Kolumne
Beraten und verkauft, 16.03.2012
Perspektive Mittelstand
Trend- und Marktprognosen
Meinung, Mode oder stabiler Trend?
Alljährlich werden in den Wirtschaftsmagazinen sogenannte Markttrends publiziert. Berater, Trainer und Coaches, die sich bei ihrer Produktentwicklung auf diese „Trends“ verlassen, sind in der Regel – von allen guten Geistern – verlassen.
Welche Trends gibt es im Bildungs- und Beratungsmarkt? Das werden auf diesen Markt spezialisierte Marketingberater von Trainern und Beratern oft gefragt – obwohl letztere, sofern sie in einem lebendigen Dialog mit ihrer Zielgruppe stehen, eigentlich selbst am besten wissen müssten: Welcher Bedarf besteht bei meinen Zielkunden? Und: Wo wird bei ihnen folglich in absehbarer Zeit eine erhöhte Nachfrage entstehen?

Doch für viele Trainer und Berater gilt: Sie haben ihren Markt nicht scharf definiert, und sie kommunizieren zu wenig mit ihren Kunden. Deshalb sind sie immer wieder auf der Suche nach Trends, an denen sie ihre Produktentwicklung orientieren können. Auf eine entsprechend große Resonanz werden in der Szene denn auch wieder die Ergebnisse einer Befragung des Verlags managerSeminare von Trainings- und Beratungsanbietern und Unternehmen bezüglich der künftigen Bedeutung der verschiedenen Weiterbildungsthemen stoßen, die in der Zeitschrift Trainingaktuell und im Buch „Seminare 2012 – Das Jahrbuch der Weiterbildung“ publiziert wurden.

Betrachtet man die Ergebnisse der Befragung von 471 Anbietern und 72 Unternehmen, dann fallen mehrere Dinge auf. Zunächst: Nach der fachlichen Weiterbildung wurde bei der Befragung – sieht man von IT- und Rechtsthemen ab – gar nicht gefragt. Und dies, obwohl diese mit Sicherheit mehr als zwei Drittel des gesamten Volumens des Weiterbildungsmarkts ausmacht. Auffallend ist zudem: Während vor einem Jahr noch 58,3 Prozent der Unternehmen erklärten, das Thema Mitarbeiterführung habe eine hohe Relevanz, äußern sich im Jahrbuch 2012 nur noch 29,2 Prozent von ihnen entsprechend. Woher das Absinken der Nachfrage um 50 Prozent binnen eines Jahres resultieren soll, bleibt ein Rätsel. Die naheliegende Erklärung: Die Stichprobe der befragten Unternehmen ist so klein, dass die Befragungsergebnisse eher zufallsgesteuert als faktenbasiert sind – was auch bedeutsam ist für die Interpretation der anderen Ergebnisse.

Auffallend sind auch folgende Punkte: Während nur 30,6 Prozent der Unternehmen äußern, Coaching sei ein wichtiges Thema, sind bei den Anbietern 53,1 Prozent davon überzeugt. Ähnliches gilt für den Themenkomplex „Stressbewältigung/Gesundheit“. Hier sind zwar 53,1 der Anbieter der Überzeugung, diese Themen hätten künftig eine große Bedeutung, aber nur 27,8 Prozent Unternehmen – also nur halb so viele.

Sowohl für das Thema Coaching, als auch „Stressbewältigung/Gesundheit“ gilt auf Anbieterseite: Hier ist wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Hier werden die eigenen Wünsche in den Markt hinein interpretiert. Die Zahlen spielen keineswegs die Marktentwicklung und -bedeutung besagter Themen wider.

Deshalb sollten sich Trainer und Berater genau überlegen: Ist es wirklich sinnvoll, sich bei der Produktentwicklung an solchen in Studien und Befragungen ermittelten sowie in Zeitschriften publizierten Trends zu orientieren? Oder wäre es nicht zielführender, die eigenen Zielkunden zu fragen, wo es bei ihnen klemmt und wo folglich ein Bedarf besteht beziehungsweise entsteht? Aber das erfordert selbstverständlich mehr Engagement als blind auf die in Zeitschriften publizierten Trends zu vertrauen.

ZUM KOLUMNIST
Über Bernhard Kuntz
Bernhard Kuntz ist ein ausgewiesener Kenner des Bildungs- und Beratungsmarkts aufgrund seiner Tätigkeit als Redakteur des Fachmagazins 'management & seminar' (1989 bis 1992) und seiner über 15-jährigen Arbeit als Fachjournalist für Personal- und ...
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