(PM) , 21.03.2006 - Während Sie diese Zeilen lesen, laufen in Ihrem Gehirn pro Sekunde 100 000 chemische Reaktionen ab. Das komplexe Netz der Neuronen ist 1400mal komplexer als das gesamte Telefonsystem der Welt. Eine Superriesendenkmaschine! Warum das für die Kommunikation und Rhetorik wichtig ist? Weil jede Kontaktaufnahme mit anderen Menschen ein Vorgang ist, der sich genau genommen zwischen zwei Gehirnen abspielt. Die Schlussfolgerung daraus ist simpel: Wenn Sie erfolgreich kommunizieren oder eine wirklich gute Rede halten wollen, tun Sie gut daran, sich nach den Arbeitsprinzipien Ihres Gehirns und dem Ihrer Zuhörer zu richten.
Bereits den alten Ägyptern war aufgefallen, dass man bei geöffneter Schädeldecke eine linke und eine rechte Hirnhälfte entdecken kann. Heute wissen wir, dass diese beiden Hälften verschiedene Aufgaben haben. Die linke Hälfte ist der Sitz der Logik, der Vernunft, der Ratio. Man könnte sie das "Haus der Technik" nennen. Bei den meisten Menschen ist diese Hälfte überlastet, weil sie fast ausschließlich linkshirnig denken. Das Dumme: Für Gedächtnisleistungen ist diese Hälfte nur sehr bedingt geeignet. Das kann die rechte Hälfte viel besser. Sie ist Sitz der Phantasie, der Kreativität und der Gefühle. Man könnte sie das "Haus der Kunst" nennen. Künstler sind oft unterbeschäftigt. Das gilt auch für die rechte Hälfte. Bei vielen Menschen ist sie sogar gänzlich arbeitslos. Dabei ist gerade sie für Gedächtnisleistungen geradezu prädestiniert.
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte...
Wenn wir uns durch eigenes Aktivieren der rechten Gehirnhälfte Informationen, Daten und Fakten spielend leicht merken, wäre es da nicht grandios, wenn es eine Möglichkeit gäbe, auch die rechte Hälfte unserer Zuhörer zu aktivieren? Damit diese sich ebenfalls spielend leicht an das von uns Gesagte erinnern? Diese Möglichkeit gibt es. Wenn Sie sich selbst etwas merken wollen, müssen Sie sich den Lernstoff einfach mit Hilfe Ihrer Phantasie als Bild vorstellen.
Für das Gehirn Ihrer Gesprächspartner und Zuhörer gilt das Gleiche: Wenn Sie möchten, dass Ihre Zuhörer sich viel merken, müssen Sie sich bildhaft ausdrücken. Genau das ist gemeint mit "gehirnfreundlich reden". Verwenden Sie Sprachbilder. Sprachbilder erzeugen in Ihren Zuhörern innere Bilder, sie sind anschaulich - im wahrsten Sinn des Wortes. In der Antike nannte man sie "Redefiguren". Weil sie unserer rechten Gehirnhälfte Appetit machen, werden wir sie Brain-Appetizer nennen und im Folgenden die 5 wichtigsten Appetitanreger vorstellen:
Brain-Appetizer Nr. 1: Die Metapher
Was ist eine Metapher? Eine Metapher weist auf Übereinstimmung zwischen zwei Dingen hin, die sich ansonsten unterscheiden. Wenn wir z. B. sagen, Herr Meier sei ein Fuchs, so meinen wir natürlich nicht, dass Herr Meier wirklich ein Fuchs ist. Vielmehr wollen wir deutlich machen, dass Herr Meier bestimm-te Eigenschaften besitzt, die wir einem Fuchs zuschreiben. Weitere Beispiele sind:
„Das Leben ist ein Dschungel.“
„Das Gehirn ist die Krone der Schöpfung.“
„Dieser Schlange kann man nicht trauen.“
„Ich habe Blei in den Gliedern.“
„Die Republikaner; eine Malzkaffeepartei – braun, billig und von vorgestern" (Heiner Geißler).
„Der Haushalt, das Schicksalsbuch der Nation". (Theo Weigel)
„Vor uns liegt eine lange Durststrecke.“
„Der Kopf, die Knautschzone des Motorradfahrers.“
„Er ist eine politische Platzpatrone.“
„Verkaufen ist Steilwand fahren. Man muss immer Gas geben.“
„Meskalin ist der Königstiger unter den Rauschgiften.“
Die Metapher entfaltet eine siebenfache Wirkung:
• Sie macht aus Totem etwas Lebendiges
• Sie mobilisiert die Phantasie des Zuhörers
• Sie erinnert an eigene Erlebnisse
• Sie verstärkt die Wirkung des Gesagten, prägt sich besser ein
• Sie eröffnet völlig neue Perspektiven der Betrachtung
• Sie konstruiert neue Wirklichkeiten
• Sie überrascht den Zuhörer.
Noch ein großer Vorteil der Metapher: Sie ist oft die einzige Möglichkeit, unangenehme Botschaften zu verkünden, ohne größeren Widerstand hervorzurufen, z. B. "Unser Unternehmensschiff ist in schwieriges Fahrwasser geraten. Sturm ist aufgezogen. Wir sitzen alle in einem Boot. Wenn wir uns jetzt nicht von Ballast trennen, werden wir den rettenden Hafen nicht erreichen.“
Brain-Appetizer Nr. 2: Die Analogie
Mit der Metapher eng verwandt ist die Analogie. Was unterscheidet beide? Analogien arbeiten immer mit dem Wörtchen "wie“. Eine Metapher könnte lauten: „Das Kernkraftwerk, das atomare Pulverfass“, die passende Analogie: „Ein Kernkraftwerk ist wie ein atomares Pulverfass.“ Im Vergleich zur Metapher ist der Einsatz der Analogie für Sie ungefährlicher, wie folgendes Beispiel zeigt: Die Metapher „Herr Müller, dieses Schwein...“ kann für Sie eher eine Beleidigungsklage nach sich ziehen, als die Analogie „Herr Müller verhielt sich wie ein Schwein...“ Weitere Beispiele für Analogien sind:
„Ein Unternehmer, der keine Visionen hat, ist wie eine Kirche ohne Auferstehungsglauben.“
„Er ist für diese Aufgabe genauso wenig geeignet wie eine Schildkröte zum Stabhochsprung“
„Er spricht wie ein Wasserfall“
„Die Menschheit verhält sich wie die Besatzung eines Raumschiffes, dessen Vorräte zur Neige gehen.“
"Sorgen sind wie Babies, je mehr man sie hätschelt, desto mehr gedeihen sie.“
Analogien haben die gleichen Vorteile wie die Metaphern. Sie helfen dem Zuhörer, sich komplizierte Informationen, Daten und Fakten plastisch vorzustellen. Sie werden in der rechten Gehirnhälfte gespeichert.
Brain-Appetizer Nr. 3: Das Beispiel
Das Beispiel verwenden Sie, um eine allgemeine These zu beweisen oder zu veranschaulichen. Dies erreichen Sie am besten dadurch, dass Sie sich fragen: Wie stellt sich der allgemein formulierte Gedanke in der Praxis dar? Beispiele sind vor allem dann zu empfehlen, wenn das Wissensgefälle zwischen Ihnen und Ihren Zuhörern groß ist.
Beispiele:
„Lärm geht den Menschen immer mehr auf die Nerven. Ein Beweis dafür ist die Tatsache, dass das beliebteste deutsche Haustier nicht der Hund, nicht die Katze ist, nein, es ist der Fisch! 30 Millionen Zierfische schwimmen in deutschen Aquarien. Vielleicht deshalb, weil sie weder bellen..."
„Allzu schnelles, ungebremstes Wachstum ist gefährlich. Das beweist das Beispiel der Tigerstaaten. Die jüngste Finanzkrise in Ostasien zeigt...“
Brain-Appetizer Nr. 4: Die Anekdote
Eine Anekdote ist eine kurze, oft witzige Geschichte. Sie wird meist mündlich überliefert und muss nicht unbedingt verbürgt sein. Sie zeichnet ein kleines Genrebild, das eine bekannte Persönlichkeit, eine bestimmte soziale Schicht oder eine bestimmte Zeit besonders gut charakterisiert. Die Anekdote hat folgende vier Vorteile:
• Sie ist unterhaltsam und lockert dadurch auf.
• Sie weckt durch ihren Erzähl-Charakter Spannung.
• Sie prägt sich durch ihre Bildhaftigkeit besonders gut ein.
• Sie eignet sich besonders gut für einen Gesprächs- oder Redeeinstieg.
Beispiele:
Oscar Wilde war ein amüsanter, geistreicher Plauderer. Er hatte nur einen kleinen Fehler - er fand nie ein Ende. Als er einmal nach Paris fuhr, um dort einen Vortrag zu halten, kündigte ihn der dortige Vorsitzende mit den Worten an: "Mesdames et Messieurs, ich habe das große Vergnügen, Ihnen Monsieur Oscar Wilde vorzustellen, unseren Redner für heute Abend - und wie ich annehme, für die ganze Nacht...“
Nach einem gelungenen Bach-Konzert und vielen Vorhängen sagte der ermüdete Hans v. Bülow: "Meine Herrschaften, wenn Sie mit dem Beifall nicht endlich aufhören, spiele ich die große Bach-Fuge noch einmal.“ Das wirkte.
Brain-Appetizer Nr. 5: Das Sprichwort
Sprichwörter sind im Volksmund überlieferte Lebensregeln, die drei rhetorische Vorteile bieten:
• Auf Grund ihres Bekanntheitsgrades lösen sie beim Zuhörer einen Erinnerungs-Effekt aus („Habe ich auch schon mal gehört...“)
• Sie sind plastisch und anschaulich
• Sie sind (scheinbar!) allgemein gültig, Ihre Aussage wird dadurch glaubwürdiger („Das kann ich unterschreiben...“)
Beispiele:
„Wer A sagt, muss auch B sagen.“
„Morgenstund hat Gold im Mund.“
„Ohne Fleiß kein Preis.“
Die meisten Kinder benutzen unbefangen ihre rechte Gehirnhälfte und Bilder zur Unterstützung ihres Gedächtnisses. Das können Sie nachvollziehen, wenn Sie einmal versucht haben, Kinder beim Memory zu schlagen. Während die Erwachsenen meist krampfhaft versuchen, sich eine Information nach der anderen zu merken (Die zweite Karte liegt in der dritten Reihe rechts oben), vertrauen Kinder ihrer Phantasie, ihrem bildhaften Vorstellungsvermögen und tippen immer wieder intuitiv auf die richtige Karte.