Eine weitgehend unbekannte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigt, wie groß Ihre Haftungsrisiken als (Umsatz-)Steuerverantwortlicher sind (BFH, Beschluss vom 23.4.2007, Az. VII B 92/06). Im entschiedenen Fall ging es um ein Handelsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH mit einem Geschäftsführer. Der Steuerverantwortliche, zugleich Prokurist des Unternehmens, hatte intern eine starke Position. Er war nicht nur für die steuerlichen Angelegenheiten des Unternehmens zuständig, sondern hatte – wie im Betriebsalltag in vielen mittelständischen Unternehmen üblich – umfassende Bankvollmacht und wickelte den gesamten Zahlungsverkehr des Unternehmens ab.
Das Unternehmen geriet in finanzielle Schwierigkeiten. Für insgesamt 7 Monate zahlte es die fällige Umsatzsteuer nicht ans Finanzamt, wäre dazu aber noch in der Lage gewesen. Das Finanzamt nahm daraufhin den Steuerverantwortlichen persönlich als sogenannten Verfügungsberechtigten mit den offenen Umsatzsteuerschulden des Unternehmens in Regress. Der Fiskus begründete seine Forderung damit, dass der Steuerverantwortliche – auch nach den Angaben seines eigenen Geschäftsführers – die steuerlichen Angelegenheiten der Firma erledigt und die ihm obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt habe.
Dem Steuerverantwortlichen hätte einleuchten müssen, dass er für eine vollständige und rechtzeitige Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen sowie für eine rechtzeitige Zahlung der geschuldeten Steuern an das Finanzamt hätte sorgen müssen.
Das Urteil: BFH nahm Steuerverantwortlichen persönlich in die Pflicht
Der Bundesfinanzhof sah das genauso. Dabei machten es sich die BFH-Richter sehr einfach. Sie räumen zwar ein, dass ein Steuerverantwortlicher nicht allein schon deshalb für Steuerschulden des Unternehmens persönlich haften muss, weil er diese wichtige Position innehat. Aber sie stellen entscheidend auf den Aufgabenbereich ab, der dem Steuerverantwortlichen im Innenverhältnis zugeteilt ist und „zu dem die Erfüllung steuerlicher Pflichten gehören kann, aber nicht gehören muss“.
Und weiter stellen die Richter am Bundesfinanzhof klar: Wenn einem leitenden Angestellten – egal, ob mit oder ohne Prokura – „steuerliche Befugnisse wie die Abgabe von Steueranmeldungen und die fristgerechte Entrichtung der geschuldeten Steuern übertragen wurden, haftet dieser für eine zumindest grob fahrlässige Verletzung dieser Obliegenheiten“.
Wer den Zahlungsverkehr verantwortet, haftet privat für Steuerzahlungen
Bezogen auf den verhandelten Fall kamen die Richter zu folgender Bewertung: Wer eine umfassende Bankvollmacht hat und für die Firma den gesamten Zahlungsverkehr abwickelt, ist auch für die Überweisung von Steuerbeträgen an das Finanzamt zuständig. Es könne „nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Leistung solcher Zahlungen dem Steuerberater oder anderen Personen vorbehalten war“.
Vermutlich werden Sie davon überzeugt sein, dass ein solcher Fall bei Ihnen im Unternehmen undenkbar ist. Trotzdem empfiehlt es sich, persönlich umfassend vorzusorgen, denn schließlich können auch Ihren Mitarbeitern trotz aller Vorsichtsmaßnahmen (umsatz)steuerliche Fehler und Versäumnisse passieren. Auch dann stellt sich schnell die Frage nach Ihrer persönlichen Verantwortung als Vorgesetztem. Deshalb nachfolgend Tipps, wie Sie Ihr Haftungsrisiko in den Griff bekommen.
Tipp 1: Regeln Sie steuerliche Firmenangelegenheiten nicht persönlich
Lassen Sie sich in Ihrem Engagement für Ihr Unternehmen und in Ihrem Streben nach größtmöglichem Einfluss als (Umsatz-)Steuerverantwortlichem nicht bremsen. Insbesondere ist es auch rechtlich unschädlich, wenn Sie Kontovollmacht haben und für Ihr Unternehmen fortlaufend Bankgeschäfte tätigen.
Auf gar keinen Fall dürfen Sie aber für die steuerlichen Angelegenheiten Ihres Unternehmens nach außen hin tätig sein. Und schon gar nicht dürfen Sie steuerliche Angelegenheiten Ihres Unternehmens persönlich regeln.
Beispiel: Das Unterzeichnen des Jahresabschlusses wie auch jedweder (Umsatz-)Steuererklärungen und (Umsatz-)Steuer(vor)anmeldungen ist Sache der Geschäftsführung, selbst wenn Sie als Steuerverantwortlicher zugleich auch Prokurist sind.
Vorsicht: In die Haftungsfalle können Sie speziell auch dann tappen, wenn Sie für Ihr Unternehmen mit dem Finanzamt Verhandlungen über die Zahlung rückständiger Steuern führen. Treten Sie niemals als Vertreter Ihres Unternehmens auf. Überlassen Sie dies der Geschäftsführung bzw. dem Steuerberater des Unternehmens.
Beispiel: Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung findet das Abschlussgespräch mit dem Betriebsprüfer statt. Hier gilt zunächst ohne Wenn und Aber: Führen Sie das Gespräch nur im Beisein des Steuerberaters Ihres Unternehmens.
Oder dringen Sie darauf, dass ein Mitglied der Geschäftsführung anwesend ist. Wenn das nicht möglich ist: Regeln Sie intern, dass der Steuerberater in seiner Funktion als steuerlicher Bevollmächtigter Ihres Unternehmens das Gespräch mit dem Betriebsprüfer führt und Sie selbst lediglich teilnehmen, um für etwaige Fragen zu sonstigen betriebsinternen Abläufen zur Verfügung zu stehen.
Tipp 2: Bauen Sie mit einer eigenen Rechtsschutzversicherung vor
Am besten wäre es, wenn Ihr Unternehmen Sie mit in die D&O-Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance) einbeziehen würde. Doch viele Firmen schließen das kategorisch aus. Der Grund dafür: Als (Umsatz-)Steuerverantwortlicher sind Sie nicht automatisch mitversichert, müssen also zusätzlich in den Versicherungsvertrag mit einbezogen werden. Und die Prämien dafür sind in den letzten Jahren spürbar in die Höhe geschnellt. Deshalb bleibt Ihnen nur der Abschluss einer eigenen Rechtsschutzversicherung, die folgende Risiken abdeckt:
Bevor Sie eine eigene Rechtsschutzversicherung abschließen, sollten Sie versuchen, mit Ihrem Arbeitgeber eine Regelung zu treffen, wonach er Ihre Kostenrisiken zu 1. und 2. abdeckt, „im Falle eines Falles“ also die Ihnen entstehenden Rechtsverfolgungskosten übernimmt. Dann können Sie sich bei Ihrer eigenen Rechtsschutzversicherung auf eine sogenannte Ausschnittversicherung beschränken. Das bedeutet: Sie versichern nur noch Ihr Kostenrisiko zu 3. und senken Ihre Versicherungsprämie dadurch spürbar.