„Gegen die Großen können wir nun einmal nicht anstinken – weder was das Gehalt anbelangt noch was das Außenbild betrifft. Da müssen wir halt schaun, was (an Arbeitnehmern, Anm. DJ) übrigbleibt.“ (Personalleiter eines mittelständischen Unternehmens mit 350 Mitarbeitern in Unterfranken)
Doch ist dieses Zurücknehmen in die 2. Reihe gerechtfertigt und wie bewerten (potenzielle) Arbeitnehmer die Attraktivität von Arbeitgebern verschiedener Größen? Antworten finden sich in vielfältiger Form zu verschiedenen Fragestellungen. So wurde im Auftrag der Franz Haniel & Cie. GmbH Ende 2011 die Studie „Attraktivität von Familienunternehmen“ mit 824 Studierende aus Deutschland, Dänemark, Frankreich und Ungarn durchgeführt. Welche „Attraktivitätstreiber“ kommen laut dieser Studie nun für die Arbeitgeberwahl aus Sicht der befragten Studenten besonders zum Tragen?
Wie wirken sich diese Attraktivitätsaspekte nun auf die Präferenzen der Befragten für Familienunternehmen gegenüber Großkonzerne aus?
Während in den befragten Ländern Dänemark, Frankreich und Ungarn eine deutliche Präferenz der befragten Studenten für börsennotierte Großkonzerne als Arbeitgeber gegenüber einem Familienunternehmen zeigen, ist bei den deutschen Befragten eine gänzlich andere Tendenz erkennbar: Knapp zwei Drittel der befragten Studierenden würden ein Familienunternehmen gegenüber einem börsennotierten Großkonzern als Arbeitgeber bevorzugen.
Welche Assoziationen begründen nun diese Präferenzen? Wie ist das Bild von Großkonzernen bzw. Familienunternehmen aus Absolventensicht geprägt?
Im Hinblick auf börsennotierte Konzerne nannten die befragten Studenten folgende Assoziationen:
Negativ
Positiv
Demgegenüber sind die Assoziationen zu Familienunternehmen als Arbeitgeber konträr:
Negativ
Positiv
Die Befragungsergebnisse zeigen also eine deutlich höhere Gewichtung von „weichen“ Faktoren wie kurze Kommunikations- und Entscheidungswege, ein gutes Arbeitsklima, das Realisieren einer angemessenen Work-Life-Balance etc. gegenüber Aspekten wie Höhe des Entgelts, Karrierechancen und Internationalität.
Andere Untersuchungen bestätigen die Bedeutung dieser Einflussfaktoren, einige ergänzen sie um weitere „Attraktivitätsfaktoren“ wie z. B. Systematische Personalentwicklung, Innovationsfähigkeit und Diversity Management (vgl. u. a. Fietz/Worschech, 2009 ).
Übereinstimmend zeigen die verschiedenen Studien auf, dass für viele Arbeitnehmer immaterielle Werte wie die oben aufgeführten ausschlaggebender für die Arbeitgeberwahl sind als typische Attraktivitätsmerkmale wie Vergütungshöhe oder Internationalität.
Es stellt sich nun die Frage, ob sich der Mittelstand dieser wichtigen Attraktivitätsmerkmale bewusst ist – und wie er diese für sich zu nutzen weiß.
Personalmanagement 2.0 – Herausforderungen und Stolpersteine
In einer von competence consulting durchgeführten telefonischen Befragung von 102 Vertretern mittelständischer Unternehmen (August-Oktober 2012) wurde unter anderem der Frage nachgegangen, welches die zentralen Themen und Herausforderungen des Personalmanagements sind, denen sich die Unternehmen kurz- und mittelfristig stellen müssen.
Neben einer großen Bandbreite an Themen, die Standardisierungen und die Implementierung verschiedener Prozesse im Personalwesen betreffen, zeigt sich eine klare Schnittmenge an „großen Themen“, die die befragten Unternehmen am meisten umtreiben:
Das Bewusstsein um die Relevanz dieser Themen für den wirtschaftlichen Bestand eines Unternehmens und für seine Positionierung im „War for Talents“ ist demnach vorhanden – doch wie und mit welchen Ansätzen wird daran gearbeitet?
Strategische Entwicklung von Fach- und Führungskräften
Diverse Untersuchungen zur Arbeitgeberattraktivität extrahieren das Vorhandensein einer systematischen Personalentwicklung als zentrales Attraktivitätsmerkmal eines Unternehmens (vgl. u. a. Fietz/Worschech, 2009).
Bei den durch competence consulting befragten Unternehmen existiert zwar in 67% der befragten Unternehmen nach eigenen Angaben eine „strategische Personalentwicklung“, jedoch zeigt sich bei vertiefenden Fragen ein recht heterogenes Bild von tatsächlich vorhandenen Strategien in Personalprozessen und -entwicklungen:
Talente binden, Arbeitgeberattraktivität stärken
Auch die Antworten auf die Frage, ob und wie Talente im Unternehmen gezielt gefördert und gebunden werden, variieren stark – in 38% der befragten Unternehmen werden keine gezielten Maßnahmen zur Talentförderung und -bindung umgesetzt, in rund 60% der befragten Unternehmen werden Weiterbildungsmaßnahmen sowie die kontinuierliche Erweiterung von Handlungsspielräumen und Verantwortungsrahmen als zentrale Aspekte aufgeführt, mit denen Talente im Unternehmen langfristig gefördert werden.
Während die Vergabe von Boni und Prämien zur Mitarbeiterbindung in Großunternehmen und Konzernen recht weit verbreitet ist, werden monetäre Anreize nur von 8% der befragten Unternehmen zur Talentbindung eingesetzt. Die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmensvertreter zieht zur Erläuterung die folgenden Aspekte heran: Der Mittelstand sei zum einen nicht dazu in der Lage, gegen die monetären Leistungen von Großunternehmen und Konzernen im Kampf um Talente zu gewinnen – weder im Hinblick auf die Höhe der Gehälter noch in Bezug auf Urlaub und Sonderleistungen. Zum anderen seien monetäre Anreize aus Sicht der Unternehmensvertreter in der Regel zu kurz gedacht und nicht dazu geeignet, langfristige Mitarbeiterbindung zu betreiben.
Eine wichtige und durchaus wahre Erkenntnis – die jedoch auch unmittelbar dazu auffordert, andere Maßnahmen und Mittel zur Talentförderung und -bindung zu implementieren.
Wunsch und Wirklichkeit
Die Befragungsergebnisse zeigen also ein zweigeteiltes Bild: Einerseits zeigt sich deutlich das Wissen der befragten Unternehmensvertreter um die Bedeutung von internen Prozessen des Personalmanagements für den Umgang mit existenziellen Themen wie Fach- und Führungskräftemangel. Andererseits resultiert aus diesem Wissen nicht unbedingt der Handlungsimpuls, Personalprozesse systematisch und strategisch so zu gestalten, dass diesen Themen aktiv und effizient begegnet werden kann. Diese Diskrepanz kann u. a. den oft sehr begrenzten Ressourcen im Personalwesen mittelständischer Unternehmen geschuldet sein:
„Wir wissen, dass wir das (Entwicklung einer strategische Fach- und Führungskräfteentwicklung und systematische Talentbindung /-förderung, Anm. DJ) endlich angehen müssen, aber das Tagesgeschäft frisst einfach zu viel an Ressourcen und wir sind ja nur zu zweit.“ (Personalleiter, mittelständisches Unternehmen mit 320 Mitarbeitern in Unterfranken)
Hier ist die Inanspruchnahme von externen Beratungsdienstleistungen für Mittelständler eine wichtige und erfolgsträchtige Ressource sein. Die Grundlage für eine erfolgreiche Beratung legt das Beratungsunternehmen, indem es sich auf die tatsächlich vorhandenen Rahmenfaktoren und Bedürfnisse des Mittelständlers einstellt und individuelle Lösungen gemeinsam mit Unternehmensvertretern erarbeitet. Es macht wenig Sinn, bereits vorhandene Konzepte z. B. aus Großunternehmen auf ein mittelständisches Unternehmen zu übertragen, da diese nach gänzlich anderen Voraussetzungen agieren.
Wird aber eine Beratung nach dem Prinzip einer externen Impulsgebung im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ verstanden, erfahren unzureichende interne Ressourcen im Personalwesen eine ausgesprochen wertvolle Ergänzung.
Sichtbare Attraktivität schaffen
Die Aussagen der befragten Unternehmensvertreter verdeutlichen aber auch, dass sich viele Mittelständler bereits auf den Weg zu einem neuen Selbstbewusstsein des Mittelstands begeben haben: Während der Mittelstand auf einer Spielwiese mit einem sich immer schneller bewegendem Gehaltsrad gegen Großunternehmen keine wirkliche Chance hat – ebenso wenig wie in Bezug auf Markenbekanntheit, Internationalität und Karriereperspektiven – geht es um das Herausarbeiten und um das Sichtbarmachen von Merkmalen, die die Arbeitgeberattraktivität der Mittelständler individuell steigert. Dazu zählen aus Sicht der befragten Unternehmen z. B. die Schaffung von Handlungsfreiräumen und gute Entwicklungsperspektiven, die kurzen und schnellen Entscheidungswege, der geringe Bürokratismus, das familiäre Miteinander, der direkte Draht zum Chef u. v. m. – eben genau die oben ausgeführten „weichen“ bzw. immateriellen Faktoren, die aus Arbeitnehmerperspektive einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitgeberattraktivität haben.
Das Bewusstsein um die unverkennbaren Attraktivitätsmerkmale des Mittelstands ist demnach bei der Mehrheit der befragten Unternehmen vorhanden und einige haben sich bereits aktiv auf den Weg gemacht, um diese Merkmale systematisch auszubauen – sei es durch die Implementierung einer tatsächlichen Strategie in der Entwicklung von Fach- und Führungskräften oder in der Umsetzung eines systematischen Talent- und Kompetenzmanagements.
Für viele mittelständische Unternehmen liegt aber gerade hier die größte Herausforderung – mit derzeit noch viel „Luft nach oben“. Denn: Attraktivitätsmerkmale sind in den seltensten Fällen „naturgegeben“ vorhanden und für alle (potenzielle) Mitarbeiter ersichtlich. Für den Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke gehört mehr dazu, als bloße Merkmale unternehmensintern zu identifizieren – sie müssen auch gezielt entwickelt werden und belegbar sein. Merkmale wie „Kompetente Mitarbeiter und beste Entwicklungsmöglichkeiten“ lassen sich leicht im Leitbild eines Unternehmens verankert. Doch wenn keine strategische Personal- und Kompetenzentwicklung dahinter steht, werden derartige Statements zur Luftblase, die leicht enttarnt werden kann.
Fazit
Es gilt für jedes mittelständische Unternehmen jeder Größe und Branche sich auf seine ganz eigenen, unverwechselbaren Kerneigenschaften und Charakteristiken zu besinnen, diese auszubauen und nach außen so zu präsentieren, dass eine positiv erlebte Arbeitgebermarke entsteht – zusammen mit dem Selbstbewusstsein, nicht schlechter sondern einfach anders als ein Großunternehmen zu sein.