Fachartikel, 06.10.2010
Perspektive Mittelstand
Unternehmensvision
Vom unternehmerischen Grundmotiv zur Strategie
Die Idee ist simpel: Habe ich als Unternehmer mein Grundmotiv gefunden, dann kann ich eine zu meinem persönlichen Grundmotiv passende Unternehmensvision und Unternehmensstrategie entwickeln.

Unternehmer, deren Unternehmensvision und –strategie auf einem persönlichen Grundmotiv basiert, betreiben ihr Unternehmen nicht, um möglichst viel Schmerzensgeld zu erhalten, sondern weil es sie als Unternehmer erfüllt und dieses einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leistet. Folge ich als Unternehmer nämlich bei meinem Handel meinem Grundmotiv, dann suche ich eine dazu passende Zielgruppe, die dieses Grundmotiv teilt. Einfach weil man sich besser und intuitiver versteht. Und weil dieses Verständnis des Kunden für die Strategie und die Weiterentwicklung der Strategie Match entscheidend ist.  Weiter suche ich mir Mitarbeiter, die ebenfalls dasselbe Grundmotiv teilen. Das ist wichtig im Hinblick auf einen gemeinsamen Sinn und vor allem auch darauf, dass auch die Mitarbeiter ein gutes Verhältnis zum Kunden brauchen. Ohne diesen gemeinsamen Sinn werden auch die Mitarbeiter nur wegen des Schmerzensgelds kommen – und wer diesen nicht bietet, sollte sich nicht über die Geldforderungen beklagen!

Das ist die Basis. Für Fortgeschrittene sollten auch noch Investoren/Geldgeber und (zumindest die strategisch relevanten) Lieferanten dasselbe Grundmotiv teilen.


So weit so gut, aber wie findet man das Grundmotiv?

Zuerst einmal zwei kurze Hinweise, wie man es nicht findet: Nicht, indem man aus einer Liste von Werten einen heraussucht! Und auch nicht, indem man irgendeinen Psycho-Test macht. Beides misst nämlich nicht unser Grundmotiv, sondern unser Selbstbild. Und das sind zwei sehr verschiedene Dinge! Das Grundmotiv ergibt sich viel eher aus unseren Handlungen in oder nach Schlüsselsituationen unseres Lebens. Beispiele?


Gandhi wurde in Südafrika aus dem 1.Klasse-Abteil des Zugs geworfen, obwohl er ein Ticket dafür hatte. Aber er war farbig. Dieses Erlebnis wurde für ihn zum Schlüsselerlebnis. Und von dort ausgehend begann er seinen Kampf gegen Rassismus und Kolonialismus und für Gewaltlosigkeit. Sein Grundmotiv war ein extrem stark entwickeltes Gerechtigkeitsempfinden. Auch andere wurden aus dem 1.Klasse-Abteil geworfen. Aber andere haben den Staub abgeschüttelt, vielleicht noch ein bisschen geklagt, und dann das Ereignis vergessen. Sie haben nicht gehandelt, also war die Motivation, das Motiv nicht stark genug, also kein Grundmotiv.


Oder die Geschichte von Bodo Schäfer. Mit 26 pleite, dann einen Coach genommen und innerhalb von kurzer Zeit Millionär geworden. Es sind viele andere mit 26 auch pleite. Aber es kümmert sie nicht so sehr, dass sie ins Handeln kämen. Herr Schäfer hat gehandelt und das ist ein Indiz für das Vorhandensein eines Grundmotivs. In seinem Fall finanzielle Freiheit.

Oder meine Geschichte. Im Jahre 2003 mit meiner ersten Firma in die Insolvenz geschlittert. Das machen 30.000-40.000 andere auch jedes Jahr. Die meisten bleiben liegen. Einige versuchen es erneut. Und wenige wollen wissen, wie es auch anders geht. Ich lernte wie ein Irrer, nahm mir einen Coach und versuchte es erneut. Dahinter könnten verschiedene Grundmotive liegen: Immer wieder aufstehen, lernen und wachsen, Träume verwirklichen wollen, sich nicht von der Situation klein kriegen lassen etc. Manchmal lässt sich das zu Beginn nicht so trennscharf sagen. Aber das ist auch egal: Andere Grundmotive scheiden erst mal aus: Genuss, Sicherheit oder Herdenverhalten waren sicher nicht meine bestimmenden Motive in der damaligen Situation.

Zu Beginn nichts Großes!

Was wir daraus lernen: Das Grundmotiv zeigt sich in oder nach Schlüsselsituationen unseres Lebens. Manchmal wirken diese Schlüsselsituationen sehr klein: Aus einem Zug zu fliegen oder mit 26 pleite zu sein oder selbst eine Insolvenz sind nicht wirklich große Situationen. Der Unterschied ist, ob uns diese kleinen Situationen zum Handeln bringen oder nicht.
Manchmal ist es so, dass man aus einer einzelnen Geschichte nur gewisse Tendenzen ablesen kann. Das macht nichts. Unser Grundmotiv findet sich in vielen Schlüsselsituationen unseres Lebens wieder. Wir müssen nur das Gemeinsame finden und damit wird das Ganze im Lauf der Zeit schärfer.

Grundmotive können auch in sehr unterschiedlichen Begriffen beschrieben werden. Hilfreich sind hierfür Modelle wie zum Beispiel die Limbic Map von Häusel, das Bedürfnismodell von Tony Robbins oder selbst antiquiertere Konzepte wie das DISG- oder HDI-Modell. Ob ich das eine oder das andere Modell nutze, ist nicht so entscheidend. Letztlich helfen uns die Modelle, den Begriff schärfer zu bestimmen.

Ein Beispiel: Man könnte bei Bodo Schäfer statt finanzieller Freiheit auch Wohlstand oder Reichtum nehmen (finanzielle Freiheit als Begriff taucht übrigens in keinem der genannten Modelle auf, was wieder zeigt, dass diese Modelle nur Anregungen geben können). Alle drei Begriffe scheinen erst einmal dasselbe zu sagen. Tun sie aber nicht: Wohlstand kann für viele auch Sicherheit bedeuten und das ist ein völlig anderes Motiv als Freiheit. Das fällt einem aber oft erst im Laufe der Zeit auf, wenn man mit seinem Grundmotiv arbeitet.

Deshalb ist oft auch die Erwartung derjenigen, die ein Grundmotiv suchen, völlig überzogen. Es ist nicht so, dass dann mit einem Schlag alles klar würde und man dann in eine Richtung rennt. Man hat lediglich ein erstes kleines Pflänzchen gezüchtet. Nehmen wir wieder Gandhi als Beispiel. Nach diesem Zugerlebnis hat er eine Reihe kleinerer Protestaktionen organisiert. Er hat Passverbrennungen organisiert. Es ging ihm um ein paar kleine Verbesserungen. Erst später begann er gegen den Rassismus im Allgemeinen zu kämpfen. Und erst noch viel später wollte er Indien befreien. Es war nicht so, dass er aus dem Zug geworfen wurde und ihm beim Abschütteln des Staubs klar wurde: „Jetzt befreie ich Indien“.
Der Punkt ist: wenn ich ein Grundmotiv gefunden habe, dann unterscheidet es sich von weniger wichtigen Motiven durch das Handeln, das daraus folgt. Und indem ich handle, setze ich einen sich selbst verstärkenden Prozess in Gang: Ich bilde damit mein Grundmotiv in seiner vollen Stärke (und mit zugehörender Vision) erst aus. In diesem Sinne findet man sein Grundmotiv nicht nur, sondern man erschafft es sich auch.

Ideal wäre…

… wenn wir bereits bei Firmengründung unser Grundmotiv kennen würden. Und eine dazu passende Vision hätten (Gandhi hätte mit demselben Grundmotiv auch für eine tolerantere Ausbildung oder andere Ziele kämpfen können – die Befreiung Indiens ist nur eine mögliche zum Grundmotiv Gerechtigkeit passende Vision).

Aber die Realität ist so, dass die meisten Unternehmen gegründet sind, 80% falsche Kunden und Mitarbeiter haben und der Unternehmer weder sein Grundmotiv noch seine Vision kennt. Und nur in den seltensten Fällen setzt man sich mal ein paar Stunden oder Tage hin und hat dann Motiv und Vision. Es ist eben ein sich selbst verstärkender Prozess: Ich beginne und verstärke im Handeln selbst die ursprüngliche Idee des Grundmotivs.

Nun erlebe ich oft, dass Unternehmer das Konzept mit dem Grundmotiv richtig gut finden und es für sich herausfinden möchten. Das ist klasse! Mit der Idee, dann, wenn sie es haben, die entsprechenden Kunden und Mitarbeiter zu wählen und dann weiter zu machen. So ist zwar der logische Zusammenhang, aber nicht der praktische!

Praktisch passiert bei diesen Unternehmern leider oft Folgendes: Sie stellen jede weitere Arbeit an ihrem Unternehmen ein, weil sie ja erst einmal ihr Grundmotiv finden müssen. Sie arbeiten nicht an der Strategie, weil man diese ja ohne Grundmotiv nicht finden kann. Und sie schaffen keine Systeme, weil sie ja nicht wissen, ob mit dem neuen Grundmotiv die geschaffenen Systeme überhaupt noch nötig sind. Mitarbeiter werden auch keine mehr eingestellt, weil man ja nicht weiß, ob die nachher noch passen. So mutiert ein tolles Konzept plötzlich zu einer behindernden Hürde.

Wie es dazu kommt? Das Motiv hinter dieser Handlungsweise ist schlicht Angst. Angst, vielleicht in die falsche Richtung zu rennen. Aber ob etwas richtig war, ergibt sich oft erst hinterher. Es gibt ein schönes Zitat des Philosophen Kierkegaard: „Das Leben wird vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden.“

Ich muss also im Voraus gar nicht unbedingt das genaue Ziel kennen. Es reicht Folgendes: Wenn ich bei jedem Schritt auch nur annähernd weiß, ob ich mich jetzt geradeaus, ein Stück nach rechts oder ein Stück nach links wenden soll, komme ich auch am richtigen Punkt an. Vielleicht nicht auf der geraden, direkten Linie - aber die ist in diesem Zusammenhang sowieso nur eine Illusion.

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ZUM AUTOR
Über Stefan Merath
Unternehmercoach GmbH
Stefan Merath leitet seit 1997 eigene Unternehmen mit bis zu 30 Mitarbeitern. 2004 startete er dann zusätzlich seine Laufbahn als Coach und verkaufte schließlich sein Software-Unternehmen im Jahr 2007, um sich ganz dieser Berufung zu widmen. Die Umwandlung seiner Beratung zur Unternehmercoach GmbH erfolgte im selben Jahr, und heute beschäftigt die GmbH vier Unternehmercoaches. Der Experte für die Überwindung der zweiten unternehmerischen Wachstumshürde (dem Übergang vom Selbständigen zum Unternehmer) berät mit seinem Team ausschließlich Unternehmer durch eine Kombination aus eigener unternehmerischer Erfahrung und Personal Coaching. Er selbst ist als Vortragsredner, Seminarleiter, Coach und Autor aktiv. Der Diplom-Soziologe hat zahlreiche Coaching- und Positionierungsweiterbildungen absolviert. Er ist Autor des Buches "Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer. Wie Sie und Ihr Unternehmen neue Dynamik gewinnen" und veröffentlicht regelmäßig Fachbeiträge in Presse und Internet. Er hat eine Ausbildung in der ‚Engpass-konzentrierten Strategie’, ist assoziiertes Mitglied in der ‚Beratergruppe Strategie’ und engagiert sich bei ‚KIVA’, einem Portal für die direkte Gewährung von Mikro-Krediten an Selbständige und Unternehmer in unterentwickelten Ländern.
Unternehmercoach GmbH
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