
Sicherlich hat sich so manche(r) Arbeitnehmer/-in nach Zugang einer arbeitgeberseitigen Kündigung schon gefragt, ob nicht letztlich das eigene Alter ausschlaggebend für die Kündigung war. Sofern die Kündigung jedoch mit allgemeinen, betrieblichen Gründen begründet wurde und diese auch nicht von der Hand zu weisen waren, sah es nicht gut aus. Jetzt gibt es eventuell neue Perspektiven.
Das Verbot der geschlechtsbezogenen Benachteiligung wurde im AGG um zahlreiche weitere Benachteiligungsgründe ergänzt. Unter anderem dürfen nun Arbeitnehmer(innen) nicht wegen ihres Alters unmittelbar oder mittelbar benachteiligt werden. Das bedeutet, dass sämtliche Abläufe im Unternehmen auf eine mögliche Benachteiligung hin überprüft werden müssen, einschließlich etwaiger Betriebsvereinbarungen.
Doch was ist im Falle einer Kündigung? In § 2 Absatz 4 AGG heisst es: “Für Kündigungen gelten ausschliesslich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz”. Dies bedeutet zunächst, dass die Benachteiligungsverbote des AGG für den Fall der Kündigung nicht unmittelbar gelten. Nun hat jedoch erstmals ein deutsches Arbeitsgericht die Regelung in § 2 Absatz 4 AGG für europarechtswidrig erklärt.
Das Arbeitsgericht (ArbG) Osnabrück (Urteil vom 05.02.07, Aktenzeichen 3 Ca 778/06) hielt eine Kündigung gegen einen älteren Arbeitnehmer für unwirksam, da die Kündigung an den Benachteiligungsverboten des AGG zu messen sei. Grund hierfür ist, so die Richter, dass mit dem AGG eine EU-Diskriminierungs-Richtlinie umgesetzt wurde, die sich gerade auch auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen beziehe. Damit liegt eine erste Entscheidung zur kontrovers diskutierten Frage vor, ob Arbeitgeber bei Kündigungen neben den Einschränkungen des Kündigungsschutzgesetzes auch die Antidiskriminierungsregeln des AGG beachten müssen.
Der Fall: Der Arbeitgeber hatte Massenentlassungen beschlossen und gemeinsam mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter vereinbart. Die Sozialauswahl wurde nach Altersgruppen durchgeführt. Innerhalb der einzelnen Altersgruppen wurden jeweils prozentual gleich viele der sozial am wenigsten Schutzbedürftigen gekündigt. Damit wollte der Arbeitgeber eine ausgewogene Altersstruktur im Unternehmen beibehalten und eine Überalterung der Belegschaft verhindern.
Der klagende Arbeitnehmer war der Ansicht, die Sozialauswahl sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, weil die Bildung von Altersgruppen eine unzulässige Altersdiskriminierung darstellen würde. Die Kündigung sei aus diesem Grund unwirksam. Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass die Vorschriften des AGG nicht für Kündigungen gelten und dass die Sozialauswahl wegen des Interessenausgleichs mit Namensliste vom Arbeitsgericht nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar sei (§ 1 Absatz 5 Kündigungsschutzgesetz).
Das ArbG Osnabrück hat dem Arbeitnehmer Recht gegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt. Nach der Ansicht des Gerichtes ist der Interessenausgleich des Sozialplans wegen unzulässiger Altersdiskriminierung nach § 7 Absatz 2 AGG unwirksam. Die Sozialauswahl war damit nicht korrekt durchgeführt und die Kündigung unwirksam. Damit wendet das ArbG Osnabrück die Vorschriften des AGG auf die Kündigung an, obwohl § 2 Absatz 4 AGG ausdrücklich die Geltung des AGG für Kündigungen ausschließt.
Der deutsche Gesetzgeber wollte mit Erlass des AGG unter anderem die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 in nationales Recht umsetzen. Nach dieser europäischen Richtlinie gilt der Diskriminierungsschutz auch für Kündigungen. Die Umsetzung des Diskriminierungsschutzes im AGG ist damit unvollständig und europarechtswidrig. Man darf gespannt sein, ob die übrigen Arbeitsgerichte künftig diese Sichtweise teilen.
Stand: 10.05.2007