Im künftigen kreativen Kapitalismus (1) rücken das Individuum und dessen Talente ins Zentrum der Produktivität; Produkte und Output haben ausgedient. Die Steigerung des Wohlstands der Gesamtgesellschaft durch das Individuum und seine Selbstverwirklichung steht im Vordergrund.
Trotz aller Schattenseiten: Gefordert ist nicht ein weg vom Kapitalismus, sondern dessen Wandel.
Man könnte den Eindruck gewinnen, als sei die Krise vorbei, denn die meisten Unternehmen und Finanzinstitute machen schon wieder auf „Business as usual“. Diese sich selbst verordnete Normalität gibt es jedoch in Wirklichkeit nicht, denn die Krise ist latent. Ergänzend dazu befindet sich die Wirtschaft und die in ihr aktiven Menschen in einer Transformation hin zu einer neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die sich in den kommenden Jahrzehnten realisieren wird: die kreative Ökonomie. Das ist eine Ökonomie, in der die zentrale Wertschöpfung aus Wissen und Innovationen besteht.
Warum?Der demografische Wandel bringt es mit sich, dass es zu einer Verknappung der Ressource „Talent“ kommt. Vor allem „Menschen die es können und wollen“, also motivierte, flexible und wache Mitarbeiter, auf die Unternehmen angewiesen sind, werden weniger. Das kapitalistische System muss sich in der nahen Zukunft ganz anders um Menschen und deren Fähigkeiten kümmern müssen.
Die Arbeit und dessen Wesen verändern sich, weil einfache Arbeiten an Maschinen delegiert oder in ärmeren Ländern, wo menschliche Arbeitskraft noch billig zu haben ist „exportiert“. Damit geraten alle Berufe und Tätigkeitsformen unter Komplexitätsdruck; kooperierende Wissensarbeit greift auf alle Sektoren über. Damit werdenSoft Skills wie Kooperationsfähigkeit, emotionale Intelligenz und Vertrauen immer wichtiger.
Die klassischen Wertschöpfungsketten verlieren durch das Internet und die heute „störrischen“ Verbraucher ihre Funktion. Der heutige Verbraucher in seiner Form als „Prosumer“ überspringt den Handel oder greift gleich in die Produktion ein (Production on demand).
Durch die Finanzkrise wurde eine Phase des Kapitalismus beendet, in der die Globalisierung unter amerikanisch-europäischer Regie gestaltet wurde. Das wird es in dieser Form nicht mehr geben, denn Länder wie China, Indien, Brasilien als auch einige afrikanische Länder werden gestärkt aus der Krise hervorgehen und künftig die Wachstumstreiber sein und damit die Weltwirtschaft maßgeblich Bestimmen, woraus sich eine Verschiebung der Globalisierungskräfte ergeben wird.
Europa und Amerika waren in der Vergangenheit stets privilegierte Treiber des Wandels. Dieses Privileg werden diese Länder verlieren, weil Milliarden Menschen in anderen Erdteilen ziemlich ähnlich die gleichen Wohlstandsprozesse durchlaufen, weil sie innovativ, fleißig und optimistisch sind. Dadurch verschieben sich die Machtlinien des Kapitalismus und des Wirtschaftswachstums.
Diese neue und multipolare Welt erzeugt einen starken Veränderungsdruck auf unsere Wirtschaft im Westen und diese muss dynamisch-innovativer werden und sich von den alten Produktionslogiken verabschieden. Dies vor allem deshalb, weil sich die westliche Wirtschaft in den Boomjahren bis 2008 bzw. trotz der Boomjahre in einer Innovationskrise befand und etliche Branchen und deren Technologien und Wertschöpfungsmuster stagnierten, obwohl sie den Umsatz und ihre Größe steigern konnten.
Dennoch bleibt die Zukunft des Kapitalismus der Kapitalismus, weil kein anderes System es vermag Freiheit und Prosperität gleichzeitig zu produzieren sowie Innovationen und die vielfältigen Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen. Gleichzeitig benötigen wir jedoch eine Revision des heutigen kapitalistischen Systems hin zu einem neuen Kooperationsmodus zwischen Markt, Individuum, Staat und Zivilgesellschaft durch wesentlich bessere Organisation der Rückkopplung zwischen den einzelnen Mitwirkenden.
Eine erhebliche Steigerung der Selbstorganisation von Gesellschaft und Ökonomie mit einem besseren Ineinandergreifen von positiven Veränderungsmechanismen ist demnach gefragt (gefordert), damit die Wertschöpfung, vor allem die finanzielle Wertschöpfung gerechter unter den Teilnehmern an der Wirtschaft verteilt werden kann (muss). Dazu bedarf es einer enormen Menge kreativer Köpfe zur Realisierung von Innovationen, denn diese sind in der Zukunft entscheidend für das ökonomische Wachstum und damit für den Wohlstand aller.
(1) M. Horx (Südseiten S. 31)