Pressemitteilung, 17.03.2006 - 11:52 Uhr
Perspektive Mittelstand
Wettskandal: Deutschland ist keine Insel der Seligen – Experten sehen bei staatlichen Wettanbietern die größten Betrugsmöglichkeiten
(PM) , 17.03.2006 - Berlin/Düsseldorf - Dass es zum informellen Abendessen mit der Bundeskanzlerin eine Pressekonferenz gab, überraschte den Chef des Organisationskomitees. So sei das in Berlin, kommentierte Franz Beckenbauer schnoddrig den Unterschied zur bayerischen Landeshauptstadt, die sich gerne als heimliche Hauptstadt der Republik sieht. Bleiben wir beim Fußball: Während dort in der Allianz-Arena www.allianz-arena.de innerhalb von zwei Tagen der komplette Rasen ausgetauscht und bis zum Spitzenspiel am Wochenende gegen Schalke 04 bespielbar sein wird, hat man in Berlin die Eröffnungsfeier zur Fußball-Weltmeisterschaft abgesagt, weil bis zum ersten Spiel die Bespielbarkeit des Rasens nicht gewährleistet werden konnte. „Das hätte nicht passieren dürfen. Die Fifa wusste doch genau, dass der Rasen bis zum Spiel im Olympiastadion wiederhergestellt werden muss“, sagt Herbert Henzler, früherer Chef von McKinsey www.mckinsey.de, Aufsichtsratsmitglied beim FC Bayern München und Berater von Franz Beckenbauer. Im Interview mit dem Manager-Magazin www.manager-magazin.de kritisiert er auch die Komplexität der Kartenvergabe für die WM. Trotzdem sieht er der größten Sportveranstaltung der Welt optimistisch entgegen, nicht zuletzt, weil der Fußball „wunderbare Unterhaltung bietet“ und mittlerweile nahezu perfekt vermarktet werde. Der Sport habe längst eine eigene gesellschaftliche Kraft entwickelt, die nicht auf bestimmte Schichten begrenzt sei. Dennoch kommt der Fußball nicht heraus aus den Schlagzeilen, scheinen sich doch neue Betrugsverdächtigungen bei Sportwetten zum Flächenbrand auszuweiten. Das wirft kein schmeichelhaftes Licht auf die Ballkünstler, ohne deren Kumpanei der Betrug nicht funktionieren würde. Allerdings zeigen sich Experten verwundert darüber, dass man in Deutschland glaubt, auf einer Insel der Seligen zu leben, aber verkennt, dass es im Profifußball zuallererst auch um Geld geht. „Wohl auch, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Denn obwohl sich der Fußball über die Jahre zu einer globalen Unterhaltungsindustrie weiterentwickelte, folgt seine Perzeption in der Regel einem Bild, als steckte er immer noch mittenmang in der seligen ‚Elf-Freunde-müsst-ihr-sein-Zeit“, schreibt der Tagesspiegel www.tagesspiegel.de. Viele Fußballer, zitiert die Zeitung den Nürnberger Trainer Hans Meyer, kämen mit der gesellschaftlichen Bedeutung, die ihnen verliehen würde, nicht zurecht. Und warum soll es im Fußball weniger schwarze Schafe geben als in Politik, Wirtschaft, Medien? Jens Leinert www.leinert.com, Unternehmensberater und einer der wenigen deutschen Experten für das Wettgeschäft, stellt im Interview mit dem Tagesspiegel aufgrund des großen Betrugspotenzials die staatlichen Wettanbieter infrage. „Die strukturell größten Möglichkeiten für Betrüger bei Sportwetten bieten wohl die staatlichen Anbieter wie Oddset, weil sie am Anfang der Woche ihre Quoten festlegen und nicht auf jede Transaktion in den Annahmestellen schnell reagieren können. Da sind die privaten Anbieter flexibler, es ist in ihrem eigenen Interesse, den Markt transparent zu halten.“ Leinert ist auch Autor des Marktreports Online Wetten 2005. Darin bezweifelt er die langfristige Monopolstellung der staatlichen Wettanbieter. Deren Tage dürften ohnehin gezählt sein, denn Ende März entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Liberalisierung des Wettmonopols. Die Konjunktur am Wettmarkt werde nach einer Liberalisierung außerdem durch moderne Vertriebswege noch beflügelt, wovon auch der Arbeitsmarkt profitieren könnte. Breitbandinternet, GPRS- und UMTS-Übertragung erhöhen die Absatzmöglichkeiten um ein Vielfaches. Leinert: „Die attraktiven Quoten, die spannenden, vielfältigen Wettangebote und die zunehmende Verlagerung des Wettbetriebs auf Internet und Handy überzeugen die Kunden mehr als die aggressive Werbung und die medienwirksamen Skandale des Staatsmonopolisten.“ „Moralisch macht es keinen Unterschied, ob das Geschäft in privater oder in staatlicher Hand ist", sagt Helmut Sürtenich, Vorstandschef der Stratega-Ost Beteiligungen AG www.stratega-ost.de in Düsseldorf, die im letzten Jahr ins europäische Sportwettengeschäft eingestiegen ist. Oddset und Co. stopften lediglich Löcher in den leeren Staatssäckeln. „Die staatlichen Anbieter von Glücksspielen argumentieren oft sehr moralisch, um ihr Monopol zu verteidigen. Wenn ihr Monopol falle, sei dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.“ Wer aber frage nach der Moral, wenn kostenlos Lottoscheine mit Garantiegewinnen an rheinland-pfälzische Abgeordnete verschickt würden? Dass staatliche Anbieter eine Missbrauchsgarantie nicht geben könnten, zeige der neuerliche Wettskandal, so der Stratega-Ost-Chef. Das Unternehmen hat Ende des vergangenen Jahres den österreichischen Wettsoftware-Hersteller Wettcorner GmbH www.wettcorner.com übernommen und damit den Grundstein gelegt für ein großflächiges Netz von Wettannahmestellen in Deutschland.