen retten – sofern die Verantwortlichen konsequent zur richtigen Zeit die richtigen Maßnahmen ergreifen

Seit 2009 sinkt die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland kontinuierlich, der stabilen Konjunktur sei Dank. Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Trotz der positiven Tendenzen mussten im vergangenen Jahr 24.549 Unternehmen Insolvenz anmelden, mehr als 100.000 Beschäftigte waren davon betroffen. Dabei scheiterten nicht nur unerfahrene Jungunternehmer: Mehr als ein Drittel der Insolvenzen entfielen auf Unternehmen, die schon mehr als zehn Jahre am Markt waren.

Nicht in jedem dieser Fälle hätte es so weit kommen müssen. Turnarounds können Unternehmen, die sich in einer akuten wirtschaftlichen Krise befinden, wieder in die Erfolgsspur bringen – oder schon frühzeitig verhindern, dass es zur finanziellen Bedrohung kommt: Bereits wenn der Unternehmenserfolg stagniert oder negative Erfolgsprognosen im Raum stehen, ist es an der Zeit, sich über eine Neuausrichtung Gedanken zu machen.

Bevor Sie mit der ersten Phase des Turnarounds beginnen, müssen zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein: Aufsichtsrat, Banken und Eigner müssen zu drastischen Veränderungen bereit sein und dem verantwortlichen Manager einen weitreichenden Entscheidungsfreiraum zugestehen; außerdem muss im Unternehmen genug Restmasse zur Verfügung stehen, um die nächsten sechs Monate zu überbrücken.

1. Probleme finden

Wenn Sie mit der Arbeit beginnen, widerstehen Sie dem Impuls, jedes Problem sofort perfekt lösen zu wollen. Die dringlichste Aufgabe lautet, die Liquidität sicherzustellen und die wichtigsten Missstände aufzudecken; für alles andere ist später Zeit.

Zunächst gilt es, die Liquidität sicherzustellen und herauszufinden, an welchen Stellen das Unternehmen Geld verliert. Kontrollieren Sie deshalb eine Zeitlang alle Bestellungen, Rechnungen und Gutschriften, verschaffen Sie sich einen Überblick über die Außenstände und Verbindlichkeiten und identifizieren Sie Produkte, Dienstleistungen und Kunden mit negativer Marge. Ein offenes Gespräch mit den Banken hilft zudem, verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen.

Im Bereich Vertrieb lohnt es sich, den bisher angenommenen Marktanteil kritisch zu hinterfragen. Möglicherweise wurde er schöngerechnet, schwierige Marktsegmente wurden bewusst ausgeklammert oder das Potenzial von Großkunden unterschätzt. Dies ist eine gute Nachricht: Sie müssen zunächst keine neuen Segmente erschließen, sondern lediglich die Durchdringung steigern.

Als nächstes sollten Sie den Kundenstamm und die Kundenzufriedenheit analysieren, sich einen Überblick über die Effizienz des Vertriebs verschaffen und alle vertraglichen Verpflichtungen erfassen – etwa ungewöhnlich lange Kündigungsfristen von Distributionsverträgen oder Konventionalstrafen in Liefer- und Betriebsverträgen. In einem konkreten Fall fand sich beispielsweise ein Zehn-Jahres-Vertrag, der sich automatisch um jeweils fünf Jahre verlängerte; der Vertriebsleiter hatte es nicht für nötig befunden, die Geschäftsleitung darüber zu informieren. Solche Verträge sollten Sie jetzt aufspüren, damit Sie später keine bösen Überraschungen erleben.

Laufen Sie mehrfach durch die Produktion; sehen Sie beispielsweise Mitarbeiter, die ständig Werkzeuge suchen oder der Maschine bei der Arbeit zusehen, ist klar, dass die Abläufe nicht reibungslos funktionieren. Überprüfen Sie anschließend, ob sich im Lager Überbestände oder veraltete Produkte befinden und wie diese bewertet werden. Es ist erstaunlich, was dabei zutage treten kann: In einem Fall wurden Ersatzteile zum Neuwert geführt, obwohl die dazugehörigen Anlagen längst nicht mehr in Betrieb waren. In einem anderen Fall wurden unverkäufliche, kurze Stücke Elektrokabel als Meterware geführt; das ERP-System bildete einfach die Summe. Und auch eine Null zu viel in den Büchern  oder Zahlendreher wie „91“ anstelle von “19“ sind häufiger zu finden als gedacht.

Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Personalsituation, die Gehaltsstruktur, Verträge, Sonderregelungen und Betriebsvereinbarungen sowie unkündbare und schwerstbehinderte Mitarbeiter.

Überprüfen Sie auch, ob sich ausgelagerte Tätigkeiten sinnvoll wieder ins Unternehmen zurückzuholen lassen; möglicherweise können diese Tätigkeiten ein Beschäftigungspolster bilden, welches das Unternehmen bis zu Beginn der Wachstumsphase nutzen kann.

2. Aufräumen

In der zweiten Phase des Turnarounds beginnen Sie, die entdeckten Probleme zu neutralisieren und den Cash-Drain zu stoppen. Voraussetzung dafür ist, dass jeder Manager regelmäßig seine Bestellungen, Rechnungen, Außenstände, Verbindlichkeiten und Verträge offenlegt – etwa in einem Cash Desk-Meeting.

Reduzieren Sie Außenstände; notfalls verleiht ein Inkasso-Service oder ein Lieferstopp Ihren Forderungen Nachdruck. Verhandeln Sie mit den Lieferanten über günstigere Einkaufspreise und längere Zahlungsziele, und vergleichen Sie verschiedene Angebote. Dabei sollten Sie die Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Banken stets auf dem Laufenden halten.

Da künftig jedes einzelne Produkt Gewinn erzielen muss, stehen sehr wahrscheinlich Preiserhöhungen ins Haus. Setzen Sie diese schnell und konsequent um, selbst wenn (vorübergehend) einzelne Kunden abspringen; in der aktuellen Situation steht die Verringerung des Cash-Drains an erster Stelle.

Als nächstes sollten Sie Überbestände und veraltetes Material verkaufen, die Verfügbarkeit der kritischen Anlagen erhöhen, Liefer- und Qualitätsprobleme lösen und alle Produkte einstellen, die keine ausreichende Marge generieren.

Finden Sie heraus, wie Sie dem Innen- und Außendienst helfen können, effizienter zu arbeiten. Stellen Sie außerdem sicher, dass Ihr Webshop leicht zu bedienen und mit dem ERP-System verbunden ist, Ihr Verkaufsförderer die notwendigen Fachkenntnisse und Kontakte hat und Ihre Distributionspartner zur Wertschöpfung beitragen.

Sie sollten nicht nur die Finanzen aufräumen lassen, sondern auch den Betrieb. Das ist alles andere als vergeudete Zeit: Ihre Mitarbeiter kommen so wieder in Schwung, können sichtbare Veränderungen bewirken und finden alle Werkzeuge und Maschinen einsatzbereit genau dort vor, wo sie sie benötigen.

Und: Machen Sie Ihren Mitarbeitern klar, dass jeder Einzelne bei der Rettung des Unternehmens mitwirken und ggf. kurzfristig andere Aufgaben übernehmen muss. Bauen Sie Personal nur als letzte Option ab; vielleicht gibt es Freiwillige, die – gegen eine befristete Arbeitsplatzgarantie – eine Zeitlang weniger arbeiten möchten. Wenn es trotz aller Bemühungen nicht anders geht: Bauen Sie möglichst nur einmal und schnell ab, und verhindern Sie ein „Schrecken ohne Ende“; wer ständig darüber nachdenkt, wer als nächstes gehen muss, kann keine volle Leistung bringen.

3. Das Unternehmen stabilisieren

Haben Sie die ersten zwei Phasen des Turnarounds gemeistert, besteht eine echte Chance auf Erfolg. Die Bilanz sollte die Verbesserungen bereits widerspiegeln. Führen Sie eine einfache Kostenrechnung ein; gruppieren Sie die Aktivitäten und legen Sie Stundensätze fest, anschließend fahren Sie die neue Kalkulation gegen die alte.

Überkapazitäten sollten Sie nicht nur finanzieren, sondern auch nutzen, um in Folge schnell konsolidiert wachsen zu können. Als Qualitätsführer können Sie nun beginnen, Ihre Alleinstellungsmerkmale offensiv zu vermarkten – idealerweise, indem Sie die Mund-zu-Mund-Propaganda durch zufriedene Kunden und Geschäftspartner stärken. Dafür eignen sich beispielsweise Informationsveranstaltungen für nicht konkurrierende Kundengruppen.

In dieser Phase sollten Sie zudem daran arbeiten, die Auftragsabläufe zu optimieren und eine schnelle, schlanke und kosteneffiziente Fertigung aufzubauen. Lassen Sie Ihr Team jedes Lieferproblem genau analysieren und endgültig beseitigen, vereinfachen Sie Ihre Produkte und stellen Sie diejenigen ein, deren Qualitätsprobleme nicht zu lösen sind.

Für Ihre Mitarbeiter können Sie nun flächendeckendes Crosstraining einführen, um eine größere Flexibilität zu schaffen. Neue Positionen sollten Sie aus den eigenen Reihen besetzen: Wer sich in den vergangenen, schwierigen Monaten bewährt hat, verdient diese Chance.

4. In bestehenden und neuen Marktsegmenten wachsen

In der letzten Phase des Turnarounds können Sie Ihre Kapazitäten voll für das Wachstum des Unternehmens einsetzen. Waren die früheren Probleme in erster Linie selbst verschuldet, können Sie im bestehenden Geschäft wachsen; ist dagegen das Marktpotenzial gesunken, etwa durch radikale Innovationen oder Markteinbrüche, ist es nun an der Zeit, die Diversifizierung voranzutreiben.

Akquisitionen sind übrigens in den seltensten Fällen eine gute Idee. Ist das andere Unternehmen nicht komplementär zu Ihnen aufgestellt, entstehen Redundanzen bei Produkten, Vertriebskanälen, Werken und im Management – und es gelingt selten, frühere Konkurrenten zu vertrauensvollen Partnern zu machen.

Um den Vertrieb anzukurbeln, müssen Sie die Bedürfnisse und die Kaufkriterien Ihrer Zielgruppe genau kennen. Schicken Sie deshalb Ihre Entwickler und Applikationsspezialisten mehrfach zu bestehenden und potenziellen Kunden; mit Ihrem Vorsprung an Wissen erhalten Sie die Chance auf wirkliche Innovation und Differenzierung.

Zu guter Letzt: Werden Sie Dienstleistungsführer! Da Service-Aufgaben immer mehr an externe Partner vergeben werden, besteht hier ein großes Wachstumspotenzial. Konzentrieren Sie sich dabei auf die mittleren und kleinen Kunden; hier können Sie abseits von Preiskämpfen gute Margen erzielen.

ZUM AUTOR
Über Ulrich Bühlmann
CEDS Duradrive GmbH
Ulrich Bühlmann ist als Turnaround-Manager CEO des Sondermotor-Herstellers CEDS Duradrive. Er verfügt über langjährige Erfahrung bei der Umsetzung von Wachstumsstrategien und dem Erschließen neuer Märkte in den Branchen Maschinenbau, Kunststoff und Konsumgüter.
CEDS Duradrive GmbH
Neuenkirchener Straße 13
48499 Salzbergen

+49-5976-6449-0
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