Kolumne
BrandStifter, 04.11.2009
Perspektive Mittelstand
PR-Beichten
Warum wir das Haarteil lieber im Schrank lassen sollten
Immer wieder bekennen sich bekannte Persönlichkeiten öffentlich zu Verfehlungen aus ihrer Vergangenheit. Einige tun es, weil sie sich dazu gezwungen sehen, andere, um nach Jahren der Abwesenheit erneut die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu gewinnen. Aber nur die Wenigsten tun sich und ihrem Ansehen damit einen Gefallen.

Am 9. November erscheint die Biographie des ehemaligen amerikanischen Tennisprofis, mehrmaligen Grand-Slam-Gewinners und Olympiasiegers Andre Agassi. Bereits Tage vor der Veröffentlichung machen pikante Details in der Tagespresse die Runde. Allen voran Agassis Geständnis, 1997 Drogen konsumiert zu haben, um seine Leistungsfähigkeit zu steigern und dadurch ein Comeback zu schaffen. Die Tatsache, dass er nach einem positiven Dopingtest angegeben hat, aus Versehen aus einem fremden Glas getrunken und damit die Drogen unwissentlich zu sich genommen zu haben, gibt der Sache einen zusätzlichen, bitteren Beigeschmack. Warum, so fragen wir uns, geht er damit nach all den Jahren an die Öffentlichkeit? Und wie sind solche Geständnisse aus der Sicht der Selbst-PR zu werten?

Beichten, in denen anerkannte Persönlichkeiten ihre Verfehlungen an die Öffentlichkeit zerren, schaden den Betroffenen meist mehr, als dass sie ihnen oder der Allgemeinheit nützen. Es gibt nur zwei Situationen, in denen ein öffentliches Bekenntnis sinnvoll ist: Zum einen, wenn die betreffende Person noch im Amt ist und einer Enthüllung durch andere zuvorkommen will. Wer einen Fehltritt begeht und diesen als solchen erkennt, sollte besser gleich mit der Wahrheit herausrücken und nicht erst versuchen, mittels einer Lüge seine Haut zu retten. Wie haben die Menschen reagiert, als ihnen klar wurde, dass Bill Clinton sie bezüglich seiner Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky belogen hat? Entrüstet. Insbesondere, da Clinton seinen Brand auf Integrität und Vertrauenswürdigkeit aufgebaut hatte. Es war sein Glück, dass er so unglaublich populär war, sonst hätte er diese Lüge wohl nicht heil überstanden.

Besser gemacht hat es der amerikanische Talkmaster David Letterman. Nachdem er wegen sexueller Beziehungen zu Mitarbeiterinnen erpresst wurde, hat er die Flucht nach vorne angetreten und seine Verfehlungen in einer Sendung gebeichtet. Das hat ihm zwar kurzzeitig den Zorn des Publikums und den Spott seiner Kollegen eingebracht, der Popularität seiner Sendung hat sein Geständnis jedoch nicht geschadet. In den meisten Fällen wiegt eine Lüge in unserer Wahrnehmung weit schwerer als das eigentliche Vergehen: Wir gestehen anderen zu, einmal einen Fehler zu machen. Wer dann aber feige oder dumm genug ist, diesen Fehler zu vertuschen und die Öffentlichkeit anzulügen, verliert seine Glaubwürdigkeit und das in ihn gesetzte Vertrauen.

Die zweite Situation, in der wir eine Verfehlung zugeben sollten ist, um andere vor dem gleichen Fehler zu bewahren. Drogenkonsum und seine Folgen sind dafür ein treffendes Beispiel. Kann jemand glaubhaft vermitteln, dass er seinen Drogenkonsum bereut und junge Menschen vor den schädlichen Auswirkungen von Drogen bewahren möchte, bewundern wir seinen Mut und seine Offenheit und sehen ihm seine Verfehlung vielleicht sogar nach. Dies ist im Fall von Andre Agassi aber gerade nicht der Fall. Denn sein Bekenntnis steht in keinem Zusammenhang mit einer allfälligen Drogenprävention, sondern dient einzig dazu, seine in Kürze erscheinende Biographie zu vermarkten. Es ist ein Schrei nach Aufmerksamkeit, eine plumpe Werbemassnahme, die auch vor der Demontage der eigenen Person und des eigenen Erfolgs nicht Halt macht. Dieser Trick ist nicht neu. 2006 hat der deutsche Schriftsteller Günter Grass vor Erscheinen eines neuen Buches enthüllt: „Ich war Mitglied der Waffen-SS“ und sich damit ins Gespräch gebracht.

Bei Andre Agassi kommt es jedoch noch schlimmer. Denn nach der Drogenbeichte folgt die Haarbeichte, laut der seine Löwenmähne – und damit sein langjähriges Markenzeichen – nichts anderes war als ein mit Klammern befestigtes Haarteil. Und dass er den Sieg bei einem Grand-Slam-Tournier verschenkt hat, nur aus Angst, sein Haarteil auf dem Center Court zu verlieren. Soviel Offenherzigkeit von einem Champion ist wahrlich mehr, als wir ertragen.

Das Ziel, seine Biographie bekannt zu machen, hat Andre Agassi mit seinen bizarren Geständnissen erreicht. Einen Gefallen hat er sich dabei aber nicht getan. Denn wessen Absichten so durchschaubar sind, wer so verzweifelt die Aufmerksamkeit sucht und sich dabei selber in diesem Masse demontiert, bringt sich zwar kurzfristig ins Gespräch, erntet langfristig jedoch nur Kopfschütteln und Mitleid. Wie das von Tenniskollege Roger Federer, der befragt zu Agassis Drogenkonsum konsterniert meinte: „Es war schon ein Schock, so etwas zu hören. Ich bin etwas enttäuscht und hoffe, dass es ihm wenigstens gutgetan hat, damit herauszukommen.“

ZUM KOLUMNIST
Über Dr. Petra Wüst
Petra Wüst ist Expertin für Self Branding und Selbst-PR. Sie leitet das Beratungsunternehmen Wüst Consulting in Basel und ist international als Referentin, Trainerin und Coach tätig. Zudem unterrichtet die Ökonomin und Psychologin an mehreren Hochschulen. Ihre ...
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