Fachartikel, 14.08.2008
Perspektive Mittelstand
Wissensmanagement und –bilanzierung, Teil I
Grundlagen der Wissensbilanzierung
Trotzdem das intellektuelle Kapital eines Unternehmens maßgeblich dessen Geschäftserfolg und dessen Unternehmenswert begründet, sind diese immateriellen Vermögenswerte in keiner Bilanz erfasst. Eine Wissensbilanz schafft dahingehend Transparenz und damit die Voraussetzungen für ein wirkungsvolles Wissensmanagement zur gezielten Weiterentwicklung des intellektuellen Kapitals und damit auch der Leistungsfähigkeit von Unternehmen.
In der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ist Wissen einer der bedeutendsten Rohstoffe. Verantwortungsvolle Unternehmen wissen schon heute um die Nachhaltigkeit ihrer Entscheidungen auf Umwelt, Gesellschaft und Mitarbeiter (Corporate Social Responsibility). Der demografische Wandel erfordert dabei eine neue Sicht auf die Ressource Mensch.

Das Adecco-Institut (London) hat zur Messung der Qualität des „Managements der Arbeitskräftealterung“ den Demographischen Fitness Index DFX geschaffen. Fünf Handlungsfelder fliessen in den Index ein: Laufbahnplanung, Lebenslanges Lernen, Diversity-Management, Gesundheitsmanagement und Wissensmanagement.

Das immaterielle Vermögen, bestehend aus den Fähigkeiten der Mitarbeiter, den Strukturen des Unternehmens und den externen Beziehungen trägt massgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens bei, findet sich aber in keiner herkömmlichen Bilanz. Die Wissensbilanz schliesst diese Lücke.

Dem immateriellen Vermögen der Aktivseite steht das intellektuelle Kapital als Passivposten gegenüber. Dieser setzt sich zusammen aus dem Humankapital (gehört den Mitarbeitern), dem Strukturkapital (gehört dem Unternehmen) und dem Beziehungskapital (kann dem Unternehmen und/oder den Mitarbeitern gehören). Die Wissensbilanz macht die Zusammenhänge zwischen den Zielen, den Geschäftsprozessen und dem Geschäftserfolg einerseits und dem Human-, Struktur- und Beziehungskapital andererseits transparent. Auf Basis dieser Kenntnisse kann das intellektuelle Kapital gezielt weiter entwickelt und der DFX stetig verbessert werden.

Das Humankapital

Das Humankapital charakterisiert die Kompetenzen, Fertigkeiten und Motivation der Mitarbeiter. Es ist im Besitz des Mitarbeiters und verlässt mit ihm die Organisation. Beispiele für Humankapital:

  • Fachkompetenz: Marktkenntnisse, Kundenkenntnisse, Produktkenntnisse, Produktionskenntnisse, Kaufmännische Kenntnisse
  • Leistungskompetenz: Serviceverhalten, Innovationsverhalten, Qualitätsverhalten, Initiativverhalten, Terminverhalten
  • Führungskompetenz: Kommunikationsfähigkeit, Entscheidungsverhalten, Motivationsverhalten, Delegationsverhalten, Zielverhalten
  • Sozialkompetenz: Zuverlässigkeit, Konfliktfähigkeit, Eigenverantwortlichkeit, Teamfähigkeit, Lernfähigkeit

Das Strukturkapital

Das Strukturkapital umfasst all jene Strukturen und Prozesse, welche die Mitarbeiter benötigen, um in ihrer Gesamtheit produktiv und innovativ zu sein. Das Strukturkapital ist im Besitz der Organisation und bleibt auch beim Verlassen einzelner Mitarbeiter weitgehend bestehen. Beispiele für Strukturkapital:

  • Führungsprozesse: Strategiefindung, Controlling, Qualitätsmanagement, Risikomanagement
  • Ressourcenprozesse: Supply Chain, Infrastruktur, Rekrutierung, Kapital
  • Leistungsprozesse: Produktmanagement, Produktplanung, Produktentwicklung, Beschaffung, Produktion, Akquisition, Auftragsabwicklung, After-Sales-Support
  • Projektmanagementprozesse: Definition, Analyse, Realisierung, Test und Einführung
  • Unterstützungsprozesse: Kommunikation, Datenmanagement, Finanz- und Rechnungswesen, Interne Audits

Das Beziehungskapital

Das Beziehungskapital einer Organisation umfasst alle Beziehungen zu organisationsexternen Gruppen und Personen, welche in der Geschäftstätigkeit genutzt werden. Das Strukturkapital ist im Besitz des Unternehmens und/oder des Mitarbeiters. Beispiele für Beziehungskapital:

  • Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Eignern, Investoren, Banken, Mitarbeitern,
  • Integration von externem Wissen,
  • Öffentlichkeitsarbeit,
  • Verbandsarbeit,
  • soziales Engagement,
  • Regionalverantwortung.

Wechselwirkungen und Handlungsbedarf an einem Beispiel

Für ein Unternehmen der Investitionsgüterindustrie sind Wachstum und Kundenzufriedenheit die beiden wichtigen Einflussfaktoren auf den Geschäftserfolg (GE). Die hierfür notwendigen Geschäftsprozesse (GP) sind Akquisition, Produktentwicklung/-innovation und Service/Kundenbetreuung. Die immateriellen Vermögenswerte des Unternehmens sind:

  • Humankapital: Fachkompetenz, Sozialkompetenz, Mitarbeitermotivation (HK) und Führungskompetenz
  • Strukturkapital: Kooperation, Führungsinstrumente, Informationstechnik (SK) und Prozessinnovation
  • Beziehungskapital: Kundenbeziehungen, Beziehungen zur Öffentlichkeit, (BK) Beziehungen zu Kapitalgebern, Investoren und Eignern, sowie Beziehungen zu Kooperationspartnern

Nachdem alle Einflussfaktoren hinsichtlich Quantität, Qualität und Systematik bewertet und die Wechselbeziehungen (Wirkungsstärken und Wirkungszeitraum) zwischen den Einflussfaktoren festgelegt waren, konnte festgestellt werden, das folgenden Faktoren am intensivsten auf das Wachstum des Unternehmens wirken:

  • Kooperation und Wissenstransfer
  • Produktentwicklung und –innovation
  • Führungskompetenz

Antwort auf Frage, ob diese drei wesentlichen Einflussfaktoren zu den Stärken oder eher zu den Schwächen des Unternehmens zu zählen sind, gab das Potentialportfolio der Wissensbilanzierung, das folgendes Erkenntnis brachte:

Die Faktoren „Kooperation“ und „Wissenstransfer“ (Strukturkapital) sowie die Führungskompetenz (Humankapital) müssen entwickelt werden, weil sie ein hohes Einflussgewicht auf den Geschäftserfolg besitzen und in der heutigen Bewertung schlecht beurteilt sind. Für den Geschäftsprozess „Produktentwicklung/-innovation“ ergab sich Handlungsbedarf im Hinblick auf die Stabilisierung des Prozesses.

Lesen Sie im zweiten Teil dieser sechsteiligen Artikelserie über die Ergebnisse einer Studie zum Status Quo beim Thema „Wissensmanagement und Wissensbilanzierung“ in deutschen Unternehmen. Um zu den anderen Beiträgen dieser Serie zu gelangen, klicken Sie bitte einen der nachfolgenden Hyperlinks.

Teil 2: Status Quo im Mittelstand 
Teil 3: Erstellung einer Wissensbilanz
Teil 4: Erfahrungsbericht IT-Dienstleister
Teil 5: Von der Theorie zur Praxis
Teil 6: Wissensmanagement wird unverzichtbar

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