(PM) , 22.05.2007 - An der oberschwäbischen Barockstraße, wo sich Klöster und Kirchen wie Perlen auf einer Schnur reihen, erwartet der Besucher nicht unbedingt zeitgenössische Glaskunst aus dem 21. Jahrhundert. Doch genau ihre Wirkung ist es, die den Gast des Bildungshauses Untermarchtal vom Kloster der Barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz von Paul in ihren Bann zieht. Nicht nur materielles Elend, sondern auch die spirituelle Not zu linden, war seit jeher das Anliegen des Ordens. Bis heute unverändert gilt das Angebot zur Einkehr und Begegnung als Antwort auf die Sinnsuche der Gegenwart. So steht das Bildungshaus neben eigenen Veranstaltungen als Tagungsstätte der Allgemeinheit offen. Mit dem im Jahre 2006 abgeschlossenen Umbau wurden die Voraussetzungen für eine moderne Begegnungsstätte geschaffen. Zentrum ist der Tagungssaal mit seinen großzügigen - vom Boden bis zur Decke reichenden - Farbglas-Fenstern, die der Heilbronner Glaskünstler Raphael Seitz schuf. Der aus einem Wettbewerb hervorgegangene Siegerentwurf entstand unter der Maxime, die neu geschaffenen raumhohen Fenster nicht mit Kunst zu schließen, sondern Licht herein- und den Ausblick zuzulassen. Die dadurch erzeugte Atmosphäre beeinflusst den gesamten Raum und lässt sich am besten mit einem Leitsatz des Künstlers beschreiben: "Nicht die Sonne will ich malen, sondern die Wirkung ihres Lichtes, die Berührungen und Erwärmungen, die Kraft und die Zartheit ihres Leuchtens, den Zauber und Trost in ihr."
Mundgeblasenes Glas zur Lichtmodulation
Nicht zum ersten Mal realisierte Raphael Seitz seine Vision mit mundgeblasenen Farbgläsern, die eigens in der Glashütte Lamberts im nordbayerischen Waldsassen nach seinen Vorstellungen gefertigt wurden. Die enge Zusammenarbeit ist für beide Seiten von Vorteil und beginnt bereits bei der Entwicklung bestimmter Farbtöne und -verläufe der Glasscheiben. So bekam ein spezieller Blauton - gemischt nach den Vorstellungen des Künstlers – bei den Glasmachern die Bezeichnung "Original-Seitz-Blau" und wurde sogar in das Standardangebot aufgenommen. Für Raphael Seitz ist das reine Glas entscheidend. "Durch die Lebendigkeit und Vielfalt des mundgeblasenen Glases wird dieser Werkstoff für mich zu einem "Mal"-Untensil, mit dem ich auch feinste Nuancen ausdrücken kann", schwärmt der auch als Maler erfolgreiche Künstler, der besonderen Wert auf die Lichtmodulation legt. In Untermarchtal sammeln großzügige Opalglas-Flächen das Licht und verteilen es im Raum. Ein Effekt, der nur durch die Verwendung dieser Gläser mit Farbverlauf erreicht werden kann. Eingelegte Kontraststreifen sorgen wie die Strahlen der Sonne für Rhythmus und geben dem Ganzen eine heitere Note.
Premiere im Großformat
Eine Herausforderung war die technische Ausführung der vier 4,30 m hohen und 2,30 m breiten Panoramafenster für das Glasstudio Derix in Taunusstein. In Klebetechnik, einem Verfahren zum nahtlosen Aneinanderfügen einzelner Glasscheiben, wurden die farbigen Überfanggläser auf die Trägerscheiben aus, Isolier-Sicherheitsglas auflaminiert. Doch Uwe Hoferichter, Werkstattleiter bei Derix, und sein Team sind dafür bekannt, die Dimensionen des Machbaren immer wieder in Frage zu stellen und zu erweitern. Mit Ihrer langjährigen Erfahrung und Präzisionsarbeit demonstrierten die Glasexperten einmal mehr erfolgreich, dass auch derartige Großformate mit mundgeblasenem Glas ohne Streben möglich sind. Mit zwei großen Kränen schließlich erfolgte die Montage der über 500 kg schweren Scheiben vor Ort.
Spürbare Präsenz
Wer immer den Tagungssaal betritt, spürt die Wirkung dieser außergewöhnlichen Fenster. Die enorme Präsenz des traditionell hergestellten Glases im Zusammenspiel mit dem Licht strahlt förmlich Heiterkeit aus. Und genau diese Grundstimmung spiegelt sich im gesamten Wirken des Klosters und der Bildungsstätte wider. Auch Stephan Lamberts, Inhaber der gleichnamigen Glashütte, freut sich über die Entscheidung: "Immer mehr Bau-herren, Architekten und Glaskünstler setzen sowohl auf die Vielfalt als auch auf die unvergleichliche Leuchtkraft mundgeblasener Gläser. Bei Bildungseinrichtungen ist es neben der repräsentativen Aufwertung vor allem die Wirkung auf die Besucher, die wie ein Multiplikator für unser Produkt spricht. Ein gutes Glas wirkt unaufdringlich, behält aber seinen Charakter."
www.lamberts.de, www.derix.com, www.raphael-seitz.de