Fachartikel, 26.06.2007
Perspektive Mittelstand
Psychologie
Manipulation - beliebte Techniken im Management und Arbeitsalltag
Eine unserer größten Befürchtungen besteht darin, in unserem Verhalten von anderen beeinflusst zu werden, ohne dass wir es merken. Wie kann man sich vor Manipulationen schützen? Dipl.-Psychologe Dr. A. Kitzmann erläutert gängige Manipulationstechniken im betrieblichen Alltag und wie man ihnen begegnen kann.
Fast ein jeder erwerbstätige Mensch kenn solche Situationen: Ein Mitarbeiter hat uns zu einer Entscheidung überredet, die wir hinterher für falsch halten. Ein Vorgesetzter hat uns Arbeit aufgebürdet, die wir beim besten Willen nicht schaffen können. Und dennoch, wider unserem bessere Wissen, haben wir uns selbst in dem vorangegangenen Gespräch dazu bereit erklärt, die Arbeit zu erledigen. Auch Vorgesetzte sind davon nicht ausgenommen und werden von den eigenen Mitarbeiter dazu gedrängt, etwas zu tun, bei dem sie sich im Nachhinein sehr unwohl fühlen. Ein jeder Mensch ist jeden Tag Beeinflussungsprozessen ausgesetzt und kann sich manchmal diesen nicht entziehen.

Schnell taucht die Frage auf: Warum ließen wir uns manipulieren, von einem Anderen so beeinflussen? Warum haben wir nicht aus freier Willenskraft eine eigene Entscheidung getroffen und anders gehandelt zu haben, als wir es uns eigentlich vorgenommen hatten? Wie eine nähere Betrachtung solcher Situationen zeigt, verführen uns momentane Einflüsse, zum Beispiel das Sympathiegefühl für den Gesprächspartner, die Befürchtung, Anerkennung zu verlieren, häufig dazu, bei unseren Entscheidungen nicht alle Tatbestände zu berücksichtigen. Da unsere Umwelt so kompliziert geworden ist, fällt es uns schwer, alle Faktoren zu überschauen und einbeziehen zu können. Wir helfen uns damit, dass wir die Komplexität einer Situation auf einen oder zwei Aspekte, die uns wichtig erscheinen, reduzieren. Damit haben wir unser Denken vereinfacht, sind aber auch anfällig für Manipulationen geworden.

Was aber kann man nun tun, um sich vor Manipulation zu schützen? Der erste Schritt besteht darin, die gebräuchlichsten Manipulationstechniken kennenzulernen. Danach kann man sich Gegen-Strategien überlegen. Gehen wir zunächst auf die verschiedenen Manipulationstechniken im Einzelnen ein.

Das Prinzip der Gegenseitigkeit

Da wir in Gemeinschaften zusammenleben, sind wir aufeinander angewiesen. Das heißt, dass zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Gemeinschaft ein ständiges Geben und Nehmen erfolgt. Man hilft sich gegenseitig. Dieses Verhalten ist zum Vorteil aller.

Das Prinzip der Gegenseitigkeit kann aber auch negativ ausgenutzt werden, um andere zu manipulieren. Der Trick besteht darin, dass jemand uns einen Gefallen tut, weil er genau weiß, dass wir dann ein Gefühl des "Verpflichtetseins" entwickeln. Wir unsererseits wiederum fühlen uns verpflichtet, diesen Gefallen zu erwidern. Häufig wird später das Mehrfache als Gegenleistung zurückverlangt.

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Ein Beispiel aus dem Betriebsalltag: Ein Kollege tut uns scheinbar selbstlos einen Gefallen, indem er uns Arbeit abnimmt. In der darauf folgenden Woche hat er einen extrem hohen Arbeitsanfall und bittet uns, dass wir ihm Arbeit abnehmen. Diese Arbeit kann dann jedoch sehr schnell das Mehrfache von dem ausmachen, was er uns selbst vorher an Arbeit abgenommen hat.
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Auch Händler und Verkäufer setzen das Prinzip der Gegenseitigkeit gerne als Manipulationstechnik ein. Es handelt sich dabei um sogenannte Scheinkompromisse. Zunächst wird eine Forderung aufgestellt, die unannehmbar ist. Danach wird ein scheinbarer Kompromiss angeboten. Da der Verhandlungspartner entgegengekommen ist, erwartet er nun von dem anderen Gesprächspartner auch ein Entgegenkommen: Das Prinzip der Gegenseitigkeit kommt zum Tragen. Wer diese Situation nicht durchschaut, wird sich sehr leicht manipulieren lassen.

Die Beharrungsfalle als Manipulationstechnik

Geschickte Manipulateure nutzen dies durch die sogenannte "Fuß-in-der-Tür-Technik" aus, indem sie einen an deren dazu verleiten, einen ersten Schritt in die von ihnen gewünschte Richtung zu tun. Zu den nächster Schritten können ihre Opfer dann relativ einfach überredet werden.

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Ein Beispiel aus der Verkaufspraxis: Ein Verkäufer bittet einen Kunden den Anzug schon einmal anzuziehen um den Sitz zu prüfen. Oder: Ein Vertreter versucht, bis ins Wohnzimmer vorzudringen, um dort sein Produkt vor zustellen. Oder: Der Versandhändler bietet seinem potentiellen Kunden an das Buch unverbindlich anzufordern und zu prüfen.
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In den betrieblichen Alltag übersetzt, bedeutet dies: Der Vorgesetzte bittet seinen Mitarbeiter, sich die für ihn vorgesehene neue Aufgabe doch zunächst einmal nur anzusehen.

Die Manipulationsfalle des „Herdentrieb“

Wer andere manipulieren will, ist sich der Tatsache bewusst, dass sich Menschen sehr häufig nach anderen richten. Sie lassen sich durch die Maxime leiten, was andere tun und billigen, ist Beweis für die Richtigkeit. So sagte ein amerikanischer Verkaufstrainer auch einmal: "95 Prozent aller Menschen sind Imitatoren und lassen sich durch die Handlungen anderer Menschen beeinflussen." Ein Beispiel: In einer Arbeits-Gruppe hallen die meisten Mitarbeiter einen bestimmten eingefahrenen Arbeitsablauf für sinnvoll und richtig.

Der Freundschaftstrick als Manipulationstechnik

Ein neuer Mitarbeiter kommt in die Abteilung und ist zunächst sehr erstaunt über die seiner Meinung nach falsch organisierten Arbeitsabläufe. Der Einfluss, der von der Gruppe ausgeht, bringt ihn jedoch sehr schnell dazu, seine Meinung zu ändern. Es ist so gut wie sicher, dass er selber nach einer bestimmten Zeit die vorherrschende Gruppenmeinung überzeugt vertreten wird.

Da wir in den meisten Fällen überwiegend mit unseren Gefühlen reagieren, sind wir auch durch Ansprechen unserer Gefühle stark beeinflussbar. Die Beeinflussung kann über eine persönliche Beziehung erfolgen oder es wird versucht, durch eine gezielte Schmeichelei eine positive Atmosphäre zu schaffen, um vor diesem Hintergrund dann die eigentliche Absicht, nämlich die der Manipulation und Beeinflussung, durchzusetzen. Erfolgreich eingesetzt wird diese Manipulationstechnik vor allem im Verkauf. Daher kann nur der Tipp gegeben werden: Immer dann, wenn wir plötzlich Sympathie zu einem Verkäufer entwickeln, sollten wir uns fragen, ob nicht eine bestimmte Absicht von Seiten des Verkäufers dahintersteht.

Der Autoritätstrick als Manipulationstechnik

Unser Verhalten kann mitunter von Autoritäten und Experten beeinflusst oder gar gelenkt werden. Sicherlich haben in jeder komplexen Gesellschaft Autoritäten und Experten ihre sinnvolle Aufgabe. Dieser Status kann allerdings auch zu Manipulationen missbraucht werden, nämlich dann, wenn unsere Gutgläubigkeit für Ziele herhalten muss, die wir nicht durchschauen. Daher sei geraten, das eigene kritische Urteilsvermögen nicht außer Acht zu lassen, und zwar gerade dann nicht, wenn wir mit Experten zusammentreffen. Wir sollten in solchen Situationen unser Selbstbewusstsein behalten, die Absichten und Motive, die von Autoritäten ausgehen, hinterfragen und Behauptungen an eigenen Erfahrungen messen, um ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Das Gesetz der Knappheit als Manipulationsfalle

Manipuliert werden können wir auch immer dann, wenn ein Gut oder eine Dienstleistung als besonders knapp dargestellt wird. Gerade das, was wir nur schwer oder gar nicht bekommen können, erscheint uns besonders attraktiv.

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Beispiele: Eine begrenzte Auflage eines Buches, ein befristetes Warenangebot, eine begrenzte Teilnehmerzahl für ein Seminar, eine einmalige Gelegenheit.
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Wollen wir uns vor Manipulationen schützen, so sollten wir bedenken: Rare Dinge erscheinen uns immer besser und wertvoller als jederzeit erhältliche Dinge.

Die Macht der Wiederholung

Auch durch ständige Wiederholungen können wir manipuliert werden. So kann ein Gesprächspartner, der immer wieder eine bestimmte Tatsache äußert, durch die ständige Wiederholung die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen erhöhen. Mit der Zahl der Wiederholungen einer Behauptung wächst die Bereitschaft, die Behauptung als wahr zu akzeptieren, denn bei der Wiederholung tritt ein Bekanntheitseffekt auf, der dazu führt, daß wir eine vertraut freundliche Haltung einnehmen.

Die Bedeutung der Gefühle

Manipulation hat auch immer etwas mit "Gefühle-ansprechen" zu tun. Gefühlsregungen veranlassen uns viel stärker, etwas zu tun oder zu lassen als verstandesmäßige Einsichten; denn Gefühlsappelle unterliegen keiner kritischen Zensur und sind wirksamer als Appelle an die Vernunft.

Ein geschickter Manipulator wird zunächst versuchen, bei uns unsere Gefühle anzusprechen, um unsere Kritikfähigkeit auszuschalten. Danach wird er versuchen, sein Anliegen vorzubringen, um uns zu beeinflussen. Dies ist eine häufig zu beobachtende Vorgehensweise.

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Beispiel: Der Vorgesetzte überhäuft seinen Mitarbeiter mit Vorwürfen, um Schuldgefühle in ihm hervorzurufen. Diese Schuldgefühle führen dazu, dass die eigene Kritikfähigkeit eingeschränkt wird. Danach verlangt der Vorgesetzte von seinem Mitarbeiter, eine unangenehme Aufgabe zu erledigen.
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Der Mitarbeiter wird sich dann kaum noch wehren, da er in seinen Schuldgefühlen befangen ist. Als praktische Konsequenz könnte man daraus ableiten, dass man wichtige Entscheidungen nie aus einer emotional engagierten Situation heraus treffen sollte.

Einseitige Informationen

Häufig versucht der Manipulator auch, uns auf einseitige Informationen festzulegen. Dies geschieht dadurch, dass wir unter Zeitdruck gesetzt werden und uns so kein komplettes Bild von einer Angelegenheit machen können. Es werden nur die Dinge gesagt, die uns vermutlich schmeicheln. Wir sind in solchen Situationen um so eher bereit, dies für real zu halten, als unsere Gefühle uns veranlassen, nicht nach gegenteiligen Informationen zu suchen.

Manipulationen können natürlich auch durch bestimmte Fragetechniken vorgenommen werden. Wir werden dabei veranlasst, mehr zu erzählen, als wir eigentlich wollten. Hierzu gehört zum Beispiel die weiterführende Frage ("Und was kam danach?") oder die interjektive Frage ("So war das also?", "Tatsächlich?").

Auch das Bluffen gehört zu einer Methode, mit der uns andere beeinflussen können, ohne dass wir es merken. Hier versucht der Gesprächspartner, uns einfach etwas zu unterstellen, das gar nicht stimmt ("Wie ich gehört habe, haben Sie...").

Gegenmaßnahmen und Folgen

Sind einem die Manipulationstechniken bekannt, so kann man sich Gegenstrategien überlegen. Grundsätzlich sollte man in allen Fällen als erstes versuchen, die Situation, in der manipuliert wird, anzusprechen: "Ich habe den Eindruck, Sie wollen mich jetzt beeinflussen." Genauso kann man sich aber auch eine Gegentaktik überlegen, um die Manipulation ins Leere laufen zu lassen. Eine durchschaute Manipulation ist nämlich dann unwirksam, wenn wir uns auf die hinter der Manipulation stehende Absicht eingestellt haben. Wir wissen, dass uns jemand manipulieren will und bauen als Reaktion eine starke Abwehrhaltung auf. Zum Beispiel: "Jetzt lasse ich mich erst recht nicht umstimmen."

Durch Manipulationen wird ein echter zwischenmenschlicher Kontakt behindert. Hinter der Manipulation vermuten wir die Absicht, daß jemand unser Verhalten beeinflussen will, ohne dass wir es merken. Diese Absicht erleben wir als stark negativ und werden dementsprechend keinen Wunsch haben, mit einem solchen Menschen einen näheren Kontakt einzugehen.

Da wir in einer Gesellschaft leben, in der immer mehr Spezialwissen angehäuft wird, besteht in der heutigen Zeit vermehrt die Gefahr, daß die aus dem Spezialwissen resultierende Macht zu Manipulationen missbraucht wird. Wir sollten daher bestrebt sein, im zwischenmenschlichen Bereich Manipulationen zu vermeiden, um ein menschliches Miteinander zu ermöglichen.

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ZUM AUTOR
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