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Fachartikel, 01.02.2011
Offshoring
Erfolgsfaktoren für IT-Projekte in Fernost
Um bei IT-Projekten Kosten zu sparen, gliedern Unternehmen Teilleistungen an externe Dienstleister in Länder mit anderem Kulturkreis aus. Gerade beim Offshoring in Fernost kann es so zu Kommunikations- und Koordinationsprobleme mit den externen Projektmitarbeitern kommen, die die Qualität des Projektergebnisses gefährden. Doch das muss nicht sein. Voraussetzung: Ein fundiertes Verständnis vom Business im Offshore-Land und davon, wie „der Andere“ tickt.
In den neunziger Jahren galten Offshore-Leistungen innerhalb von IT- oder Softwareentwicklungsprojekten als geeignete Lösung, um mit geringerem finanziellem Aufwand  entsprechende Projektziele zu erreichen. Deutlich günstigere Stundensätze in Fernost versprachen, den  von Anwenderseite gestellten Anforderungen auch mit geringeren Budgets entsprechen zu können. Doch die anfängliche Euphorie wich der Ernüchterung und der Erkenntnis, dass die Integration von Offshore-Leistungen in das IT-Servicekonzept  eines Unternehmens nicht einfach ist. Mehr noch: Bei einer schlechten Integration der Entwicklungs- oder Servicepartner drohen am Ende sogar höhere Kosten als bei einer Ausführung durch interne Abteilungen. Diese Erfahrungen mussten auch große Konzerne wie Thomas Cook, Arcandor oder Porsche machen und holten ihre IT sukzessive wieder ins eigene Unternehmen zurück.

Eine aktuelle Umfrage von Harvard Business Manager unter rund 500 deutschen IT-Vorständen aller Branchen zu ihren Erfahrungen mit Outsourcing-Projekten zeigt: Deutsche Unternehmen sind mit ihren heimischen IT-Dienstleistern deutlich zufriedener als mit exotischen Offshore-Anbietern. Den Anbietern aus dem Inland (Onshore) werden insbesondere bei  Kommunikation und Koordination bessere Noten ausgestellt. IT-Fachkräfte bewerten Dienstleister vor Ort mit „gut“, Farshore-Anbieter  aus China oder Indien dagegen mit „ausreichend“. Die Qualität der Kommunikation und Koordination  als erfolgskritischer Faktor innerhalb von Software- oder IT-Projekten macht also den Unterschied zwischen heimischen Leistungserbringern und solchen aus Billiglohn-Ländern. Und das hat entscheidenden Einfluss auf die Qualität der Projektergebnisse. Doch wie lassen sich diese Probleme mit Offshore-Partnern eigentlich erklären?

Sabotage oder Kalkül? Auf die Sichtweisen kommt es an

Häufig  wurden – und werden auch heute noch – die kulturellen Unterschiede zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber nicht genug berücksichtigt. Dann führen – für westliche Sichtweisen oft nicht nachvollziehbare – Handlungen der Partner zu Irritationen, zu Verzögerungen im Projekt, zu höheren Kosten oder gar zum vorzeitigen Projektabbruch. Dazu drei Beispiel-Szenarien aus einem IT-Projektalltag:

1. Ein Mitarbeiter des Offshore-Partners sichert die Fertigstellung einer Aufgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt zu. Die Aufgabe wird jedoch erst zu einem  späteren Zeitpunkt erledigt.


Gerade in asiatischen Kulturen spielt Zeit oft nicht die Rolle als es in westlichen Kulturen der Fall ist. Schon die jeweiligen Sprachen zeigen das: Während sie in westlichen Kulturen über  umfassende Zeitformen verfügen, können viele asiatische Sprachen nichts Vergleichbares vorweisen. Dies betrifft etwa das Schreiben oder Sprechen in Vergangenheits- oder Zukunftsformen. So kann es schon bei der Termineinhaltung zu Spannungen innerhalb eines Offshore-Projekts kommen.

2. Ein Offshore-Partner liefert ein Produkt ab, doch die ursprünglichen Anforderungen wurden nur zum Teil erfüllt.


Die Ursache hierfür könnte sein, dass der Partner bei den Erläuterungen zu den gestellten Anforderungen bloß den Eindruck erweckt hat, alles verstanden zu haben. In Wirklichkeit jedoch will er um keinen Preis das Gesicht verlieren. Verständnisfragen – wie in westlichen Kulturen üblich und erwünscht – werden meist nicht gestellt. Der Kunde soll nämlich nicht den Eindruck gewinnen, der Partner sei der Aufgabe nicht gewachsen. Der Auftraggeber indes interpretiert die Reaktion des Partners so, als seien alle Fragen geklärt. Wenn diese Eindrücke der frühen Projektphase an das Top-Management weitergegeben werden, treten bereits vor dem Schreiben der ersten Codezeile Missverständnisse auf. Der weitere Projektverlauf gestaltet sich schwierig und muss, falls überhaupt möglich, aufwendig  korrigiert werden.

3. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe wird ein Problem innerhalb der Teilentwicklung identifiziert. Dieses liegt in der Verantwortung des Partner-Teams, das es anscheinend auch verstanden hat, es aber trotzdem nicht löst.


Unternehmen westlicher Prägung können dieses Verhalten des Offshore-Partners nicht nachvollziehen. Unerfahrene Kollegen vermuten dahinter vielleicht ein fehlendes Verantwortungsgefühl, mitunter sogar einen Sabotageakt. Wenn das Problem allerdings auf Seiten des externen Team- oder Abteilungschefs zu suchen ist, der in der Regel bei den regelmäßigen Abstimmungsmeetings nicht vor Ort sein muss, würde es kein Mitglied des Offshore-Entwicklungsteams wagen, die Routine zu ändern und den Fehler zu beseitigen; denn hierdurch würde der Vorgesetzte bloßgestellt. Im Extremfall verteidigt das Team die Arbeit seines Vorgesetzten sogar, obwohl die Problemursachen eindeutig bekannt sind.

Offshoring-Projekte erfolgreich umsetzen

Trotz dieser Negativ-Szenarien ist es möglich, Offshore-Projekte erfolgreich abzuschließen und die Kundenerwartungen zu erfüllen. Doch dazu bedarf es einer Reihe von Vorüberlegungen und zielführender Entscheidungen:
  1. Wichtig sind ein Kennenlernen und ein Verständnis der Kultur des Offshore-Partners. Dies sollte in aller Regel vor den ersten Offshore-Projekten erfolgen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Ein solches Verständnis lässt sich aber nur durch einen längeren Aufenthalt in dem entsprechenden Land und das gleichzeitige Erlernen der Sprache erlangen, wodurch sich einem wiederum Teile des Werte- und Normen-Gefüges der jeweiligen Kultur erschließen.

  2. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Dienstleistungsunternehmen in Fernost zu gründen, die sich aus einem europäischen oder amerikanischen Management-Team, kombiniert mit heimischen Fachkräften zusammensetzen. Bei dieser Lösung fallen die kulturellen Faktoren innerhalb der Projekte  deutlich weniger ins Gewicht. Wichtig ist, bei der Auswahl des Dienstleistungspartners neben kaufmännischen Größen und dessen Expertise auch auf die Zusammensetzung der Mitarbeiter zu achten.

  3. Auf keinen Fall  sollten Module oder Produkte, die für die Marktposition des Unternehmens  von zentraler Bedeutung sind, im Rahmen einer Offshore-Entwicklung vergeben werden. Am Anfang eignen sich deshalb besser kleinere Entwicklungsaufträge, auch um den Partner kennenzulernen und die möglichen Risiken zu minimieren.

  4. Produkte mit besonderen Schutzrechten sollten aufgrund der unvollständig geklärten Copyright- beziehungsweise Patent-Fragen in manchen fernöstlichen Ländern besser nicht offshore entwickelt oder produziert werden.

  5. Oft verfügen Offshore-Anbieter je nach  Offshore-Region über unterschiedliche Stärken in  einzelnen Fachgebieten. Während Unternehmen zum Beispiel in China ein breites IT-Know-how vorfinden, vor allem in den Sonderwirtschaftszonen, ist dies beispielsweise in Thailand nur punktuell vorhanden. Wichtig ist, diese Stärken zu identifizieren und im Rahmen der Auftragsvergabe zu berücksichtigen.

  6. Bei der Projektanbahnung sollten die Geschäftspartner die Dokumentationsstandards und  die zu verwendende Sprache festlegen, vorzugsweise Englisch oder Deutsch. Tun sie dies nicht, wird der Projektpartner die Dokumente möglicherweise in seiner Landessprache abfassen. Für die weitere Arbeit im Land des Auftraggebers führt das aber in der Regel zu Verständigungsschwierigkeiten und zu zusätzlichen Kosten für die nachträgliche Übersetzung.
In der Vergangenheit haben Unternehmen bei Offshore-Projekten das „Kultur-Thema“ nicht ausreichend beachtet. Die Folge: Ergebnisse blieben oft weit hinter den Erwartungen zurück. Doch nur ein tiefgründiges Verständnis für die jeweils andere Kultur und vor allem das Reduzieren von Fehlinterpretationen in der Kommunikation der Mitarbeiter untereinander sorgen für eine Verbesserung der Projektsteuerung, der Projektlaufzeiten und am Ende für erfolgreiche Projektabschlüsse, die die Erwartungen der Kunden erfüllen.
ZUM AUTOR
Über Torsten Zimmermann
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Torsten Zimmermann befasst sich in internationalen Projekten mit Software-Qualität und Test-Management. Hierbei entwickelte er auch den risiko-basierten Testansatz, heute Basiswissen in der Software-Qualitätssicherung. Erkenntnisse aus der ...
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