Auf einmal sehr viel Zeit und Geld
Früher galt für die Höhe der Abfindung die Faustregel: Pro Jahr Betriebszugehörigkeit erhält der Arbeitnehmer ein halbes Monatsgehalt. Doch in den letzten Jahren sind die Beträge wahrhaft explodiert. In vielen Branchen sind 0,8 bis 1,3 Monatsgehälter üblich. Und die DAX-notierten Unternehmen zahlen teilweise bis zu zwei Monatsgehälter pro Jahr Betriebszugehörigkeit, wenn sie trotz Betriebsvereinbarung Mitarbeiter abbauen möchten. Von daher sind bei den Konzernen sechsstellige Abfindungssummen heutzutage keine Seltenheit. Wenig verwunderlich, dass manch Arbeitnehmer bei einem solchen Angebot ein freiwilliges Ausscheiden ernsthaft in Erwägung zieht. Schließlich wirkt eine solche Summe wie ein Lottogewinn. Wie lange müsste ich als Arbeitnehmer hierfür sparen? 20, 30 oder gar noch mehr Jahre? Warum also nicht die Abfindung nehmen und sich danach so schnell wie möglich eine neue Stelle suchen?
So denken viele, die sich letztlich für ein mehr oder minder freiwilliges Ausscheiden entscheiden. Doch aus der schnellen, proaktiven Stellensuche wird in vielen Fällen leider nichts. Denn selbst bei einem „freiwilligen“ Ausscheiden fallen die Betroffenen oft in ein emotionales Loch. Hinzukommt: Plötzlich haben sie die nötigen Mittel und die erforderliche Zeit, um sich jahrelang gehegte Wünsche zu erfüllen – zum Beispiel endlich mal vier Wochen oder länger in den Urlaub fahren. Oder den Wintergarten bauen. „Wenn ich es nicht jetzt tue, wann dann?“, denkt sich mancher. So rückt die Jobsuche in immer weitere Ferne oder wird nur halbherzig betrieben.
Die Jobaussichten sinken schnell
Ein solches Verhalten ist verständlich – aber gefährlich. Denn je länger eine Person arbeitslos ist, umso geringer ist ihre Chance, eine neue Stelle zu finden. Spätestens nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit verschlechtern sich die Jobaussichten rapide – das belegen zahlreiche Arbeitsmarktstatistiken. Wen dann noch das Kainsmal „arbeitslos“ ziert, dem unterstellen viele Personaler: Der hat sich schon so an das Nichtstun gewöhnt, dass es ihm schwer fällt, sich wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Und: Wenn der wirklich gut wäre, hätte er schon eine neue Stelle gefunden.
Deshalb sollten Arbeitnehmer, die ihre Stelle verlieren, so früh wie möglich damit beginnen, sich einen neuen Job zu suchen – möglichst schon dann, wenn sie noch auf der Gehaltsliste des alten Arbeitgebers stehen. Denn meist verstreichen zwischen dem Beginn der Suche und dem Antritt der neuen Stelle mindestens sechs Monate.
Zuweilen hilft der alte Arbeitgeber bei der Stellensuche – zum Beispiel, indem er einen Karriere- oder Newplacement-Berater finanziert, der den ausscheidenden Mitarbeiter beim Entwickeln einer neuen beruflichen Perspektive unterstützt. Ein solches Angebot sollten Sie, sofern Sie betroffen sind, annehmen. Und wenn Ihnen Ihr Arbeitgeber dieses Angebot nicht unterbreitet? Dann sollten Sie erwägen, zehn bis 15 Prozent Ihrer fünf- oder sechsstelligen Abfindung in eine professionelle Newplacement-Beratung zu investieren. Warum? Vielen berufserfahrenen Arbeitnehmern erscheint das, was sie oft jahrzehntelang in einem Unternehmen taten, als ganz selbstverständlich. Deshalb ist ihnen vielfach nicht bewusst, welche besonderen Fähigkeiten und Erfahrungen sie haben, die für andere Arbeitgeber interessant sein könnten. Hierfür muss ihnen oft erst der Blick geöffnet werden – zum Beispiel von einem Karriereberater, der mit ihnen ihr bisheriges Berufsleben analysiert, um daraus abzuleiten: Welche Stärken hat der Stellensucher und wo ist deshalb eine Bewerbung erfolgversprechend.
Was erwarten die Betriebe von „alten Hasen“?
Hinzu kommt: Die meisten berufserfahrenen Stellensucher haben sich jahrelang, teils sogar jahrzehntelang nicht beworben. Deshalb kennen sie die aktuellen Anforderungen an Bewerber oft nicht. Wie werden heute Lebensläufe aufgebaut? Wie bewerbe ich mich per E-Mail oder per Eingabemaske auf einer Firmenhomepage? Wie finde ich Zugang zum unsichtbaren Stellenmarkt, über den mindestens 60 Prozent der offenen Stellen besetzt werden?
Von „alten Hasen“ erwarten die Unternehmen zudem andere Bewerbungen als von jungen Hochschulabsolventen, die noch unbeschriebene Blätter sind. Von ihnen möchten die Betriebe ganz präzise erfahren, warum sie für welche Stellen eventuell attraktive Kandidaten wären. Auch beim Erstellen solcher Bewerbungsunterlagen helfen Karriereberater.
Und nicht vergessen sollten berufserfahrene Stellensucher: Die Unternehmen gestehen ihnen, anders als Berufseinsteigern, meist nur eine geringe Einarbeitungszeit zu. Sie sollen von Anfang an funktionieren. Deshalb muss die Stelle haargenau zum Bewerber passen. Sonst ist die Gefahr groß, dass er nach wenigen Monaten erneut arbeitslos ist. Auch bei der Suche nach solchen Stellen können erfahrene Karriere- und Newplacement-Berater, die über ein enges Kontaktnetz verfügen, oft helfen. Denn sie haben meist auch Kontakte zu den Fachabteilungen der Unternehmen. Und die können oft besser als die Personalabteilungen einschätzen, ob das Unternehmen genau so einen Spezialisten braucht.