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Kolumne
Beraten und verkauft, 07.04.2011
AKW-Moratorium
Entscheidungen in Frage stellen ist keine Schande
„Alles nur Taktik“ – das unterstellten reflexartig nicht nur die Oppositionsparteien Bundeskanzlerin Angela Merkel, als sie das Atomkraft-Moratorium verkündete. Dabei würde nachdenken auch ihnen nicht schaden. Denn dann könnten sie eventuell ganz neue Bündnisse gegen die Atomkraft schmieden.
Nur wenige Tage ist her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe in Japan ein dreimonatiges Moratorium in Sachen Atomkraft verkündete und des Weiteren entschied: Die sieben ältesten Atommeiler in Deutschland müssen zumindest für diese Zeit abgeschaltet werden.

Und was geschah? Sofort warfen alle Oppositionsparteien Merkel und den anderen Moratorium-Befürwortern vor, dies sei ein rein wahltaktisches Manöver. Und neben den Medien attestierten auch fast alle namhaften außerparlamentarischen Atomkraftgegner ihnen „mangelnde Glaubwürdigkeit“. Gerade so, als sei es gänzlich unmöglich, dass auch bei Merkel & Co, geschockt durch die Ereignisse in Japan, ein Nachdenken darüber eingesetzt haben könnte: Ist das Restrisiko, das alle Atommeiler in sich tragen, ganz gleich wie technisch sicher sie sind, vielleicht doch größer als von uns gedacht? Und können wir es vor uns verantworten, dass, wenn sich in Deutschland ein GAU ereignen würde, große Teile des Landes für Tausende von Jahren unbewohnbar wären – selbst wenn ein GAU extrem unwahrscheinlich ist? Und ist es angesichts der Dimensionen, die eine solche Katastrophe hätte, nicht „rational“, schnellstmöglich aus der Atomenergie auszusteigen?

Gewiss bei einigen CDU-Politikern und den meisten FDP-Politikern sind solche Bedenken „Alles nur Taktik“, wenn nicht berechtigt, so doch verständlich. Doch ist es klug, allen Politikern der Regierungsparteien, die nun zumindest starke Bedenken am bisherigen Atomkurs formulieren, zu unterstellen, sie seien „eiskalte Taktiker“, denen es nur darum gehe, bei Wahlen ihre „Schäfchen“ oder die ihrer Partei ins Trockene zu bringen? Wäre es seitens der Atomkraftgegner nicht klüger und auch politisch zielführender, zum Beispiel Angela Merkel dafür zu loben, dass sie so schnell ein Moratorium verkündet hat? Und dafür, dass sie anders als zum Beispiel ihr französischer Kollege Sarkozy nicht ein „Business as usual“ praktiziert? Und dafür, dass sie ebenso wie zum Beispiel Umweltminister Röttgen zwischen den Zeilen eingesteht „Unser Entscheidung die Laufzeiten der AKW zu verlängern, war falsch“?

Denn fast allen Menschen, egal ob Politiker oder Nicht-Politiker, ob Atomkraft-Befürworter oder -Gegner fällt es schwer, öffentlich einzugestehen „Wir haben einen Fehler gemacht. Wir haben Sachverhalte falsch bewertet und daraus die falschen Schlüsse gezogen“ – insbesondere dann, wenn sie wissen: Ich werde dafür nur geschmäht. Oder: Dies könnte negative Folgen für meine Laufbahn haben.

Deshalb sollte man jeden Menschen, der bereit ist, Fehler oder Fehleinschätzungen einzugestehen, für diesen Mut loben. Denn hierdurch öffnen sich Türen für einen neuen Dialog. Und hierdurch wird es möglich, neue Bündnisse zu schließen, um das übergeordnete Ziel zu erreichen. Doch was geschieht, wenn man einem Menschen, der sich „die Blöße“ gibt, öffentlich einen Fehler einzugestehen, unlautere Motive unterstellt und ihm, bildhaft gesprochen, mit dem „verbalen Prügel“ immer wieder auf den Kopf haut? Er zieht seinen Kopf ein und zieht sich wieder in sein Schneckenhaus zurück – und damit ist eine Chance, alte Fronten aufzubrechen sowie neue Koalitionen zu schmieden, um gemeinsam etwas wirklich Neues zu bewirken, vertan.

Das gilt übrigens nicht nur für die Politik, sondern auch für Unternehmen, weshalb sich viele darum bemühen, eine von Vertrauen geprägte Feedback-Kultur in ihrer Organisation aufzubauen. Zumindest Ansätze einer solchen Kultur würden auch der Politik nicht schaden.
ZUM KOLUMNIST
Über Bernhard Kuntz
Bernhard Kuntz ist ein ausgewiesener Kenner des Bildungs- und Beratungsmarkts aufgrund seiner Tätigkeit als Redakteur des Fachmagazins 'management & seminar' (1989 bis 1992) und seiner über 15-jährigen Arbeit als Fachjournalist für Personal- und ... mehr
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