Die Jury in Frankfurt hat entschieden. Das Unwort des Jahres 2010, aus über 900 Vorschlägen ausgewählt, ist: „betriebsratsverseucht“. Der Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser sagte zur Begründung, die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen störe zwar zahlreiche Firmen, sie als Seuche zu bezeichnen sei aber „ein sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen.“ Es ist erstaunlich, wie unbedacht wir manchmal Worte oder vielmehr Unworte äußern. Umso schöner, wenn einmal im Jahr das Unwort des Jahres gewählt wird und uns wieder einmal auf unsere Unzulänglichkeiten in der Kommunikation hinweist.
Für manche Botschaft braucht es keine Worte. Dennoch gilt auch hier das Axiom der Kommunikation: „Wahr ist nicht, was A sagt, sondern was B versteht.“ (Paul Watzlawik)
Betrachtet man es einmal genau, ist es eigentlich ein Wunder, dass wir uns verstehen. Wir äußern uns missverständlich, interpretieren die Worte unseres Gesprächspartners, überhören das eine oder andere Wort, ziehen Rückschlüsse, haben unterschiedliche Assoziationen und Sozialisationen. Im Grunde genommen ist jedes Gespräch ein bisschen wie das Lesen im Kaffeesatz und doch gehen wir in 95 Prozent aller Situationen einfach davon aus, dass wir unser Gegenüber richtig verstanden haben und auch unser Gegenüber uns richtig versteht. Einfach so! Zumindest tun wir immer so, als wäre es einfach. Ist es aber gar nicht, denn Kommunikation ist etwas verflucht Kompliziertes; selbst wenn Person A und Person B die gleiche Sprache sprechen.
Machen wir das Spiel einmal ein wenig spannender und nehmen noch eine weitere Komponente dazu: die Körpersprache. Durch körpersprachliche Signale zeigen wir, wie wir zu etwas stehen. Bei Ablehnung verschränken wir die Arme, ziehen uns zurück oder machen abwehrende Gesten mit den Händen. Doch welche Signale senden Menschen aus, wenn sie in Kauflaune sind? Der Kunde entspannt sich, denn er hat seine Entscheidung getroffen und fühlt sich wohl damit. Gut zu sehen ist das im Gesicht, bei der Muskulatur am Hals oder Nacken. Zusätzlich setzt sich der Kunde aufrecht hin und häufig weiten sich die Pupillen etwas, die Augen fangen an zu glänzen.
Die Fähigkeit, Menschen zu überzeugen und zu beeinflussen zieht sich wie ein roter Faden durch unser Leben und entscheidet darüber, ob wir erfolgreich oder erfolglos sind. Um allerdings Menschen überzeugen zu können, müssen wir entsprechend kommunizieren. Sprache ist die wichtigste Möglichkeit, menschliche Erfahrungen auszudrücken und sich miteinander zu verständigen. Da wir zur Mitteilung unserer Erfahrungen meistens die verkürzte Variante nutzen, bleiben gewisse Äußerungen auf der Strecke. Um das Gehörte zu verstehen, ergänzen wir unbewusst die nicht geäußerten Äußerungen. Das jedoch führt zu Missverständnissen bei der Kommunikation. Wir tilgen (Teile der Informationen werden ausgeblendet, unserer Wahrnehmung ist unvollständig), verzerren (Informationen eines Satzes und unsere Wahrnehmung werden so uminterpretieren, wie es für uns richtig scheint) und generalisieren (Einzelerfahrung werden auf alle zukünftigen ähnlichen Erfahrungen übertragen). Und dann wundern wir uns auch noch, wenn wir uns nicht verstehen…
Eine Erklärung dafür ist das Meta-Modell, ein linguistisches Modell der Sprache. Wir nehmen unser Umfeld mit unseren Sinnen unvollständig wahr. Unsere Vorstellung von der Welt (die Landkarte) ist nicht mit der Realität (dem Gebiet) identisch. Was uns andere in ihren Worten erzählen, gibt für sie zwar sicherlich einen Sinn, wir wissen aber nicht, in wie weit wir sie wirklich verstanden haben. Das Meta-Modell begünstigt die innere Haltung des Neugierigseins und das Nachfragens. Dieses immerwährende auf den Punkt kommen und dabei Weggelassenes finden, Verallgemeinerungen konkretisieren und Phantasiertes erkennen, ist die beste Methode, unsere Kommunikations- und Überzeugungskraft täglich wachsen zu lassen.