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Fachartikel, 06.03.2006
Wirtschaft/Mittelstand (allgemein)
EU-Dienstleistungsrichtlinie – was steckt wirklich dahinter?
Nach zweijährigen Beratungen hat das Europäische Parlament in Erster Lesung über die EU-Dienstleistungsrichtlinie abgestimmt. Mit großer Mehrheit haben die Abgeordneten den ursprünglichen Vorschlag der Kommission substanziell geändert.
Ziel bleibt es, Hindernisse für den freien Verkehr von Dienstleistungen zu beseitigen und einen Binnenmarkt für Dienstleistungen zu schaffen. Das Parlament stellte klar, dass das nationale Arbeits- und Sozialrecht auch weiterhin gilt.

Binnenmarkt für Dienstleistungen ist nach EG-Vertrag zu realisieren

Ziel der Richtlinie ist es, bürokratische Hindernisse zu beseitigen, den Handel mit grenzüberschreitenden Dienstleistungen zu erleichtern und somit den Binnenmarkt für Dienstleistungen zu vollenden. Die Abgeordneten unterstreichen die Bedeutung eines wettbewerbsfähigen Dienstleistungsmarkts für die Förderung des Wirtschaftswachstums und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Dienstleistungen seien der Motor des Wirtschaftswachstums und tragen in den meisten Mitgliedstaaten 70 % zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Beschäftigung bei.

Zahlreiche Hindernisse für Dienstleister – Versteckte Schikanen der Mitgliedsländer

Gegenwärtig gebe es jedoch eine Vielzahl von Barrieren, etwa schwerfällige Genehmigungserfordernisse, -verfahren und -formalitäten oder mangelnde Rechtssicherheit, die insbesondere Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) daran hinderten, Dienstleistungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat anzubieten. Dies schwäche die globale Wettbewerbsfähigkeit der EU-Dienstleistungserbringer. Das EU-Parlament betont, dass bei der Vollendung des Binnenmarktes für Dienstleistungen auf Ausgewogenheit zwischen Marktöffnung, öffentlichen Dienstleistungen, sozialen Rechten und den Rechten der Verbraucher geachtet werden muss.

Herkunftslandprinzip- Orientierung an den Rechtsvorschriften des Geschäftssitzes?

Am heftigsten umstritten war das sog. Herkunftslandprinzip. Dieses besagt, dass der Erbringer der Dienstleistung den Rechtsvorschriften des Landes unterliegt, in dem er niedergelassen ist, und nicht den Rechtsvorschriften des Landes, in dem die Dienstleistungen erbracht werden. Die Änderungen des Europäischen Parlaments zum Herkunftslandprinzip betreffen vier Punkte:

1. Recht der Dienstleister, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen (Freier Dienstleistungsverkehr)

Die Mitgliedstaaten müssen für die freie Aufnahme und die freie Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit innerhalb ihres Hoheitsgebiets sorgen. Der Begriff „Herkunftslandprinzip” wird in der gesamten Richtlinie ersetzt durch den Begriff „ Freier Dienstleistungsverkehr”, um auch sprachlich den vorgenommenen Änderungen am ehem. Herkunftslandprinzip Rechnung zu tragen.

2. Recht der Mitgliedstaaten

Die Mitgliedstaaten haben das Recht, den Dienstleistungserbringern bestimmte Anforderungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, des Umweltschutzes und der öffentlichen Gesundheit aufzuerlegen. Auch dürfen die Mitgliedstaaten ihre Bestimmungen über Beschäftigungsbedingungen, einschließlich derjenigen in Tarifverträgen, anwenden.

3. Diskriminierungsverbot

Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten den Dienstleistungserbringer weder direkt noch indirekt aufgrund dessen Staatsangehörigkeit diskriminieren. Etwaige Anforderungen müssen zudem „erforderlich”, d.h. aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt gerechtfertigt sein. Ebenso müssen die Anforderungen verhältnismäßig sein.

4. Verbot bestimmter Anforderungen- Schutz vor Diskriminierung

Den Mitgliedstaaten werden bestimmte Anforderungen untersagt, etwa die Pflicht, auf ihrem Hoheitsgebiet eine Niederlassung zu unterhalten, die Pflicht, eine Genehmigung zu beantragen sowie die Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer Standesorganisation. Des Weiteren dürfen die Mitgliedstaaten z.B. nicht vom Dienstleistungserbringer verlangen, sich von ihren zuständigen Stellen einen besonderen Ausweis für die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit ausstellen zu lassen. Auch ein Verbot, auf ihrem Hoheitsgebiet eine bestimmte Infrastruktur (Geschäftsräume, Kanzlei, Praxis) zu errichten, die zur Erbringung der betreffenden Leistungen erforderlich ist, wird den Mitgliedstaaten untersagt.

Keine Einschränkungen mit den Argumenten Sozialpolitik und Verbraucherschutz

Umstritten war zwischen den Fraktionen lange Zeit die Frage, ob die Mitgliedstaaten den freien Dienstleistungsverkehr auch aus Gründen der Sozialpolitik und des Verbraucherschutzes einschränken können. Befürchtet wurde, dass damit die Dienstleistungsfreiheit unterlaufen und künstliche Barrieren errichtet werden könnten. Die beiden großen Fraktionen, EVP und SPE, einigten sich schließlich darauf, keinen Verweis auf Sozialpolitik und Verbraucherschutz aufzunehmen

Anwendungsbereich für EU- Dienstleister

Die Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden. Sie soll die Niederlassungsfreiheit sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern, bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen. Unter einer „Dienstleistung“ ist dabei jede selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit zu verstehen, die normalerweise gegen Entgelt ausgeführt wird. Das Merkmal der Entgeltlichkeit ist nicht gegeben bei Tätigkeiten, die der Staat oder eine regionale oder lokale Behörde ohne wirtschaftliche Gegenleistung im Kontext seiner bzw. ihrer jeweiligen Pflichten im sozialen, kulturellen, bildungspolitischen und justiziellen Bereich ausüben. Diese Tätigkeiten fallen nicht unter die Definition einer „Dienstleistung“ und werden somit nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst.

Wichtige Ausnahmen von der EU- Dienstleistungsrichtlinie

::: Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bankgeschäften, Krediten, Versicherungen, beruflicher oder privater Altersvorsorge, Geldanlagen oder Zahlungen

::: Dienstleistungen und Netze der elektronischen Kommunikation

::: Dienstleistungen auf dem Gebiet des Verkehrs einschließlich städtischer Verkehr, Taxen und Krankenwagen sowie Hafendienste

::: Dienstleistungen von Rechtsanwälten

::: Gesundheitsdienstleistungen, ob sie im Rahmen von Versorgungseinrichtungen gewährleistet werden oder nicht, ungeachtet der Art ihrer Organisation und Finanzierung auf nationaler Ebene und ihres öffentlichen oder privaten Charakters

::: Dienstleistungen im audiovisuellen Bereich, ungeachtet der Art ihrer Herstellung, Verbreitung und Ausstrahlung, einschließlich Rundfunk und Kino

::: Gewinnspiele, die einen Geldeinsatz bei Glücksspielen verlangen, einschließlich Lotterien, Spielkasinos und Wetten

::: Berufe und Tätigkeiten, die dauerhaft oder vorübergehend mit der Ausübung von Amtsgewalt in einem Mitgliedstaat verbunden sind, insbesondere Notare

::: Steuerwesen

::: Sicherheitsdienste

::: Zeitarbeitsagenturen

::: Soziale Dienstleistungen wie Dienstleistungen im Bereich des sozialen Wohnungsbau, Kinderbetreuung und Familiendienste

::: Dienstleistungen, durch die ein sozialpolitisches Ziel verfolgt wird
Weitere Ausnahmen und Einschränkungen

Vom freien Dienstleistungsverkehr sollen folgende Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden, ausgenommen werden:

::: Postdienste
::: Elektrizitätsübermittlung, -verteilung und -versorgung
::: Dienste der Gasweiterleitung, -verteilung, -versorgung und der -lagerung
::: Dienste der Wasserverteilung und der Wasserversorgung sowie der Abwasserentsorgung
::: Abfallbehandlung

Entsendung von Arbeitnehmern

Das Parlament streicht die Artikel zur Entsendung von Arbeitnehmern. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Kohärenz sollte jede Klärung im Bereich der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der entsprechenden Richtlinie behandelt werden. Das Parlament macht deutlich, dass das Prinzip des freien Dienstleistungsverkehrs nicht die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen berührt, die gemäß der Entsende-Richtlinie für Arbeitnehmer gelten, die in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates entsandt werden, um dort eine Dienstleistung zu erbringen. Die Entsende-Richtlinie legt Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen fest, die eingehalten werden müssen.

Inhalte der Entsende-Richtlinie

Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, bezahlter Mindestjahresurlaub, Mindestlohnsätze, Gesundheitsschutz, Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz, Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen (Co).

Quelle: Europäisches Parlament

Info:
Andreas KLEINER
Referat Redaktion & Veröffentlichung
Presse-de@europarl.eu.int
0032-2 28 32266

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