Fachartikel, 06.08.2008
Perspektive Mittelstand
Karriere-Einsichten, Teil I
Wenn der Beruf zur Einbahnstrasse wird
Spaß und Selbstzufriedenheit kommen zu kurz: Der Umgang mit Kindern lehrt Thomas Bouza Behm, endlich entspannter zu arbeiten. Klappen tut das noch nicht so ganz, denn der Vielbeschäftige führt ehrenamtlich einen Kreisverband des Kinderschutzbundes. Eines aber ist ihm längst bewußt: Karriere machen ist nicht alles.
Montag, 8:00 Uhr, im Büro des Kinderschutzbundes im westfälischen Minden, zwischen Bielefeld und Hannover. Der schlanke Mann, Mitte 40, im grauem Anzug, eilt zur Tür hinein, sagt kurz „Guten Morgen“. Er ist schön verbindlich zu seinen Mitarbeitern aber doch bestimmt in der Sache. Rasch wird überfällige Büroarbeit erledigt: Der neue Flyer für den Kindergarten muss in den Druck, die Termine für den neuen Elternkurs sollen abgestimmt werden und neue Sponsoren fürs Haus müssen auch noch her. Thomas Bouza Behm, gelernter Verlagskaufmann, macht diese Dinge jeden Morgen unter der Woche – bevor er 30 Minuten später seinen eigentlichen Brot-und-Butter-Job beginnt.

Er habe sich mit seinem Ehrenamt, wo er seit knapp zehn Jahren Vorstandsvorsitzender ist, viel aufgehalst, gibt er gerne zu. Organisation sei eben alles und seine Frau unterstütze ihn, bei den über 570 Mitgliedern im Kinderschutzbund nicht den Überblick zu verlieren. Seine Frau und zwei Kinder, 9 und 19 Jahre alt, seien ja schließlich auch noch da.

„Der Spaß kommt bei mir oft (viel) zu kurz, will ich mich doch ernsthaft am Arbeitsplatz engagieren, muss aber auch dem Leistungsdruck irgendwie gerecht werden“, sagt er und wünscht sich, dass sich das nun endlich mal bessert. Einen Ausgleich zum Arbeitsstress findet der Westfale schon: durch die Anerkennung seiner Kollegen und berufliche Erfolge. Er runzelt die Stirn, alles sei das nicht. Er wünscht sich doch ein Gleichgewicht von Familie und Ehrenamt, Leben und Arbeiten. Mitten im Berufsleben, wo Menschen nun mal die meiste Zeit ihres Lebens verbringen ist das eine Gratwanderung für ihn.

Den Leistungsdruck auf der Arbeit, den er „von oben“ aus der Geschäftsleitung bekomme, will er den Mitarbeitern auf seine Art irgendwie „menschlich rüberbringen“. Ratgeber und Führungsseminare würden ihm da nicht viel weiterhelfen, verhalte sich doch jeder Mensch anders als nach Schema F. Dabei macht er sich viele Gedanken, denn er will Vorbild sein für andere. Er komme oft kontrolliert und diszipliniert rüber. Er mag das: „Ich verliere damit nicht so schnell den Überblick“, sagt Bouza Behm, während er mit gleichem Atemzug schon wieder am Grübeln ist: Erfolg sei dann doch eine relative Sache, gesteht er und will in seiner Abteilung eine Kultur von Feedback, Wertschätzung und Kritik durchsetzen. Der Familienvater knabbert selbst noch daran, nicht im stillen Kämmerlein zu schmollen, sondern transparent zu sein, eben Tacheles zu reden: „Das habe ich bei den Pädagogen im Kinderschutzbund gelernt“, sagt er ein wenig stolz über „seine Mannschaft“ beim Verein.

Was ihm junge Mütter und Kinder beigebracht hätten, habe er vor rund 15 Jahren noch nicht drauf gehabt. Als (freier) Medienberater und zusätzlicher freiberuflicher Tätigkeit sei er viel unterwegs gewesen, habe versucht, bei Kunden „eine gute Figur zu machen“, sich eben zu verkaufen. Jahrelang ging das gut, bis der Bumerang zurück kam: „Ich habe mich damit kaputt gemacht“, sagt der Kaufmann über seine hohen Ansprüche und Herausforderungen bei der täglichen Arbeit. Heute sieht er das etwas gelassener: (, dass er nicht alles das tun kann, was sein Chef ihm abverlangt). Auch könne man nicht auf jeder Hochzeit tanzen: „Das ist und bleibt ein Spagat zwischen meiner Familie und meinem Job“, sagt er. Fürs Ausgelassen sein, Blödsinn machen, Freunde treffen und Einkaufen im Aldi will er sich zukünftig wieder mehr Zeit nehmen. Bisher hat er das noch nicht geschafft, aber er arbeitet fleißig daran.

Lesen Sie im zweiten Teil dieser dreiteiligen Artikelserie, wie Ulrich Hemel seine Freude am Entdecken neuer Chancen zum Beruf gemacht.

ZUM AUTOR
Über Jan Thomas Otte
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Ob die einfache Putzfrau mit drei bis vier Nebenjobs, der Kleinunternehmer im Großstadt-Dschungel oder Banker an der Wall Street. Jan Thomas Otte begleitet Menschen in der Wirtschaft. Und das auf vielen Ebenen. Mit Reportagen vor Ort gelingt dem Journalisten und Berater dabei ein ungewöhnlicher Blick. Charaktere unterschiedlichster Couleur kommen in seinen Texten, Tönen und Bildern zu Wort. Jan Thomas Otte studierte an der Universität Heidelberg. In Wirtschaft und Psychologie qualifizierte er sich an den Hochschulen in Augsburg, Erlangen und Princeton (USA). Parallel kam eine Journalistenausbildung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung hinzu. Als Business-Querdenker berichtet er im Netzwerk Constart.com und forscht an der Princeton University. Mit seinen Berichten über Karrierestreben und Sinnsuche ist er für mehrere Journalistenpreise nominiert worden.
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