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Fachartikel, 10.06.2010
Management
Crash-Prävention gegen Unternehmenspleiten
Flugzeug-Crashs und Firmenpleiten haben viel gemein: Bei beiden ist die Hauptursache in der Regel menschliches Versagen. Wie sich Fehlentscheidungen im Management vermeiden lassen und warum Führungskräfte die gleichen Probleme wie Piloten haben.
In der Geschichte der Luftfahrt gibt es zahlreiche grausame Flugzeugkatastrophen: 1977, Teneriffa, zwei vollbesetzte Flugzeuge rasen auf der Startbahn ineinander: 583 Tote. 1996, Puerto Plata, eine Maschine der Birginair stürzt knapp 5 Minuten nach dem Start in den Atlantischen Ozean: 189 Menschen sterben. Über drei Viertel aller Unfälle sind dabei auf „menschliches Versagen“ zurückzuführen, also nicht auf schlechtes Wetter, Materialprobleme oder andere äußere Einflüsse. Als eine Konsequenz des Unfalls auf Teneriffa entstand eine neue Wissenschaft: „CRM“, Crew Resource Management. CRM geht der Frage nach, warum Flugzeuge abstürzen, obwohl es keine technischen Fehlfunktionen gibt. Die Schlüsselfrage lautet also: Welches sind die „menschlichen“ Faktoren, die solche katastrophalen Konsequenzen nach sich ziehen? Und was hat das mit Management zu tun? Eine Menge….

Wie Cockpit und Chefsessel zusammenhängen


„Menschliches Versagen“ – diese Formel kennen wir alle aus den Abendnachrichten. Bei Unglücken mit vielen Toten, beim schweren Verkehrsunfall oder beim Störfall im Atomkraftwerk. Die Schuldfrage kommt dabei immer schnell auf: Jemand trägt die Verantwortung für das Geschehen, weil er sich falsch verhalten hat. Die Frage nach den Gründen für einen „Crash“ lassen sich beinahe eins zu eins auf das Geschäftsleben übertragen. Als Führungskraft konnte ich oft genug erleben, wie kleine Kommunikationspannen sich im Unternehmen zu großen Problemen hochschaukelten. Als Berufspilot habe ich zahlreiche Crash-Beispiele analysiert und das Crew Resource Management selbst durchlaufen. Und als Trainer und Managementcoach bekomme ich nahezu täglich bestätigt, dass auch Unternehmen nur selten aufgrund dramatischer Einflüsse von außen in Schieflage geraten: Verantwortlich für den Crash sind fast immer Kommunikationspannen im Unternehmenscockpit. Dabei ist systematische Crash-Prävention im Unternehmen ebenso möglich wie in der Luftfahrt. In „normalen“ Wirtschaftsunternehmen spielt der menschliche Faktor bislang erstaunlicherweise keine Rolle. Dabei können Tunnelblick, Fehlentscheidungen und Handlungsunfähigkeit im Management ebenfalls „lebensbedrohliche“ Folgen für ein Unternehmen haben – und schlicht in die Insolvenz führen.  

Maschine im Sinkflug und keiner merkt´s – oder: Wenn man das Wesentliche aus den Augen verliert.

+ + + 29. Dezember 1976 + + + Eine Lockheed L 1011-1 Tristar der Eastern Airlines stürzt in die Everglades in Florida + + + 103 Tote + + +

„Hey, was ist denn hier los?“ Das waren die letzten Worte des Kapitäns. Drei Sekunden später schlug die Maschine auf der Wasseroberfläche der Everglades auf, der Pilot und mit ihm über 100 der 163 Bordinsassen starben. Wie es dazu kam? Ein Flugzeug fährt im Landeanflug das Fahrwerk aus. Eigentlich sollten dann drei grüne Lichter aufleuchten, eines für jedes der drei Fahrwerksbeine. Es leuchten aber nur zwei. Die Maschine startet durch und geht in eine Warteschleife. Ab jetzt beschäftigt sich die gesamte Besatzung nur noch mit dem nicht brennenden Lämpchen. Kapitän, Kopilot und Bordingenieur sind so auf ihr Problem fokussiert, dass sie nicht mitbekommen, wie ihr Flieger in einen gemächlichen Sinkflug übergeht. Erst kurz vor dem Crash fällt der Besatzung auf, dass etwas nicht stimmt. Eine defekte Kontrollleuchte hat sie von allen anderen Funktionen und Systemen des Flugzeugs abgelenkt – auch davon, dass der Autopilot versehentlich abgeschaltet war.

Zielloses Reagieren statt planvollem Handeln: Zwei Unternehmensbeispiele

Beispiel aus dem Dienstleistungsgewerbe: Ein mittelständisches Wäschereiunternehmen kriselt vor sich hin, es steht kurz vor der Pleite. Hier zeigt sich, dass „Nebenkriegsschauplätze“ gerade in unruhigen Zeiten oft verführerisch sind, denn der neue Vorstand verpasst dem angeschlagenen Unternehmen erst einmal ein neues Logo, einen neuen Werbeauftritt und eine teure Produktbroschüre. Über Monate ist er so mit der neuen Unternehmensoptik beschäftigt, dass für das akute Problem – zu wenig Absatz  – kaum noch Zeit bleibt. Am Ende hat man zwar eine schicke neue „Corporate Identity“, doch das Unternehmen ist pleite.

Beispiel aus der Industrie:  In einem Unternehmen, das Haushaltsgeräte produziert, wurde ausführlich darüber debattiert, ob beim neuen Staubsaugermodell der Knopf zum An- und Ausschalten besser schwarz oder silbern wäre. Zudem wurde ein wahres Produktsammelsurium zusammengekauft, um stetig sinkende Absätze zu bekämpfen – vom Staubsauger über Grills und Heizgeräte bis zum Kaminofen. Was fehlte, war eine klare Positionierung am Markt und eine eindeutige strategische Ausrichtung. Statt zu erkennen, dass der bisherige Aktionismus geradewegs in die Insolvenz führen würde, verzettelte man sich in Details wie dem zitierten Staubsaugerknopf. Die Vertriebsmannschaft verzweifelte schon längst an der unübersichtlichen Produktpalette, die besten Mitarbeiter verließen das Unternehmen. Der Rest der Mannschaft war so sehr damit beschäftigt, permanente Zukäufe zu integrieren, Prozesse zu vereinheitlichen, das laufende Geschäft abzuwickeln, dass niemand mehr den Kopf dafür frei hatte, nach dem Sinn all dieser Aktivitäten zu fragen.

Der schwierige Blick auf das Wesentliche

Erkennen Sie die Parallelen zum Flugzeugabsturz in Florida? In allen drei Fällen flüchtet man sich in die Details. Menschen unter Druck stürzen sich gerne auf vertraute „Lieblingsaufgaben“, sie übersehen Gefahren, sie halten starr am einmal eingeschlagenen Weg fest und blenden Alternativen aus. Ergebnis sind hektische Reaktionen statt planvoller Aktionen. Daher hier Ihre
  • Anti-Crash-Formel: Halten Sie inne und überlegen Sie: Was genau ist das wirkliche Problem? Löst die momentane Aktion dieses Problem bzw. trägt sie zumindest zur Lösung bei? Was würde passieren, wenn Sie diese Aktion jetzt nicht starten?
In den meisten Unternehmen wird es für Verantwortungsträger immer schwieriger, das Wesentliche im Blick zu behalten. Im Arbeitsalltag vieler Menschen gibt es von allem zu viel: zu viele Mails, zu viele Anrufe, zu viele Meetings, zu viel Arbeit sowieso. Nur von einem gibt es definitiv zu wenig: Zeit, um die richtigen Prioritäten zu setzen. Man wird förmlich von Kleinigkeiten aufgefressen und schiebt die eigentlich wichtigen Aufgaben vor sich her. Wer es hier nicht schafft, „das Flugzeug auf Kurs zu bekommen“,  läuft Gefahr, irgendwann hochzuschrecken wie der Lockheed-Pilot und erst kurz vor dem Crash mit einem „Hey, was ist denn hier los?!“ den Ernst der Lage zu erkennen – nur ist es dann meist schon zu spät. Daher hier Ihre
  • Anti-Crash-Formel: Achten Sie darauf, dass „Auf-Dringliches“ Sie nicht daran hindert, das wirklich Wichtige zu erkennen – und konkret in Angriff zu nehmen! Blocken Sie sich systematisch und konsequent „Denk- und Strategiezeiten“.
So steuern Sie Ihr Unternehmen professionell

Umsichtige Planung, um das Unternehmen sicher auf Kurs zu halten und hektischen Aktionismus in schwierigen Zeiten zu vermeiden: Das sollte Ihr Ziel sein. Und darum geht es auch im Cockpit. Ein Pilot, der seine Maschine sicher zum Zielflughafen bringen will, muss sich in jeder Sekunde über die aktuelle Situation des Flugzeugs im Klaren sein. Dem Unternehmen geht es genauso: Nur wer zuverlässig weiß, wo er gerade steht, hat die Situation wirklich unter Kontrolle. Dazu sollte das Piloten- bzw. Managergehirn immer 5 Minuten voraus sein. Auch wenn scheinbar alles normal läuft, ist Wachheit gefragt. So ist man auf Überraschungen gefasst und läuft nicht Gefahr, „hektische und überstürzte Lenkimpulse“ zu tätigen. Ein guter Pilot und ein guter Unternehmer zeichnen sich außerdem durch klare Entscheidungen aus. Dazu gehört, regelmäßig Ballast abzuwerfen und nach unsinnigen, zeitraubenden Prozessen zu fahnden. So verschaffen Sie sich Luft für mehr Übersicht und Konzentration auf das Wesentliche.

Hier weitere Anti-Crash-Formeln gegen operative Hektik
  • Wissen Sie zu jeder Zeit, wo Ihr Unternehmen (Ihre Abteilung) sich gerade befindet? Haben Sie alle relevanten Fakten und Umfeld-Daten im Blick?

  • Sind Sie in der aktuellen Situation immer mindestens einen Schritt voraus? Oder wird Ihre Aufmerksamkeit völlig von momentanen Ereignissen und Details absorbiert?

  • Beugen Sie bösen Überraschungen gezielt vor? Oder wiegen Sie sich in der trügerischen Sicherheit, dass schon alles so weiterlaufen wird wie bisher?

  • Haben Sie das Heft des Handelns in der Hand? Agieren Sie souverän am Markt? Oder reagieren Sie nur auf äußere Einflüsse?

  • Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zerrt. Ein Impuls braucht Zeit, um seine Wirkung zu entfalten.

  • Gar keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung. Entscheidungsscheu wirkt ähnlich verheerend wie Aktionismus.

  • Betreiben Sie systematische „Müllabfuhr“ – stellen Sie immer mal wieder auf den Prüfstand, was Sie tun, und eliminieren Sie Nebenkriegsschauplätze.
QUERVERWEIS
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Crash-Kommunikation: Warum Flugzeuge abstürzen und Unternehmen an die Wand fahren
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ZUM AUTOR
Über Peter Brandl
Brandl Training und Beratung c/o Agentur Regenberg
Peter Klaus Brandl, Dipl. Sozialpädagoge ist Managementcoach und Berufspilot. Seit 1993 berät und trainiert er Unternehmen in den Bereichen Kommunikation, Kundengewinnung, Verhandlungstechniken und Konfliktmanagement. Zu seinen Kunden zählen Commerzbank AG, Credit Suisse AG, Logica Deutschland, Fresenius Medical Care u.a.
Brandl Training und Beratung c/o Agentur Regenberg
Goltzstr. 39
10781 Berlin

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