Da der Unternehmensinhaber ein guter Kunde ist, würde der Firmenkundenbetreuer ihm zwar gerne helfen. Doch der Betreuer kann es nicht, weil die Kreditlinie ausgeschöpft ist. Und diese erhöhen darf er nicht, da die Eigenkapitalrichtlinien der Bank dies nicht gestatten. Dem Institut fehlt also ein Instrument, um auf den vorübergehenden Liquiditätsengpass des Firmenkunden adäquat zu reagieren. Dabei gibt es ein solches Instrument – sein Name: Forderungsverkauf.
In Frankreich werden mit Forderungsankauf bereits fast 100 Milliarden Euro Umsätze erzielt; in England über 237 Milliarden. In Deutschland hingegen fristet das Instrument noch ein Mauerblümchen-Dasein. Der Grund: Hierzulande bieten noch recht wenige Banken diese Dienstleistung an. Entsprechend gering ist das Wissen über dieses Finanzierungsinstrument. So fürchten zum Beispiel manche Unternehmen, ein Forderungsverkauf könne ihrem Image schaden. Diese Befürchtung ist unbegründet. Denn ein Unternehmen verschuldet sich nicht, wenn es offene Forderungen verkauft. Es verkauft vorhandene Aktiva. Das wird auch den deutschen mittelständischen Betrieben zunehmend bewusst, weshalb sie seit drei, vier Jahren verstärkt dieses Instrument zum Steuern ihrer Liquidität nutzen.
Die Liquidität steuern
Das Instrument Forderungsverkauf muss jedoch gewisse Grundbedingungen erfüllen, wenn es für Unternehmen ein geeignetes Instrument zum Steuern der Liquidität sein soll:
Diese Anforderungen erfüllt eine Securitisation genannte Form des Forderungsverkaufs . Hierbei werden die aufgekauften Forderungen gebündelt in einen bankenunabhängigen Fonds eingebracht. Sie sind also am Kapitalmarkt refinanziert. Deshalb können die Unternehmen die verkauften offenen Forderungen sofort als Guthaben verbuchen. Dadurch steigt ihre Liquidität und ihre Eigenkapitalquote, wodurch sich auch ihr Rating verbessert. Bei dieser Form des Forderungsverkaufs verbleibt das Mahnwesen beim Unternehmen. Es muss seinen Kunden nur ein anderes Konto für die Überweisungen nennen.
Und so funktioniert der Forderungsverkauf
Wie der Forderungsverkauf funktioniert sei anhand eines fiktiven, aber realistischen Beispiels illustriert. Der Kreditrahmen des Betriebs Schaffviel ist immer wieder ausgeschöpft während er zugleich hohe Außenstände hat. Also kontaktiert der Inhaber zum Beispiel ein Unternehmen wie die HAWK Deutschland GmbH, die sich auf den Aufkauf von Forderungen mittelständischer Unternehmen spezialisiert hat. Dann entscheidet der Inhaber von Schaffviel, von welchen Debitoren er Forderungen verkaufen möchte – zum Beispiel, weil er mit ihnen lange Zahlungsziele vereinbart hat oder weil die offenen Forderungen eine bestimmte kritische Höhe überschreiten. Das Unternehmen Schaffviel bestimmt also selbst, von welchen Kunden es Forderungen verkauft und von welchen nicht.
HAWK bewertet daraufhin diese Kunden bezüglich ihrer Bonität und Zahlungsmoral und vereinbart mit Schaffviel für jeden Kunden ein Limit, bis zu dem Forderungen aufgekauft werden. Aus der Addition der Limits ergibt sich der Gesamtbetrag, bis zu dem ein Forderungsverkauf möglich ist – zum Beispiel 100.000 oder 250.000 Euro, abhängig vom Liquiditätsrahmen, den Schaffviel benötigt.
Hat nun Schaffviel eine Forderung an einen der ausgewählten Kunden, dann tritt das Unternehmen diese an HAWK ab. Binnen 24 Stunden erhält Schaffviel daraufhin 80 Prozent des Rechnungsbetrags. Der Rest wird dem Unternehmen gutgeschrieben, sobald der Kunde gezahlt hat oder spätestens 90 Tage nach Fälligkeit – selbst wenn der Kunde nicht zahlt. Dies ist deshalb möglich, weil Dienstleister wie die HAWK die angekauften Forderungen versichern.
Ähnlich wie ein Dispositionskredit
Ist das vereinbarte Limit erreicht, kann es entweder erhöht werden, was in der Regel binnen 24 Stunden möglich ist. Oder Schaffviel wartet, bis der Kunde abgetretene offene Forderungen beglichen hat. Dann kann das Unternehmen wieder offene Forderungen an den Kunden verkaufen. Der Forderungsverkauf funktioniert also ähnlich wie ein Dispokredit.
Der Vorteil für das Unternehmen: Es muss nicht bei jeder neuen offenen Forderung nachfragen, ob der Dienstleister die Forderung kauft. Es hat eine feste Planungsgrundlage zum Steuern seiner Liquidität. Für diesen Service zahlt das Unternehmen monatlich eine fixe Bereitstellungsgebühr, deren Höhe von den vereinbarten Limits abhängt; außerdem Zinsen für die abgetretenen Forderungen, die noch nicht beglichen sind – maximal 90 Tage, sofern der Kunde nicht vorher bezahlt.
Ein Forderungsverkauf in dieser Form hat also zahlreiche Vorteile: Das Unternehmen hat eine zuverlässige zweite Finanzierungsquelle. Das erhöht den unternehmerischen Handlungsspielraum. Aufgrund der höheren Liquidität kann es zudem mit Lieferanten bessere Konditionen aushandeln. Und dadurch dass das Unternehmen die verkauften Forderungen unmittelbar als Haben verbuchen kann, steigt seine Eigenkapitalquote. Hierdurch verbessert sich sein Rating. Das Unternehmen kommt also leichter und günstiger an Kredite.