Pressemitteilung, 25.08.2006 - 10:49 Uhr
Perspektive Mittelstand
Plansecur-Studie: Finanzexperten halten Zusammenbruch des Sozialversicherungssystems für möglich - Deutschlands wohlfahrtsstaatlicher Zwangsapparat und die ungezügelten Versprechungen der politischen Klasse
(PM) , 25.08.2006 - Wiesbaden/Bonn, www.ne-na.de – Der demografische Wandel wird in absehbarer Zeit erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland haben. Deutsche Finanzexperten erwarten, dass unser Sozialversicherungssystem trotz bereits erfolgter Reformen künftig vor massiven Problemen stehen wird. Eine aktuelle Studie der Finanzberatungsgesellschaft Plansecur www.plansecur.de ergab, dass 71 Prozent der befragten Finanzberater einen vollständigen Zusammenbruch des Sozialversicherungssystems für möglich halten. „Lediglich fünf Prozent glauben an dessen Fortbestehen“, berichtet Thibaut Liminski, der in Wiesbaden für die Plansecur berät. Andere Auswirkungen des demografischen Wandels auf Wirtschaft und Gesellschaft werden wie folgt bewertet: 73 Prozent der Finanzexperten nehmen an, dass die Bevölkerungszahl spürbar zurückgehen wird. Fast jeder zweite der Befragten (45 Prozent) glaubt, dass es zu einem Generationenkonflikt kommen kann. Die Wirtschaftskraft in Deutschland wird nach den Ergebnissen der Studie in den nächsten 20 Jahren aber nicht zurückgehen. „Nur 26 Prozent der Befragten meinen, dass die Produktivität auf Grund weniger junger Arbeitnehmer sinken wird“, sagt Liminski. Die Beschäftigung mit den Folgen des demografischen Wandels ist aus Sicht der Befragten sehr wichtig. Auf die Frage „Was werden die wichtigsten politischen Aufgaben der nächsten 20 Jahre sein?“ antworteten 89 Prozent: den demografischen Wandel in den Griff zu bekommen. Dass die Sozialversicherung und besonders die gesetzliche Rentenversicherung sich zu einem wohlfahrtsstaatlichen Sprengsatz entwickeln würden, war schon bei der ersten Renten-Reform 1957 absehbar und wird bis heute von der politischen Klasse ignoriert. "Damals musste die Politik berücksichtigen, dass die Generation, die in den 50er und 60er Jahren ins Rentenalter kam, kaum Gelegenheit hatte, während ihres Erwerbslebens individuell für ihr Alter vorzusorgen. Zwei Kriege und ihre Nachwirkungen hatten das Vermögen der meisten Privathaushalte vernichtet und neues Vermögen nicht entstehen lassen. Das Geldvermögen aller privaten Haushalte lag nur bei rund 10 Milliarden Euro, was einem Betrag von 500 Euro pro Haushalt entsprach. Ähnlich gering war die Versorgung mit mobilen und immobilen Gütern. Auch die Spartätigkeit stand erst am Anfang. Der Durchschnittshaushalt sparte damals jährlich 80 Euro, das waren drei Prozent des verfügbaren Jahreseinkommens. Das waren die Hauptmotive für die Einführung des Umlageverfahrens und des dynamischen Rentensystems, um auch den Rentenempfänger am wirtschaftlichen Aufschwung zu beteiligen. Statt Rücklagen zu bilden, wurden von den Zwangsmitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung anfangs 15 Prozent des Bruttolohnes abgeführt und sofort für Rentenzahlungen verwendet", schreibt der Bonner Wirtschaftsjournalist Gunnar Sohn in der Printausgabe der Zeitschrift NeueNachricht www.ne-na.de zum Schwerpunktthema "Deutschland schrumpft". Das führte zu einer drastischen Rentenerhöhung und ermöglichte es, die Rentenhöhe fortan dynamisch an die Bruttolohnentwicklung zu koppeln. "Freilich hatte es den Nachteil, dass seither keinerlei Rücklagen mehr gebildet wurden - jede Generation finanziert faktisch mit ihren Beiträgen nicht ihre eigene Altersversorgung, sondern die der eigenen Eltern und Großeltern. Die Reform beruhte maßgeblich auf einer höchst umstrittenen Studie des Kölner Wirtschaftswissenschaftlers Wilfried Schreiber, dessen Konzept allerdings nur unvollständig umgesetzt wurde. Schreiber hatte vorgesehen, die für den Fortbestand des Systems unabdingbare Förderung der Geburtenrate in das System einzubeziehen, unter anderem durch eine Kinderrente und eine Beitragsverdoppelung für Kinderlose. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer entschied sich gegen solche Komponenten und lag damit im Widerspruch zu seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard und zu den ordoliberalen Architekten der Sozialen Marktwirtschaft", so Sohn. Das allmähliche Umschlagen der Marktwirtschaft in einen Wohlfahrtsstaat, beschleunigt durch populistischen Wahlversprechen zur Bundestagswahl 1957, erzürnte vor allen Dingen den Ökonomen und Erhard-Berater Wilhelm Röpke: „Je mehr nun aber dieses Prinzip des Wohlfahrtsstaates ausgedehnt wird, um so näher rückt der Augenblick, da die riesige Pumpmaschine zu einer Täuschung für alle wird, zu einem Selbstzweck, der eigentlich niemanden mehr dient außer den davon lebenden Maschinisten, die natürlich alles Interesse daran haben, die Täuschung nicht ruchbar werden zu lassen“. Schon im Frühjahr 1956 legte Röpke seine Einsprüche vor: Die generationenübergreifende Umlagefinanzierung, wie sie Adenauer vorschwebe, verstopfe die Quellen der Kapitalbildung, leiste dem wirtschaftspolitischen Expansionismus Vorschub und sei nichts anderes als eine Zwangsversorgung. Nachdrücklich sprach er sich für ein kapitalgedecktes System aus, das einen wesentlichen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Kapitalbildung leisten könne und damit seine eigenen Grundlagen sichere. Anstelle des populären Prinzips der kollektivistischen Fremdvorsorge forderte eine Verbreiterung der Eigen- und Gruppenvorsorge. Die Forderung nach einer abstrakten „Solidarität der Generationen“ wies er zurück: „Ihr Fehler besteht darin, das Struktur- und Moralprinzip der Familie von dieser echtesten aller Gemeinschaften auf die im Staate organisierte Gesellschaft als Ganzes zu übertragen, auf die es nicht anwendbar ist, ohne sich in etwas ganz anderes, nämlich in Kollektivismus, zu verwandeln.“ Die ungezügelten Versprechungen des Staates würden einen gewaltigen Zwangsapparat hervorbringen, dessen ökonomische Ergebnisse eher früher als später enttäuschen müssten. "Der um seinen Wahlsieg bangende Kanzler Adenauer scherte sich um solche Mahnungen wenig und setzte genau das durch, was Röpke als kollektive Zwangsversicherung geißelte. Der in dieser Zeit politisch geschwächte Ludwig Erhard stimmte dem Umlagesystem nur unter der Bedingung zu, dass die Bürger auch zur Eigenvorsorge angehalten würden. Leider war dafür der Anreiz nicht sehr hoch. Die Fördersummen in der privaten Vorsorge sind bis heute sehr gering, zu zersplittert und erlauben kaum eine zielgerichtete Vorsorge, wenn man einmal von Lebensversicherungen absieht, die jedoch keinesfalls als Synonym für private Vorsorge gesehen werden dürfen", führt Sohn weiter aus. Das Magazin NeueNachricht erscheint vierteljährlich. Das Einzelheft kostet 8,20 Euro. Bestellungen über die Onlineformular rechts auf der Webseite, per Fax unter 0228 – 620 44 75 oder E-Mail: baerbel.goddon@sohn.de.: