Neue Projektkultur gefragt
Erfolg erfordert eine ganzheitliche Vision
Team- statt Konkurrenzkultur, so muss das Leitprinzip in Unternehmen lauten (Bild: panthermedia.net / Dmitriy Shironosov)
Der Projektmanager erhält von seinem Chef den Auftrag, ein Projekt zu managen. Die dafür erforderlichen Ressourcen erhält er jedoch lediglich theoretisch. Während der Laufzeit des Projekts ist er gezwungen, um Ressourcen zu kämpfen, auch gegen andere Projekte. War der Kampf erfolgreich, nimmt er anderen Projekten notwendige Ressourcen weg. Dadurch verlangsamen sich eben jene, ein anderer Projektmanager ist der „Verlierer“ und wird versuchen, seinerseits wiederum Ressourcen zu erstreiten. Projektmanager sehen sich dem ständigen Beschaffen und Halten der Ressourcen ausgesetzt, um nicht auf den „Verlierer“-Posten abzufallen.
Stets werden dem Ressourcenmanager (Gruppen-/ Abteilungsleiter) mehr Ressourcen abverlangt, als er zur Verfügung stellen kann. Egal wie er die Ressourcen vergibt, welchen Projekten er wie viel zuteilt, die übrigen „gehen leer aus“ oder „verlieren“. Jede Entscheidung des Ressourcenmanagers hinterlässt gemischte Eindrücke. Der oder die „Verlierer“ im Ressourcen-Poker sind nicht gut auf ihn zu sprechen.
Immer wieder liegt es am Topmanager, Entscheidungen hinsichtlich der Priorität zwischen Projekten zu treffen, die alle wichtig sind. Seine Organisation scheint offenbar nicht in der Lage zu sein, sich selbst zu steuern. Ein Projekt, das gestern noch gut vorankam, steckt plötzlich fest und Schlüsselressourcen werden an anderer Stelle benötigt.
An Produktivität ist vor dem Hintergrund derart immenser Konfliktpotentiale und egozentrischer Sichtweisen nicht zu denken. Der Kampf um Ressourcen beziehungsweise die Bearbeitung daraus resultierender Schwierigkeiten rauben Energie und Zeit – sowohl auf Seiten der Projekt-, Ressourcen- als auch Topmanager. Projekte befinden sich im Leerlauf, weil die just in diesem Moment benötigten Ressourcen an etwas anderem arbeiten. Das gegenseitige Misstrauen der verschiedenen Bereiche hemmt einerseits die Zusammenarbeit, andererseits birgt es die Gefahr der gegenseitigen Blockade bis nahe hin zum Stillstand. Es liegt in der Verantwortung des Topmanagements, allen Projekten die Ressourcen zu geben, die sie brauchen, um jene Aufgaben, welche sie im Auftrag des Topmanagements erfüllen sollen, auch erfüllen zu können. Und zwar dann und in dem Umfang, wie sie benötigt werden. Kein Ressourcen- und kein Projektmanager kann diese Verantwortung übernehmen. Sie können lediglich versuchen, die Schwierigkeiten abzumildern.
Einzelprojekt contra Unternehmenserfolg
Eine der Todsünden im Multiprojekt-Umfeld besteht darin, ein Projekt so zu managen, als wäre es ein Einzelprojekt. Nahezu jede Entscheidung, jede Handlung innerhalb eines Projekts hat Auswirkungen auf andere Projekte und damit letztendlich auf die Organisation. Was im Einzelnen gut ist, kann schlecht für andere Projekte und das Unternehmen sein:
- Um Kosten für das Projekt zu sparen, besteht der Projektmanager darauf, den besten, ergo schnellsten Mitarbeiter für eine bestimmte Aufgabe zu bekommen.
- Um so schnell wie möglich fertig zu werden, wird das Projekt so früh wie möglich gestartet.
- Um eine Verzögerung aufzuholen, sorgt ein Projektmanager dafür, dass Mitarbeiter Aufgaben in anderen Projekten unterbrechen.
Aller Anfang ist auch im Projektmanagement schwer
Es mag paradox klingen: Anfangen ist eines der größten Probleme im Multiprojekt-Geschäft. Ausgangspunkt ist der typische Kampf um Ressourcen, welcher die Durchlaufzeiten signifikant verlängert. Und – zumindest für einen bedeutenden Teil der Aufträge – Verspätungen erzeugt. Unter diesen Verspätungen leiden externe und interne Kunden wirtschaftlich und im Ansehen. Der jeweilige Projektmanager wird durch den Kunden sowie durch seinen eigenen Chef für die Verspätungen verantwortlich gemacht, also leidet auch er. Den Vertriebsmitarbeiter, der dem Kunden das Projekt zu einem bestimmten Liefertermin versprochen hat, trifft ein ähnliches Schicksal: die Beziehung zu seinem Kunden verschlechtert sich. Es wird ihm zukünftig schwerer fallen, zu überzeugen und Projekte zu verkaufen. Daraus entsteht ein hoher Druck, ein neu anstehendes Projekt möglichst schnell zu starten. Denn erst nachdem es gestartet ist, kann ein Projekt am täglichen Kampf um Ressourcen teilnehmen und hat den zeitlichen Puffer, um in diesem Wettbewerb auch wieder einmal zu verlieren. Die Grundidee der Projektmanager, neue Aufträge möglichst schnell zu starten, scheint raffiniert und nachahmenswert, erzeugt jedoch wenigstens zwei negative Nebeneffekte:
- Noch mehr Projekte sind gleichzeitig aktiv und konkurrieren um die Ressourcen. Dadurch entsteht mehr schädliches Multitasking, die Projektlaufzeiten verlängern sich weiter, Verspätungen häufen sich. Und der Druck, möglichst früh anzufangen, wächst weiter. Ein Teufelskreis.
- Die ersten wesentlichen Realisierungs-Aufgaben in einem Projekt erfordern üblicherweise sorgfältige und vollständige Vorbereitungen (z. B. Klärung der Spezifikationen). Sind diese unvollständig, bleiben Mitarbeiter im Projekt nach kurzer Zeit stecken. Sie müssen auf die erforderlichen Klärungen warten und bearbeiten so lange ein anderes Projekt. Das schädliche Multitasking steigt weiter an. Sind die Vorbereitungen fehlerhaft, pflanzt sich dieser Fehler im Projekt fort. Je weiter das Projekt voranschreitet, umso größer wird das daraus entstehende Problem. Irgendwann fällt der Fehler (hoffentlich) auf und erfordert dann erhebliche Korrekturen und Nacharbeiten.
Ein Mutiprojektunternehmen muss viele Faktoren beachten, um am Markt bestehen zu können. Elementar und die Grundordnung innerhalb der Organisation betreffend, liegt es jedoch an Projekt- Ressourcen- und Topmanagern, Erfolg als ganzheitliche Vision zu verstehen und zu verinnerlichen. Dann können zukünftig alle an einem Strang ziehen – für die Projekte und das Unternehmen.
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ZUM AUTOR
Über Uwe Techt
VISTEM GmbH & Co. KG
Uwe Techt ist Geschäftsführer der VISTEM GmbH & Co. KG und gilt als Vorreiter im deutschsprachigen Raum für die Nutzung der Theory of Constraints (TOC) und des Critical Cain Projektmanagements. Als strategischer Denker für grundlegende Verbesserungen und Durchbruchsinnovationen ist der Topmanagement Coach auch gefragt als Speaker und Autor. Zuletzt von ihm erschienen ist das Fachbuch „PROJECTS that FLOW“.
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