Pressemitteilung, 16.05.2007 - 13:43 Uhr
Perspektive Mittelstand
Sechs Kreuze für den Landeshaushalt: Lotto Rheinland-Pfalz wird wohl verstaatlicht – Private Wettanbieter setzen auf Osteuropa
(PM) , 16.05.2007 - Mainz/Düsseldorf - Wenn der frühere Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hoyzer in diesen Tagen seine Haftstrafe für die Beteiligung an den Spielmanipulationen der Jahre 2004 und 2005 antritt, beginnt für ihn das letzte Kapitel in Sachen Sportwetten. Andernorts sorgen diese aber nach wie vor für Diskussionsstoff und liefern den Anlass für einen wahren Gerichtsmarathon auf allen Ebenen. Im Kern geht es um den Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrages, den die Ministerpräsidentenkonferenz vorgelegt hat. In Rheinland-Pfalz bangt man angesichts des Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Union sogar um die Zukunft der Sportfinanzierung. Denn weil die Lotto Rheinland-Pfalz GmbH www.lotto-rlp.de das einzige Privatunternehmen im deutschen Lotto- und Toto-Block ist, könnte dieser Status „im Widerspruch zum geplanten Staatsvertrag stehen, mit dem das Tipp-Geschäft als Monopol des Staates gesichert werden soll“, so die Koblenzer Rhein-Zeitung www.rhein-zeitung.de. Den Ertrag für die Landeskasse aus diesem Konzessionsmodell beziffert die Zeitung auf etwa 185 Millionen Euro im Jahr 2006. „Ein Landeshaushalt ohne die Gelder von Lotto wäre heutzutage undenkbar“, bestätigte Landesfinanzminister Ingolf Deubel (SPD) bei der Feier zum 25-jährigen Jubiläum von „Lotto am Mittwoch“ Ende April in Mainz. „Dabei verwies er auf die unverzichtbaren Abgaben in Höhe von rund 40 Prozent des Lotto-Umsatzes, die Woche für Woche über die Landeshaushalte an gemeinnützige Zwecke verteilt werden können“, berichtet die Tabakzeitung www.tabakzeitung.de. Derzeit, so die Rhein-Zeitung, werde geprüft, ob das Lotto-Unternehmen, das im Besitz der drei rheinland-pfälzischen Sportbünde ist, mehrheitlich in Besitz des Landes gebracht werden müsse, um dem Staatsvertrag gerecht zu werden. „Ob jetzt eine überhastete Verstaatlichung von Lotto Rheinland-Pfalz und ein Ausscheiden der drei Sportbünde die richtige Lösung wäre, ist die Frage. Dies wäre nach allen Debatten, wie sie jetzt in Europa stattfinden, eine mehrfache Rolle rückwärts. Das Problem ist schließlich nicht erst seit gestern bekannt“, bemängelt Guido Ernst, sportpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion www.cdurlp.de/landtagsfraktion im Mainzer Landtag. Nach einem Bericht der Sportwetten-Zeitung www.sportwetten-zeitung.de regt sich mittlerweile auch Widerstand gegen die Beibehaltung des Glücksspielmonopols im Deutschen Bundestag. Peter Danckert, Vorsitzender des Sportausschusses, mahnte demnach bereits Europarechtstreue an. Der SPD-Abgeordnete ist überzeugt, „dass wir noch in der Lage sind, bei einem Kompromiss mit den privaten Anbietern auch durch Konzessionsabgaben, Lizenzgebühren oder Lenkungsabgaben einen ganz erheblichen Anteil der Überschüsse, die erwirtschaftet werden, für soziale Zwecke, Sport und Kultur abzweigen können.“ Der Dschungel aus Lobbyinteressen und juristischen, straf- und ordnungsrechtlichen Barrieren in Deutschland sei volkswirtschaftlich sehr schädlich, kritisiert Helmut Sürtenich, Vorstand des Düsseldorfer Sportwettenanbieters Stratega-Ost Beteiligungen AG www.stratega-ost.de: „Die bisherige Staatsmonopolstrategie unter dem Deckmantel der Suchtbekämpfung wirkt sich für die gesamte Wettbranche negativ aus.“ Wenn man in Deutschland auf Steuereinnahmen und neue Arbeitsplätze durch private Anbieter verzichten könne, so sei das ein Problem der deutschen Politik und Justiz. Sein Unternehmen zieht es nach Osten: „In Russland, Weißrussland oder der Ukraine legt man uns keine Steine in den Weg.“ Marktwirtschaft und Liberalismus kämen dort nicht nur in Sonntagsreden vor, sondern würden gelebt, so Sürtenich. „Die EU-Kommission hat in zwei Aufforderungsschreiben aus dem April 2006 und jetzt von Ende März 2007 grundsätzliche europarechtliche Bedenken mitgeteilt. Ich meine, die Länder nehmen dies nicht richtig ernst. Deshalb werden wir in naher Zukunft auf einen erheblichen Konflikt zusteuern: zwischen EU-Recht einerseits sowie Bundesrecht und Verabredung unter den Ländern andererseits“, prognostiziert Peter Danckert. Zwischen 800 und 1000 Wettbüros wurden innerhalb eines Jahres geschlossen. Das schätzt der Verband Europäischer Wettunternehmer (VEWU) www.vewu.com. Dazu zählte auch das Tabakwarengeschäft von Ursula Stöß im hessischen Karben, die der Tageszeitung Die Welt www.welt.de zufolge nun auf Brüssel hofft: „Das zuständige Verwaltungsgericht Gießen hat den Fall zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeleitet. ‚Der Vorlagebeschluss hat Bedeutung für die Sportwetten-Verfahren in ganz Deutschland’, sagt Roland Reichert von der Kanzlei Redeker, der die Familie Stoß vertritt“, so die Zeitung.