Der Einkauf ist an zahlreiche Determinanten gebunden, die sich stetig ändern. Deshalb ist das Identifizieren von Sparpotenzialen keine Einmalaktion: Es ist ein fortwährender Prozess. Doch wo soll wir hierbei anfangen und wo aufhören? Das fragen sich Unternehmensführer und Einkaufsmanager immer wieder – unter anderem, weil ihnen oft eine Übersicht über die möglichen Einsparhebel fehlt. Deshalb fällt es ihnen schwer, die möglichen Wirkungen zu bestimmen, die sich mit ihnen erzielen ließen und noch vorhandene Einsparpotenziale zu identifizieren.
Generell gilt: Der Einkauf beschafft Material oder Dienstleistungen. Und die hierbei entstehenden Kosten sind das Produkt aus Preis und Menge beziehungsweise Prozesskosten und Menge. Beim Optimieren der Kosten kann also entweder an der Preis- und Prozesskosten- oder an der Mengenschraube oder an allen drei Schrauben „gedreht“ werden. Deshalb ist es sinnvoll, beim Versuch Einsparungen zu erzielen, zwischen Preis- und Prozesskostenhebeln und Mengenhebeln zu unterscheiden.
An den Preisen und den Prozesskosten drehen
Die Hebel zum Senken der Preise und Prozesskosten haben unterschiedliche Ausrichtungen: Die einen versuchen als sogenannte Standardhebel die „leicht“ zu erzielenden Einsparungen zu realisieren; die anderen hingegen als fortschrittliche Hebel die „nicht auf den ersten Blick“ ersichtlichen Potentiale zu heben.
Volumenkonzentration
Hat ein Unternehmen sehr vielen Lieferanten, dann ist dies ein Hinweis auf einen Mangel an strategischer Ausrichtung des Einkaufs. Eine Analyse der Warengruppen und des Einkaufsmarkts erlauben in diesem Fall die notwendige Korrektur. Sie ist umso wichtiger, je mehr Sparten und Standorte ein Unternehmen hat. Denn diese tendieren dazu, unabhängig voneinander einzukaufen. Hier hilft eine übergreifende Bündelung der Einkaufsvolumina von Warengruppen, Geschäftsbereichen und Standorten. Durch eine Volumenbündelung und Reduktion der Lieferantenzahl erhöht sich auch die Verhandlungsmacht des Unternehmens. Über die geeignete Zahl von Lieferanten ist von Unternehmen zu Unternehmen individuell zu entscheiden.
Preisbenchmarking
Ziel des Benchmarking ist es, durch einen Vergleich von Angeboten die günstigsten Lieferanten zu ermitteln oder auf der Grundlage der vorliegenden Angebote mit bestehenden Lieferanten nach zu verhandeln. Dabei sind alle Konditionen und Preiseinflüsse (wie Zahlungsbedingungen, Rückvergütungsvereinbarungen, zusätzliche kostenlose Leistungen) zu betrachten. Sobald Fachbereiche gleiche oder ähnliche Warengruppen zu unterschiedlichen Preisen einkaufen, sind interne Preisvergleiche angesagt. Denn nur dann ist ein Einkauf zu fairen Preisen möglich. Um diesen zu gewährleisten, sollten Unternehmen auch ein externes Benchmarking betreiben. Bei Warengruppen mit hohen Einkaufsvolumen empfiehlt es sich zudem, die Preise in regelmäßigen Neu-Ausschreibungen einer Prüfung zu unterziehen.
Global Sourcing
Viele Unternehmen zögern noch, das Angebot ausländischer Märkte für ihren Einkauf zu nutzen. Damit bleiben wertvolle Einsparpotenziale ungenutzt. Beim Global Sourcing schauen Einkäufer auf ausländische Märkte und identifizieren meist schnell interessante Lieferanten. Diese sind im Vergleich mit den heimischen Lieferanten oft wettbewerbsfähig und bieten zum Teil signifikante Kostenvorteile. In Bezug auf Produktqualität und Versorgungssicherheit ist zwar erhöhte Vorsicht geboten, aber ein konsequenter Lieferantenaufbau minimiert das Risiko. Ist das Auslandsgeschäft etabliert, können durch das Nutzen von Währungsschwankungen weitere Einsparungen erzielt werden.
Spezifikationsoptimierung
Sie zielt darauf ab, durch ein „leichtes“ Verändern des Produktes oder der Dienstleistung günstigere Einkaufspreise erzielen zu können. Dabei darf sich die Qualität des Produkts oder der Dienstleistung jedoch nicht oder nur im vorgegebenen Maß ändern. Die Substitution kostenintensiver Produkt- oder Dienstleistungsbestandteile durch geeignete günstige Alternativen birgt weiteres Sparpotenzial. Auch eine stärkere Standardisierung der Produkte ist vielversprechend. Durch eine Reduktion der Variantenvielfalt entstehen größere Einkaufsvolumina, was auch die Produktionskosten lieferantenseitig senkt.
Wertschöpfungskette (Supply Chain)
Bei einer kritischen Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette lassen sich meist rasch Einsparpotenziale identifizieren. Mit IT-Lösungen lassen sich oft die Prozesskosten senken. Der Einsatz von elektronischen Katalogen verringert beispielsweise häufig die Kosten von transaktionslastigen Bestellprozessen. Auch beim physischen Materialfluss und in der Logistik gibt es viele Ansatzpunkte für Einsparungen. So vermeidet zum Beispiel ein Zwischenlagern von häufig genutzten Produkten das kostspielige wiederholte Anmieten.
Beziehung zum Lieferanten
Unternehmen streiten sich zuweilen mit Lieferanten permanent über den Preis und die Qualität. Trotzdem stellen sie sich nicht die grundsätzliche Frage, ob die Beziehung zum Lieferanten überhaupt sinnvoll ist. Wie viele Gewerke erbringt der Lieferant mit welchem Erfolg? Sollte ein Weiterer hinzugezogen werden? Viele Unternehmen beziehen zum Beispiel Gebäudereinigung und Sicherheitsdienst vom selben Lieferanten, obwohl eine separate Vergabe der Gewerke für Qualität und Preis günstiger wäre. Auch eine Reflexion der Preise der Vorlieferanten und das Erwägen eines Direkteinkaufs bei den Vorlieferanten sind oft aufschlussreich. Bei kostenintensiven und für das Unternehmen wichtigen Warengruppen sollte sogar ein Wechsel vom Fremdbezug zur Eigenleistung erwogen werden.
Den Mengenhebel ansetzen
Die Mengenhebel lassen sich seltener als die Preis- und Prozesskostenhebel zum Einsatz bringen. Das macht ihre Prüfung aber nicht weniger wichtig. Denn mit ihnen lassen sich signifikante Einsparungen erzielen. Die radikale Ausgangsfrage der Prüfung ist, ob Warengruppen überhaupt und wenn ja in welchen Mengen benötigt werden.
Kritische Einordnung der Hebelsystematik
Der reinen Lehre folgend, empfehlen sich bestimmte Sparhebel für bestimmte Unternehmenssituationen. Eine gängige Systematik zur Kategorisierung von Warengruppen ist die 2x2 Matrix. In dieser Matrix bildet die eine Achse die strategische Bedeutung der Warengruppe für das Unternehmen ab und die andere die Komplexität des Einkaufsmarktes:
Häufig wird empfohlen, bei einer geringen Einkaufsmarktkomplexität die Standardhebel einzusetzen. Fortschrittliche Hebel sollen in diesem Fall – wenn überhaupt – erst später angewendet werden. Wer solchen Hinweisen folgt, verschenkt unter Umständen enorme Einsparpotenziale. Das sei am Beispiel eines Versicherungsunternehmen und seines Printbedarfs illustriert: Allein in Deutschland kamen für das Erstellen der Printprodukte der Versicherung Tausende von Druckereien als Lieferanten in Frage. Zudem boten zahlreiche Druckereien aus dem Ausland ihre Dienste an. Für die Versicherung hatte die Warengruppe „Print“ eine hohe strategische Bedeutung, weil das Geschäft weitgehend über gedruckte Versicherungsanträge, Broschüren und Flyer abgewickelt wird. Aufgrund der enorm hohen Zahl an Druckereien ist im Printbereich der Wettbewerb hoch und die Einkaufsmarktkomplexität daher gering. Also lag es aufgrund der oben dargelegten Systematik nahe, die Warengruppe Print ausschließlich mit den Standard-Einsparhebeln (Volumenkonzentration, Preisbenchmarking und Global Sourcing) zu optimieren. Im konkreten Projekt zeigte sich aber, dass sich mit den fortschrittlichen Hebel
wesentlich höhere Einsparungen erzielen lassen. Bei einem schematischen Vorgehen gemäß der gängigen Systematik wären sie nicht oder erst in einem weiteren Schritt zum Einsatz gekommen.
Erfolgsfaktoren beim Identifizieren von Einsparpotenzialen
Das Wissen um die Systematik der Einsparhebel alleine garantiert nicht den Erfolg. Es gehört mehr dazu.