(PM) , 10.08.2006 - Mitunter können Situationen auftreten, in denen der Insolvenzverwalter von Gläubigern, die kurz vor Antragstellung des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Befriedigung (z.B. Zahlung) oder Sicherheit (Pfandrecht u.ä.) erlangt haben, selbige wieder zurückfordern.
Dabei sind zum einen die Vorschriften der §§ 130 bis 132 Insolvenzordnung (InsO) zur Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen vor der formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen sowie andererseits die auf Initiative des Schuldners beruhende vorsätzliche Benachteiligung seiner Gläubiger gemäß § 133 InsO. Die §§ 130 bis 132 InsO regeln im wesentlichen, dass Rechtshandlungen der Insolvenzgläubiger, die in den letzten drei Monaten vor Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (!) vorgenommen wurden und diesen eine Sicherung oder Befriedigung gebracht haben unter bestimmten dort näher geregelten Voraussetzungen vom Insolvenzverwalter angefochten werden können und damit im Interesse der Gläubigergleichbehandlung rückabzuwickeln sind.
Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden, dass diese strikte 3-Monats-Frist auch dann gilt, wenn der Insolvenzschuldner seinen Insolvenzantrag vorsätzlich zu einem späteren Zeitpunkt gestellt hat als dies gesetzlich vorgesehen ist (BGH, Urteil vom 10.02.2005 IX ZR 211/02; jetzt veröffentlicht in NJW 2005, 1121). Wenn der Gläubiger den Schuldners dazu veranlasst, den Insolvenzantrag bewusst hinauszuzögern, um eine Anfechtung im Sinne der §§ 130 ff. InsO zu vermeiden, so kommt allenfalls ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Betracht (§§ 826, 823 Abs. 2 BGB)
Insofern sind auch nicht zum Nachteil des Vollstreckungsgläubigers die Voraussetzungen des § 133 InsO erfüllt und der Insolvenzgläubiger, der eine Sicherung/Befriedigung erlangt hat, ist auch vor diesem Hintergrund vor einem Zugriff des Insolvenzverwalters sicher (vgl. BGH, a.a.O.). Nach der Vorschrift des § 133 InsO ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in Benachteiligungsabsicht anderer Gläubiger in den letzten zehn Jahren vor dem Insolvenzantrag oder danach vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil (begünstigte Gläubiger) zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Wie der BGH, a.a.O. dazu zutreffend festgestellt hat, missbilligt die Vorschrift des § 133 InsO nur bestimmte Verhaltensweisen des Schuldners. Wenn der Gläubiger allerdings vor dem Drei-Monats-Zeitraum der §§ 130 bis 133 InsO eine Sicherung/Befriedigung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners erlangt hat, so ist er ohne ein Zutun des Schuldners im Sinne des § 133 InsO – wie es etwa beim Dulden einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme der Fall ist – vor Rückgriffsansprüchen des Insolvenzverwalters sicher.
Fazit:
Vollstreckungshandlungen der Insolvenzgläubiger, die länger als drei Monate vor der Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückliegen, sind in aller Regel vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters sicher, wenn nicht der Antrag in kollusivem Zusammenwirken mit dem Schuldner verspätet gestellt wurde.
Praxistipp:
Holen Sie bei Vollstreckungshandlungen gegen bekanntermaßen notleidende Schuldner vor deren Durchführung sachkundigen Rat ein bzw. prüfen Sie etwaige Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters.
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Herzliche Grüße aus Paderborn
Ihr rechtsanwalts-TEAM.de Warm & Kanzlsperger
Dr. Sandro Kanzlsperger
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht