Kolumne
Beraten und verkauft, 14.09.2010
Perspektive Mittelstand
Trainings- und Beratungsmarkt
Nach der Krise ist vor der Krise
Die Umsätze der Trainings- und Beratungsunternehmen werden im kommenden Jahr wieder steigen. Diese Botschaft hört man zurzeit von zahlreichen Branchenverbänden, wie vom Wuppertaler Kreis oder vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU).
In ihren Prognosen sagen die Branchenverbände dem Trainings- und Beratungsmarkt im kommende Jahr ein Wachstum von fünf bis zehn Prozent voraus. Ist also alles wieder gut? Können sich die Bildungs- und Beratungsanbieter entspannt zurücklehnen und so tun, also habe es die Wirtschafts- und Finanzkrise, die viele kalt erwischte, nie gegeben? Nein! Das wäre fatal! Denn Umsatz- und Preisprobleme bekamen in den zurückliegenden zwei Jahren vor allem die Anbieter, die schon zuvor „strukturelle“ Probleme hatten, die aber der boomende Markt kaschierte.

Hierzu zählen die ganz großen Beratungsunternehmen beziehungsweise -konzerne. Denn sie müssen allein schon wegen ihrer Größe permanent gigantische Auftragsvolumina und Großprojekte an Land ziehen. Sonst können sie ihre Organisation weder auslasten, noch „durchfüttern“. Entsprechend „erpressbar“ sind sie auf der Preisebene, wenn das Marktvolumen sinkt und die Zahl der Großprojekte geringer wird.

Auftrags- und Preisprobleme bekamen zudem die Einzel-Trainer und -Berater sowie kleineren Anbieter, die sich zuvor jahrelang auf einer Handvoll Stammkunden ausgeruht hatten, keine kundenorientierte Produkt(weiter-)entwicklung mehr betrieben hatten und kaum Zeit und Geld in eine systematische Marktbearbeitung investierten.

Probleme bekamen aber auch die Anbieter, die nur softe „Nice-to-have-Themen“ in ihrem Produktportfolio haben. Gleiches galt für jene, in ihren Seminaren den Teilnehmern nur 08-15-Basiswissen (zum Beispiel das kleine 1x1 des Führens oder Verkaufens) vermitteln und kein für ihre Kunden erfolgsrelevantes Spezialwissen haben, sowie für Anbieter, die sich und ihr Geschäftsfeld primär über gewisse Methoden statt Kundenprobleme definieren.

Recht wenig, bis gar keine Probleme hatten hingegen die Trainings-/Beratungsspezialisten, die sich auf klar definierte Kundenprobleme spezialisiert haben, über ein kundenrelevantes Spezialwissen verfügen und ihren Kunden echte Problemlösungen bieten.

Sie spürten die Krise oft nur in der Form, dass sie merkten: Unser Kunden sind zappeliger und nervöser. Mehr als 10-prozentige Umsatzeinbußen hatten nur ganz wenige von ihnen. Einige erhöhten in der Krise sogar ihre Umsätze und Preise.

„Krisenzeiten sind Reinigungszeiten.“ Das verkündeten viele Berater in den zurückliegenden zwei Jahren ihren Kunden. „In ihnen treten die Versäumnisse der Vergangenheit deutlich zu Tage.“ Leider vergaßen jedoch viele Berater, dass diese „Weisheit“ auch für die Beraterzunft gilt.

Deshalb werden viele Trainings- und Beratungsunternehmen vom prognostizierten Aufschwung nur bedingt profitieren. Und selbst wenn ihre Umsätze vorübergehend wieder steigen, ist es nur eine Frage der Zeit, wann sie in die nächste Krise „rattern“ – sofern sie nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.
ZUM KOLUMNIST
Über Bernhard Kuntz
Bernhard Kuntz ist ein ausgewiesener Kenner des Bildungs- und Beratungsmarkts aufgrund seiner Tätigkeit als Redakteur des Fachmagazins 'management & seminar' (1989 bis 1992) und seiner über 15-jährigen Arbeit als Fachjournalist für Personal- und ...
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