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Fachartikel, 18.11.2010
Constraintmanagement
Erfolgsfaktor flexible Produktion
Absatzboom oder zweite Krisenwelle? Die Industrie ist vorsichtig. Entsprechend unsicher sind die Absatzprognosen, auf denen alle weiteren Planungen aufbauen, besonders die der Produktion. Der Ausweg, um das Unplanbare planen, ist die Produktion am Engpass auszurichten, auch als Constraintmanagement bezeichnet.
Produzierende Betriebe müssen jetzt ihre Strategie für die nächsten Jahre bestimmen. Fast unmöglich, denn die langfristige Entwicklung jedes einzelnen Marktes ist kaum vorhersehbar. Absatzunsicherheiten wirken auf den Nahbereich, d.h. der anstehenden kurzfristigen Programmplanungen, wie auch der weiteren Zukunft bezüglich der Dimensionierung der Produktionsressourcen.

Bisher verbreitet: maximale Produktivität bis zu Überproduktion

In den vergangenen Jahrzehnten hat die Produktivität ständig zugenommen. Es wurde immer mehr produziert, so dass das Warenangebot auf fast allen Märkten größer ist als die Nachfrage. Dadurch hat sich die Marktmacht verschoben: auf diesen Nachfragemärkten mit Überangeboten bestimmen die Kunden, was sie kaufen, wie viel sie kaufen und zu welchem Preis sie kaufen.

Das war nicht immer so – lange Zeit stieg die Nachfrage stärker als die Warenproduktion. In diesen Zeiten ist eine Fertigungskultur entstanden, die im Wesentlichen folgende Charakterzüge aufweist:
  1. Jede einzelne Anlage soll ihre maximale Produktivität erreichen, also immer möglichst viel produzieren.
  2. Kapazitäten weichen in der Regel voneinander ab, sie sollen aber möglichst angeglichen werden. Denn so kann das zu bearbeitende Material die Wertschöpfungskette ohne lange Wartezeiten durchlaufen.
  3. Auch wenn nicht genügend Kundenaufträge vorliegen, wird weiter produziert – in dem Glauben, alles werde irgendwann verkauft. 
  4. Trotz ausreichender Fertigungskapazitäten wird nicht immer pünktlich geliefert, an Lieferrückstände hat man sich gewöhnt. 
  5. Es befindet sich zuviel halbfertiges Material in der Produktion.
  6. Immer wieder fehlen genau die Teile, die gerade gebraucht werden. Deshalb sind ungeplante Anlagenumrüstungen an der Tagesordnung.
Diese Produktionskultur ist deutlich geprägt von der Anbietermarktmacht. Erstaunlich ist nur, dass sie heute noch in vielen Unternehmen anzutreffen ist und sich hartnäckig hält. Denn in fast allen Bereichen haben sich längst Überkapazitäten gebildet, es lässt sich nicht mehr so einfach alles absetzen, was produziert wird. Mit mehr oder weniger gravierenden Auswirkungen:
  1. Die Produktion ist von der Nachfrage entkoppelt.
  2. Produktionsinteresse und Marktinteresse weichen voneinander ab, damit wird es schwierig bis unmöglich, die Produktion zu planen und zu steuern.
  3. Der Überblick geht verloren: welche Chargen sind dringend?
  4. Trotz überhöhter Bestände wird der Lieferrückstand immer größer. 
  5. Unverkäufliche Waren müssen abgewertet werden. Die Preise fallen.
Es entstehen also immer mehr Überkapazitäten, die automatisch den Wettbewerb verschärfen. Auf Dauer kann kein Unternehmen mit einer solchen Fertigungskultur wettbewerbsfähig bleiben. Das zeigt zum Beispiel die Automobilindustrie, bekannt für ihre Überkapazitäten. Hier wird immer mehr versucht, im wachsenden Wettbewerb mit immer mehr Varianten zu bestehen: während vor 40 Jahren noch sehr wenige Fahrzeugmodelle auf den Straßen unterwegs waren, ist die Anzahl der verschiedenen Modelle heute gar nicht mehr überschaubar. Damit werden die einzelnen Fertigungschargen immer kleiner, und ihre Produktion wird in der beschriebenen Fertigungskultur immer weniger planbar und steuerbar.

Die Produktion am Markt ausrichten


Und trotzdem zeigen einige Unternehmen, wie es anders geht: sie liefern in führender Qualität, schneller als der Wettbewerb, zu den versprochenen Terminen, mit mindestens zufriedenstellender Marge – und das nicht nur in Krisenzeiten, sondern gerade auch bei Hochkonjunktur. Kurz: sie haben eine marktorientierte Produktion.

Das klingt zunächst einfach, bedeutet aber in vielen Fällen umfangreiche Veränderungen. Dazu braucht es Mut und konsequente Umsetzung.

Ein Ansatz hat sich in der Praxis dazu bewährt: das Constraintmanagement, das darauf hinarbeitet, eine Fertigung konsequent am Markt zu orientieren (Theory of Constraint). Die Grundannahme dafür lautet: jede Produktion hat nur einen Engpass innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette, an ihm werden alle anderen Fertigungsstufen ausgerichtet. Diese Methode ist nicht zu verwechseln mit dem bekannteren, aber weitaus weniger erfolgreichen Engpassmanagement, das versucht, den Engpass zu eliminieren. Gerade darum geht es nicht! Im Constraintmanagement wird der Engpass zum „Leuchtturm“, nach dem sich alles andere richtet. Die erforderlichen Schritte sind meist schnell und ohne große Investitionen umsetzbar.

So zum Beispiel bei der Zusage von Lieferterminen: bisher werden dem Kunden meist standardmäßig Lieferfristen benannt, zum Beispiel immer drei Wochen. Manchmal werden sie auch nach der Auslastung der Endmontage festgesetzt; allerdings ist die Endmontage fast nie der Engpass. Folglich führt beides zu Unregelmäßigkeiten in der Einhaltung der Liefertermine, mit entsprechendem Ärger. Beim Constraintmanagement dagegen wird der Liefertermin an der Kapazität des Engpasses ermittelt, seine Einhaltung wird somit realistisch. Die Unzuverlässigkeit in der Belieferung kann so fast vollständig beseitigt werden.

Um die Produktion mit Hilfe des Constraintmanagements am Markt und nicht mehr am maximal Möglichen auszurichten, ist allerdings eine grundlegende Änderung der Einstellung zur Fertigung erforderlich:

Nicht mehr die Produktion, sondern der Markt ist Richtungsgeber; das bedeutet in erster Linie: es wird nur noch das produziert, wofür ein Kundenauftrag vorliegt, und nichts mehr „auf Halde“. So wird insgesamt meist weniger produziert – was für manche Verantwortlichen nicht immer leicht zu akzeptieren ist. Es ist nicht mehr das Ziel, auf jeder einzelnen Anlage eine möglichst hohe Produktivität zu erreichen. Die Wertschöpfung ist erst dann realisiert, wenn der Kunde die Ware bezahlt hat, nicht, solange sie noch im Versand steht.

Das  Unplanbare planen

Wenn aber die Absatzprognosen so unsicher sind, wie lässt sich die Produktion dann planen? Durch eine möglichst einfache Steuerung lässt sich ein hoher Grad an Flexibilisierung erreichen:

Anstatt aller Fertigungsoperationen wird nur noch eine einzige Operation geplant und gesteuert, nämlich der „Leuchtturm“ – also der Engpass. Das reduziert den Aufwand ganz entscheidend, und gleichzeitig wird das Produktionsprogramm stabiler und leichter umzusetzen. Kurzfristige Änderungen in der Auftragslage können einfacher eingesteuert werden, Liefertermine werden realistischer und Lieferrückstand löst sich auf.

Durch die Fokussierung auf den „Leuchtturm“ wird der Planungsaufwand reduziert, ja die Produktion langfristig überhaupt erst planbar. Ausgehend vom Vertriebsforcast können so die Produktionsressourcen auf die zukünftigen Bedarfe abgestimmt werden. Die Grenzen der Über- oder Unterlastung lassen sich ohne großen Aufwand darstellen, sogar die Unsicherheiten der Vertriebsprognosen können so bis zu einem gewissen Grad kompensiert werden: zum Beispiel wird so deutlich, ab welchem minimalen Absatzniveau Kurzarbeit oder Entlassungen notwendig werden, oder auch, ab welcher Auslastung des Engpasses Sonderschichten gefahren werden müssen.

Mit der Steuerung des Engpasses – das Constraintmanagement – wird die Produktion flexibel und planbar, und sie hilft, die Liefertreue zu verbessern. Ganz nebenbei werden damit auch die Kosten gesenkt. In der Praxis fällt es vielen schwer, vom Ehrgeiz der maximalen Produktivität abzurücken. Doch wer bereit ist, weniger, aber genau für den Markt zu produzieren, wird sich im Wettbewerb behaupten.
ZUM AUTOR
Über Jürgen Abel Jürgen Abel
Jürgen Abel Supply Chain Management
Jürgen Abel ist Experte für Constraintmanagement und berät mittelständische Unternehmen bei der Optimierung der Produktion. Seit über 25 Jahren setzt sich Jürgen Abel mit dem industriellen Supply Chain Management auseinander – acht Jahre davon im Ausland.
Jürgen Abel Supply Chain Management
Oldenburger Straße 658
26203 Wardenburg

+49-4407-980112
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