idTGV, Tochterunternehmen der französischen Bahn, möchte schlechten Gastronomieservice auf den Schienen hinter sich lassen. Und das mit Hilfe von Acteos, einem Anbieter für Prognosesoftware. Paul Sessego, CEO von idTGV, spricht im Interview darüber.
(PM) Gilching, 10.07.2013 - Laurène de Vialar: Beschreiben Sie bitte die Problemstellung, mit der Sie im Bereich der Eisenbahnrestauration zu kämpfen hatten. Was war Ihre Strategie um diesen Problemen Herr zu werden?
Paul Sessego: Der Kunde steht bei uns klar im Mittelpunkt und die Kundenzufriedenheit in unserem Unternehmen ist überdurchschnittlich hoch. Einziger Wermutstropfen in diesem Bereich ist unser Gastronomieangebot. Hier waren in der Vergangenheit lediglich 41 % der Reisenden zufrieden mit dem Angebot. 33 % unserer Kunden kennen das Gastronomieangebot nicht einmal. Genau betrachtet handelt es sich bei diesem Service ausschließlich um einen Kostenfaktor. Wir mussten daher unbedingt unsere Gastronomie an Bord der Züge neu gestalten. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden die drei folgenden wichtigen Dinge umzuorganisieren:
1. Kontinuierlich frische Produkte an Bord der Züge anbieten: Tagesfrische Belieferung der Züge.
2. Eine neue Logistiklösung implementieren: Bisher erfolgte die Beladung ausschließlich in Paris. Jetzt beladen wir zusätzlich in weiteren Regionen, um permanente Frische und Verfügbarkeit zu garantieren.
3. Verantwortung für die Restauration wieder selbst übernehmen: Das Franchise-Geschäftsmodell der Vergangenheit wird abgeschafft.
Um diese Neuerungen umzusetzen, musste idTGV sowohl einen geeigneten Lebensmittellieferanten als auch einen Lösungspartner für den Bereich der Absatzprognose und Bestandsoptimierung suchen.
Laurène de Vialar: War es im Rahmen des Projektes notwendig, speziell auf Ihr Unternehmen angepasste Software zu entwickeln?
Paul Sessego: Die große Herausforderung war es, aus den Daten der Abverkäufe der Vergangenheit valide Verkaufsprognosen abzuleiten. Hierbei mussten außerdem die Fahrpläne, die saisonalen Besonderheiten und die Vorbestellungen bei den Lieferanten berücksichtigt werden. Wir haben deshalb nach einer Softwarelösung gesucht, die in der Lage ist, alle genannten Faktoren bei einer Prognose zu berücksichtigen und aus den gesammelten Daten Bestellvorschläge für jeden einzelnen Zug abzuleiten.
Wir haben uns für Acteos als Anbieter einer Prognosesoftware entschieden, um dieses im Eisenbahnbereich völlig neuartige Projekt umzusetzen. Die angebotene sehr flexible Lösung konnte extrem gut an unsere Bedürfnisse und Prozesse angepasst werden.
Nachdem wir im September 2012 die neue Strategie definiert hatten, konnten wir am 20. November 2012 damit beginnen, das neue Restaurationskonzept schrittweise umzusetzen. Seit Anfang April 2013 läuft die Acteos Software in unseren Zügen und wir sammeln erste Erfahrungen.
Laurène de Vialar: Welche konkreten Softwarelösungen wurden eingesetzt?
Paul Sessego: Wir haben die Lösung PPOS (Procurement for Points Of Sale) von Acteos gewählt um die Abverkäufe in den Zügen zu prognostizieren.
Die Lösung basiert auf einer selbstlernenden Prognose-Engine, die die historischen Abverkäufe berücksichtigt und alle direkten oder indirekten Ereignisse, die das Verhalten unserer Kunden und den Lagerbestand beeinflussen mit einberechnet.
Die Prognosesoftware speichert alle externen Faktoren, um die Lebensmittelmengen zur Versorgung der Züge zu optimieren. Im Laufe der Zeit werden wir so immer mehr Einflussfaktoren auf den Konsum im Speisewagen identifizieren. Unter Berücksichtigung der Haupteinflussfaktoren werden wir dann versuchen, alle konsumrelevanten Zusammenhänge aufzudecken um somit möglichst exakte Prognosen zu treffen. Außerdem möchten wir so die Bestellmengen optimieren und vermeiden, dass Lebensmittel unnötig weggeworfen werden oder Fehlartikel entstehen. Die Produkte werden morgens hergestellt und nach fünf Stunden in den ersten Zug verladen, der sechs Stunden nach Herstellung losfährt. Da die Bestellungen bereits am Vortag erfolgen, müssen wir in der Lage sein, eine gute Vorhersage zu treffen.
Laurène de Vialar: Inwieweit ist die Lösung bereits implementiert?
Paul Sessego: Wir werten gerade die historischen Daten aus. Dabei wird das System optimiert und angepasst sowie die beste Prognosemethode gewählt. Wir hoffen, innerhalb eines Jahres eine ausgezeichnete Analyse zu realisieren, um die strategische Planung möglich zu machen. Wir hatten vorher kein eigenes IT-System und keine zuverlässige Datenbasis, um Prognosen treffen zu können. Wir führen all diese Dinge ein, um unseren Service zu verbessern.
Laurène de Vialar: Was sind die langfristigen Ziele?
Paul Sessego: In drei Jahren wollen wir die Kundenzufriedenheit im Speisewagen von 41% auf 80 % erhöhen und möchten, dass sich der angebotene Service auch einigermaßen wirtschaftlich trägt. Den Umsatz würden wir dabei gern verdoppeln. Da unsere Transportleistungen auch im Internet angeboten werden, wollen wir unseren Gastronomieservice ebenfalls online anbieten, damit die Kunden in Ruhe im Vorfeld auswählen und ihr Essen und ihre Getränke zusammen mit der Fahrkarte vorab kaufen können. Wir implementieren gerade neue Prozesse, die in der Geschichte der Eisenbahn vorher noch nie umgesetzt worden sind.