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Die unterschätzte Rolle des Zufalls

In einem vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekt untersucht ein Team um die Mathematikerin Erika Hausenblas, wie sich der Druck strömender Flüssigkeiten beschreiben lässt, wenn zufällige Störungen mitberücksichtigt werden.
(PM) Wien, 13.03.2017 - Differenzialgleichungen sind die wichtigsten Werkzeuge der Physik. Von Newtons Gravitationsgesetz bis zu den Gleichungen der Quantenphysik – es gibt kaum ein Naturgesetz, das nicht in Form von Differenzialgleichungen formuliert ist. Sie beschreiben die Änderung einer bestimmten Eigenschaft eines Systems im Lauf der Zeit. Wer das Änderungsverhalten einer Größe kennt, kann damit ihren Wert in der Zukunft exakt bestimmen – in der Theorie.

Den Zufall integrieren

In jeder realen Anwendung gibt es hingegen zufällige Störungen, die das Ergebnis verfälschen. In manchen Situationen, etwa bei strömenden Flüssigkeiten, können selbst kleine Störungen das Verhalten so stark verändern, dass es sinnvoll ist, ein Zufallselement in die Gleichungen selbst zu integrieren. Die dabei entstehenden "Stochastischen partiellen Differenzialgleichungen" sind das Arbeitsgebiet von Erika Hausenblas, die als Professorin an der Montanuniversität Leoben forscht. In einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt untersucht sie die stochastische Version der sogenannten "Navier-Stokes-Gleichungen", die das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten und Gasen beschreiben. Die Gleichungen wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erstmals formuliert und sind aus der Technik nicht wegzudenken, egal, ob es um die Aerodynamik von Flugzeug-Tragflächen geht, das Fließen von Wasser in Leitungen oder um den Blutfluss in Adern. Bei ihrer stochastischen Version gibt es allerdings einige Lücken im Verständnis.

"Es handelt sich um ein relativ junges Gebiet", sagt Erika Hausenblas. "Das erste Buch zu stochastischen partiellen Differenzialgleichungen erschien in den 1990er-Jahren. Man versucht hier, die Zufälligkeit nicht zu eliminieren, sondern mit ihr zu rechnen und sie zu beschreiben." Bei diesen Gleichungen gebe es also keine exakte Lösung, als Ergebnis erhalte man eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Es gelte vor allem, die Unsicherheit abzuschätzen. "In der Finanzmathematik werden solche Gleichungen bereits intensiv verwendet", sagt Hausenblas.

Fehlende Werkzeuge für den Druck

Das von ihr geleitete FWF-Projekt dreht sich konkret um einen Teil der Navier-Stokes-Gleichungen, der den Druck beschreibt. Der Druck strömender Flüssigkeiten ist etwa wichtig für das Verständnis der "Kavitation", bei der in Flüssigkeiten durch Unterdruck kurzzeitig Gasblasen entstehen und wieder kollabieren. Dabei kommt es zu heftigen Schockwellen, dieser Effekt ist die häufigste Ursache für Schäden in Wasserrohren oder bei Turbinen. "Für den Druck fehlt es aber sowohl an Simulationsmethoden, als auch an Methoden zur Fehlerabschätzung", so Hausenblas. Diese Fragen wurden zuvor noch nie betrachtet. Hausenblas betont die praktische Relevanz dieser Arbeit. In der Meteorologie etwa werden die Navier-Stokes-Gleichungen häufig verwendet, Druckveränderungen haben hier eine entscheidende Bedeutung. Allerdings sei der Einsatz der stochastischen Navier-Stokes-Gleichungen hier nicht üblich, obwohl damit eventuell genauere Wettervorhersagen möglich wären.

Forschernachwuchs aus Kamerun

Als Dissertant forschte der junge Mathematiker Tsiry Randrianasolo in dem Projekt mit. Er ist Absolvent des Afrikanischen Instituts für Mathematik (AIMS), das an sechs Standorten auf dem afrikanischen Kontinent ein Master-Programm anbietet. Das Projekt läuft noch bis November, erste Ergebnisse wurden bereits zur Publikation eingereicht, weitere Publikationen sind in Vorbereitung.

Unsicherheit bringt Vorteile

Hausenblas erwartet, dass es noch einige Jahre dauern kann, bis die neuen Methoden sich im Ingenieurwesen durchsetzen. Das brauche auch ein Umdenken. Stochastische Differenzialgleichungen seien nicht überall beliebt, weil sie als weniger anschaulich gelten. Vielfach werde versucht, Fehlerwahrscheinlichkeiten auf null zu reduzieren. "Manchmal wäre es aber sinnvoller, ein Element der Unsicherheit in der Berechnung zu berücksichtigen."In diesem Zusammenhang verweist die Mathematikerin auf die Wichtigkeit der Finanzierung solcher Grundlagenprojekte durch den FWF. Diese hat ihr ermöglicht, eine eigene Forschungsgruppe zu diesen speziellen wissenschaftlichen Fragestellungen aufzubauen.

Zur Person

Erika Hausenblas (institute.unileoben.ac.at/amat/erika/doku.php) ist Professorin an der Montanuniversität Leoben (www.unileoben.ac.at/de/2765/) und Inhaberin des Lehrstuhls für Angewandte Mathematik. Ihr besonderes Interesse gilt Stochastischen Partiellen Differenzialgleichungen. Sie erhielt den Christian-Doppler-Preis und den Preis der APART-Gesellschaft (stipendien.oeaw.ac.at/de/node/2336) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
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