Dies macht sich auch für die Unternehmen bezahlt. Sie können auf demselben Weg, auf dem sie Kunden in ihrem Herkunftsland ansprechen, auch 450 Millionen Verbraucher in der EU erreichen. Der Internethandel macht den Europäischen Markt alltäglich, die damit verbundenen Rechtsfragen waren es lange nicht.
Mehr Rechte für Käufer und Verkäufer
Durch die erst jetzt von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Novelle des Wettbewerbsrechts hat die Europarichtlinie 2005/29/EG seit dem 12. Dezember 2007 Rechtsgültigkeit erlangt (so auch das Kammergericht Berlin KG Berlin im Januar 2008).
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wird um einen Anhang mit 30 irreführenden und aggressiven geschäftlichen Handlungen - die so genannte „Schwarze Liste“ - ergänzt. Diese sind unter allen Umständen verboten. Diese absoluten Verbote werden dem Verbraucher die Durchsetzung seiner Rechte erleichtern. Die Auflistung führt darüber hinaus zu einer größeren Transparenz. Schließlich kann der Verbraucher dem Gesetzestext unmittelbar entnehmen, welches Verhalten ihm gegenüber in jedem Fall verboten ist. Hierzu zählt unter anderem:
Hinzu kommt, dass das vor- und nachvertragliche Verhalten (zum Beispiel Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen) sowie das Unterlassen von gebotenem Tun unter gewissen Umständen wettbewerbsrechtlich relevant ist. Dem Verbraucher ist in solchen Fällen anzuraten, sich auf die Ungültigkeit des Vertrages zu berufen. Als Händler sollten Sie möglichst nicht gegen diese Punkte handeln.
Beispiel: Ein Verbraucher macht gegenüber einem Versicherungsunternehmen mehrfach schriftlich einen Anspruch aus einem Versicherungsvertrag geltend. Das Versicherungsunternehmen beantwortet diese Schreiben systematisch nicht, um so den Verbraucher davon abzubringen, seine vertraglichen Rechte auszuüben. Ein solches Verhalten ist unzulässig.
Für den Verbraucher bedeutet die Europarichtlinie 2005/29/EG zwar ein mehr an Rechten, doch bleibt deren Durchsetzung noch ungeklärt. So ist zurzeit noch offen, ob sich der Verbraucher unter Berufung auf ein gesetzliches Verbot, beziehungsweise auf Sittenwidrigkeit aus dem Vertrag lösen kann. Die Richtlinie sagt dazu in Artikel 3 Absatz 2: “Diese Richtlinie lässt das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags unberührt.“.
Soll der Kaufpreis zurückgefordert werden, bietet einem Gläubiger das Europäische Mahnverfahren eine Möglichkeit. Damit kann er schnell und kostengünstig einen Titel bekommen, wenn der Schuldner die Forderung voraussichtlich nicht bestreiten wird. Anwendbar ist die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 bei Geldforderungen. Es muss außerdem ein grenzüberschreitender Fall vorliegen, das heißt die Parteien müssen grundsätzlich in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sein.
Beispiel: Eine Studentin bestellt von München aus über das Internet ein Notebook bei einem Computerhändler in London. Bei der ersten Nutzung stellt sich heraus, dass der Prozessor langsamer ist, als im Internet angepriesen. Die Studentin widerruft sogleich den Kaufvertrag und sendet das Notebook nach London zurück. Trotz mehrerer Aufforderungen erstattet der Händler ihr den im Voraus gezahlten Kaufpreis nicht zurück.
Künftig kann die Studentin nach dem Europäischen Mahnverfahren vorgehen.
Auf einem Standardformular beantragt sie beim zuständigen englischen Gericht den Erlass eines Zahlungsbefehls. Das ist eine große Erleichterung, denn die Studentin kann ein europaweit einheitliches und einfaches Verfahren wählen und muss nicht nach der jeweiligen, einzelstaatlichen Verfahrensordnung vorgehen. Das Formular des Europäischen Mahnverfahrens ist anwenderfreundlich gestaltet. Durch Ankreuzfelder werden sprachliche Schwierigkeiten beim Ausfüllen weitgehend vermieden. Ist der Antrag der Studentin im Ausgangsfall nicht offensichtlich unbegründet, erlässt das Gericht den Zahlungsbefehl. Diesen Zahlungstitel erhält dann der Antragsgegner – hier der Computerhändler. Er hat dann die Möglichkeit, den Zahlungsbefehl entweder zu akzeptieren oder Einspruch einzulegen.
Legt der Händler innerhalb von 30 Tagen keinen Einspruch ein, erklärt das Gericht den Zahlungsbefehl automatisch für vollstreckbar.
Die Studentin kann den Zahlungstitel dann in jedem EU-Mitgliedstaat zwangsweise durchsetzen. Im Fall eines Einspruchs des Computerhändlers beginnt ein gewöhnlicher Zivilprozess. Die Kundin müsste dann genau begründen und notfalls beweisen, warum sie ihr Geld zurück möchte.
Der Antragsgegner hat also – anders als im deutschen Mahnverfahren – grundsätzlich nur eine Chance, Einwendungen gegen den Zahlungsbefehl zu erheben (so genanntes einstufiges Verfahren). Die Bundesregierung hat sich bei den Verhandlungen innerhalb der EU dafür eingesetzt, den Antragsgegner ausreichend zu schützen. Dieser Schutz wird unter anderem dadurch erreicht, dass das Europäische Mahnverfahren grundsätzlich bei dem Gericht stattfindet, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Aufenthalt hat. Das bedeutet: Wer in Deutschland wohnt, muss nicht befürchten, mit einem Zahlungsbefehl eines ausländischen Gerichts konfrontiert zu werden.
Link zu den Autoren: Rechtsanwalt Horst Leis und Co-Autor Rechtsanwalt Christian Lentföhr, Schuster, Lentföhr & Partner GbR
Stand: 10.06.2008