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Fachartikel, 07.05.2010
Beschaffung
Absicherung gegen Preisrisiken durch Hedging
Viele Branchen, allen voran die Industrie, sind auf der Beschaffungsseite aufgrund schwankender Rohstoffpreise erheblichen Risiken ausgesetzt, die entweder direkt oder indirekt die Faktorkosten erhöhen und letztlich zu dramatischen Gewinneinbußen führen können. Das Thema Beschaffung wird daher immer mehr zur strategischen Managementaufgabe. Ein zentrales Steuerungsinstrument, das sich aufgrund fehlender Erfahrungen erst langsam im Mittelstand durchsetzt, ist Financial Hedging. Durch dieses Instrument lassen sich für den Einkauf Preise für börsennotierte Rohstoffe sichern und dadurch Planungssicherheit schaffen.
Die Weltmarktpreise für Rohstoffe sind seit Beginn des Jahres 2009 wieder massiv zurückgekommen, nachdem sie zuvor als Folge der globalen Rezession gesunken sind. Der Anstieg bei den Rohstoffnotierungen wurde maßgeblich durch die hohe Nachfrage aus China ausgelöst, die auf den staatlichen Ausgabenprogrammen sowie den Aufbau von Rohstoffvorräten basiert. Ferner wurde das globale Angebot an Rohstoffen durch öffentlich angeordnete Schließungen nicht wettbewerbsfähiger Rohstoffunternehmen in China reduziert. Schließlich leisteten die verbesserten Konjunkturaussichten einen Beitrag zum Preisauftrieb bei Rohstoffen. Die AIECE-Rohstoffgruppe (Association of European Conjuncture Institutes) rechnet für das Jahr 2010 mit einem Anstieg der Rohstoffe um 20%. Dabei wird die Entwicklung der einzelnen Rohstoffgruppen unterschiedlich sein. Während für Nicht-Eisen-Metalle ein ähnlich starker Anstieg wie bei Rohöl erwartet wird, dürften die Preise von beispielsweise Ölsaaten und Pflanzenöle zurückgehen. Ein hohes Einsparpotenzial bleibt ungenutzt, wenn der Einkauf nicht vorbereitet ist, um von dem aktuellen Preisniveau zu profitieren und die anstehenden Preiserhöhungsrunden zu bewältigen.

Hedging schafft Planungssicherheit


Financial Hedging hat das Ziel, die Auswirkungen von Preisschwankungen auf ein Minimum zu reduzieren und eine sichere Kalkulations- und Planungsgrundlage aufzubauen. Darüber hinaus erhöht das Unternehmen seine Flexibilität bei der Selektion von Lieferanten und kann dadurch entscheidende Wettbewerbsvorteile erzielen. Während bei der überwiegenden Zahl von Industriebetrieben ein erfolgreiches Zins- und Währungsmanagement betrieben wird, erfolgt die  Absicherungen gegen Rohstoffpreisrisiken nur in geringem Umfang. Die Risikoposition wird dabei durch die Ungewissheit über künftige Aufwand für Rohstoffe bzw. rohstoffbasierende Kaufteile sowie aus Wertanpassungen sich im Bestand befindlicher Rohstoffe verursacht. Befindet sich der Zeitpunkt des Rohstoffeinkaufs in der Zukunft, besteht das Risiko in zwischenzeitlich steigenden Preisen (Lieferpreisrisiko).

Zunächst gilt es, die relevanten Rohstoffe, deren Mengen und Auswirkungen auf das Einkaufsvolumen durch eine Kostenstrukturanalyse zu identifizieren. Liegt beispielsweise der Kupferanteil bei 25% des Einkaufsvolumens, so führt eine 20%ige Steigerung des Aluminiumpreises zu einer Erhöhung des Einkaufsvolumens von 5%. Im nächsten Schritt ist ein Standardkontrakt für die abzusichernde Rohstoffqualität an einer Rohstoffbörse auszuwählen. Sollte kein entsprechender Kontrakt verfügbar sein bzw. nur geringe Liquidität aufweisen, empfiehlt sich der Zugang zu anderen Rohstoffen über Korrelationen bzw. OTC-Lösungen. Eine Absicherung ist jedoch nur bei vollkommen gleicher Entwicklung der Produkte effektiv. Aus möglichen Abweichungen kann dann ein Basisrisiko zwischen dem physischen Produkt und dem Absicherungsgeschäft entstehen.

Die Grundlage für eine systematische Beobachtung der Rohstoffmärkte bildet zunächst ein fundiertes Verständnis über die Wirkung der preisbeeinflussenden Parameter und deren kontinuierliche Analyse. Da genaue Preisprognosen kaum möglich sind, arbeiten führende Unternehmen mit einer Szenarienplanung, aus der strategische Maßnahmen abgeleitet werden können. Ergebnis einer Analyse sind somit verschiedene Szenarien der künftigen Preisentwicklung auf Basis fundamentaler Daten und eine daraus abgeleitete Beurteilung für eine Absicherung. Die Herausforderung besteht dabei darin, mehrere Einflussparameter zu erfassen und deren kumulierte Auswirkung abzuschätzen. Als bestimmende Einflussparameter gelten zunächst die wirtschaftliche Phase: in wirtschaftlichen Boomzeiten steigt die Nachfrage nach Rohstoffen, was sich in entsprechenden Preiserhöhungen niederschlägt. Die Vorratsbestände stellen ein klares Signal für die kurzfristige Rohstoffversorgung dar. Steigende Lagerbestände implizieren ein Überangebot bei der kurzfristigen Rohstoffversorgung, so dass die Preise tendenziell fallen. Insbesondere bei Rohöl wird der Einfluss der Förderpolitik auf die Preisbildung verdeutlicht. Dabei wirken staatliche Absenkungen der Förderquoten einen positiven Einfluss auf die Preisentwicklung. Schließlich spiegeln die Erwartungen der Spekulanten im Hinblick auf künftige Entwicklungen die Tendenzen bei der Preisbildung wider. Ein Indikator für diese Einschätzung bieten die in Terminkurven dargestellten Preise von Futures mit unterschiedlichen Fälligkeiten.

Das Funktionsprinzip der Absicherungsinstrumente besteht stets darin, dass bei steigenden Rohstoffpreisen eine Ausgleichszahlung zur Kompensation der erhöhten Einkaufskonditionen fällig wird. Im umgekehrten Fall entsteht eine Verpflichtung zur Ausgleichszahlung. Dabei stellen die Geldströme keine Erträge und Aufwendungen dar, sondern sind mit der materiellen Beschaffung des Rohstoffes zu verrechnen.

Bei den Rohstoffen werden am häufigsten Standardprodukte (Plain-Vanilla-Kontrakte) eingesetzt, sodass Futures/Forwards, Swaps und Optionen die Mehrheit der gehandelten Produkte ausmachen:
  • Futures/Forwards: Unter Futures sind börsennotierte Finanzprodukte zu verstehen, die beim Verkauf die Verpflichtung bzw. beim Kauf das Recht umfassen, eine Ware zu einem definierten Zeitpunkt zu fixierten Konditionen zu verkaufen bzw. zu kaufen. Bei Over The Counter-Kontrakten werden die Rahmenbedingungen individuell zwischen den Handelspartnern festgelegt (Forwards). Der Erwerb der Futures erfolgt durch eine Bank, die ein Marginkonto zur folgenden Abwicklung der Wertänderungen einrichtet und die Transaktion ausführt. Auf das Marginkonto müssen vorab eine Basiszahlung und Sicherheitspuffer hinterlegt werden, deren konkreter Betrag je nach Bonität des Kunden variiert. Nach Beginn der Laufzeit werden täglich die Differenzen zwischen Kontraktpreis und Schlusskurs berechnet und dem Marginkonto gutgeschrieben bzw. belastet. Neben der Absicherung gegen steigende Rohstoffkosten kann auch eine Absicherung gegen fallende Preise sinnvoll sein, um etwa einen Wertverlust von Rohstoffvorräten zwischen Ein- und Verkauf aufzufangen.

  • Swaps: Einen entscheidenden Nachteil von Futures/Forwards stellen die Auszahlungen für das Margin-Konto dar. Eine Alternative dazu bilden deshalb Swaps, die keine Sicherheitszahlungen erfordern. Diese umfassen den Tausch eines festen mit einem variablen Preis und garantiert dadurch einen fixierten Kurs bzw. Preis für den abzusichernden Rohstoff. Swaps stellen individuell gestaltbare Termingeschäfte dar und lassen dadurch eine genaue Vereinbarung der Produktspezifikation, Mengen und Zeiträume zwischen den Parteien zu. Dabei wird in vorab festgelegten Zeiträumen eine Bewertung vorgenommen, bei der eine Berechnung der Differenz zum Festpreis erfolgt. Da das Kontrahentenrisiko bei Swaps die jeweilige Gegenpartei trägt, gilt es vorab die Bonität des Vertragspartners zu prüfen und eine entsprechende Kreditlinie einzuräumen. Ein Ausfall oder die Verschlechterung der Bonität der Gegenpartei (Kontrahent) kann zu einem kompletten Wertverlust führen.

  • Optionen: Unter einer Option ist ein Recht zu verstehen, einen bestimmten Basiswert zu einem fixierten Preis zu kaufen oder zu verkaufen; Basiswerte können Aktien oder Handelsgüter sein. Inhaber von Optionen profitieren sowohl von steigenden als auch fallenden Preisentwicklungen. Bei einer Call-Option erhält der Käufer das Recht, einen Basiswert zu kaufen, bei einer Put-Option das Recht zu verkaufen. Während die Option lediglich für den Optionsverkäufer bindend ist, hat der Käufer stets die Wahl, die Option auszuüben oder verfallen zu lassen.
Schrittweiser Einstieg in Financial Hedging

Unternehmen ohne Erfahrung im Bereich Financial Hedging ist anzuraten, lediglich einen Teil ihres Rohstoffeinkaufs über Finanzinstrumente abzusichern. Hierbei ist es entscheidend, sich auf kleinere Umfänge zu konzentrieren, um erste Erfahrungen zu gewinnen und die Gefahren aus möglichen Fehlern in Grenzen zu halten. Somit sollte Financial Hedging anfangs nur als Teil einer Gesamtstrategie angewandt werden und auf weitere traditionelle Möglichkeiten zur Preisabwehr zurückgegriffen werden.

Der erste Schritt besteht zunächst darin, Einfluss auf die eigene Nachfrage auszuüben, zum Beispiel durch Verminderung oder Veränderung des Verbrauchs. So werden in vielen Industrien noch immer sehr hohe Ausschussquoten akzeptiert. Führende Unternehmen haben deshalb nach japanischem Vorbild die Vermeidung von Verschwendungen zu den Top-Zielen in der industriellen Fertigung erklärt. 

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, durch technische Maßnahmen, die eine Verbesserung des Rohstoffeinsatzes oder deren Substitution gegen preisstabile Alternativen zum Ziel haben, die Beschaffung teurer Rohstoffe zu kompensieren. Schließlich sollte der Versuch unternommen, Rohstoffpreiserhöhungen im Einkauf durch intelligente Konditionenmodelle und Verhandlungstaktiken auf den Endkunden zu übertragen. Durch diese Harmonisierung der Preisbildung ist es möglich, das Restrisiko wirksam zu bekämpfen und das eigene Unternehmen resistent gegenüber externen Marktentwicklungen zu machen.
ZUM AUTOR
Über Christoph Gabath
ACELOT GmbH
Christoph Gabath ist Partner der ACELOT GmbH sowie Autor der Fachbücher „Risiko- und Krisenmanagement im Einkauf“ und „Gewinngarant Einkauf“. ACELOT ist Spezialist für die Umsetzung der entscheidenden Hebel zur schnellen und messbaren ...
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