Fachartikel, 08.04.2015
Perspektive Mittelstand
Krisen erfolgreich meistern
Prüfstein Unternehmenskrise
Unternehmenskrisen kommen meist nicht über Nacht. In der Regel sind sie das Ergebnis langjähriger Fehlentscheidungen, unangepasster Strategien und fehlender Konsequenz. Sie verlaufen schleichend – bis die Auswirkungen für jeden sichtbar sind: Stakeholder, Mitarbeiter, Kunden, Partner. Jetzt Fehler zu begehen, bedeutet meist das Aus für jedes Unternehmen.

Ein Unternehmen erfolgreich zu führen, heißt auch, Krisenzeiten zu meisten. Die Gründe für Krisen sind vielfältig: Zum einen exogene Ursachen wie Rezessionen, ein veränderter Markt oder gesetzliche bzw. politische Rahmenbedingungen. Zum anderen endogene Ursachen, also unternehmerische Fehlentwicklungen wie unterlassene Investitionen oder ein falscher Führungsstil.

Beispiele gibt es viele von ehemals erfolgreichen Unternehmen, die innerhalb weniger Jahre ihre Marktführerschaft verloren haben, z.B. BlackBerry oder Nokia. In beiden Fällen fand eine rechtzeitige strategische Weiterentwicklung nicht statt. Kommen dann noch Auseinandersetzungen im Gesellschafterkreis hinzu, wie häufig bei Familienunternehmen zu beobachten, ist die Zukunft der Firma schnell gefährdet. Denn je weiter die Krise voranschreitet, desto weniger Spielraum hat die Geschäftsleitung. Wer jetzt auf das Prinzip Hoffnung setzt, verspielt seine Chance, das Unternehmen zu retten. Es gilt, proaktiv zu handeln und die Firma wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

In der Praxis leichter gesagt als getan, denn Fallen und Stolpersteine lauern viele:

1. Umfassende Konzepte werden nicht erstellt – aus Zeitmangel

In der Krise drängt die Zeit. Wie aussichtslos die Lage auch sein mag, es nützt nichts, in blinden Aktionismus zu verfallen oder aber mit unrealistischen Planungen die Schieflage bewältigen zu wollen. Die Realität holt das Unternehmen früher oder später ein! Denn jede Krise ist ein schleichender Prozess mit verschiedenen Stadien: Stakeholderkrise, Strategie- Absatz-, Erfolgs- und schlussendlich die Liquiditätskrise. Je weiter entwickelt die Krise, desto bedrohlicher ist sie für Unternehmen: Am Anfang einer Strategiekrise gibt es noch keine Ergebnis- oder Liquiditätsprobleme. Sinkt aber erst einmal der Umsatz, führt das zu Ertragsproblemen, die wiederum das Eigenkapital der Firma verbrauchen. Die nächste Stufe sind dann Zahlungsschwierigkeiten und eine zunehmende Verschuldung – es kommt zu einem existenzbedrohlichen Liquiditätsengpass.

Dies aufzulösen braucht Zeit. Zeit, die das Unternehmen eigentlich nicht hat – sich aber nehmen muss. Wurde die Krise beispielweise durch eine falsche Produktpolitik hervorgerufen, müssen neue, innovative Produkte entwickelt werden. Ein Vorgang, der nicht von heute auf morgen realisiert werden kann und kostenintensiv ist. Auch müssen gegebenenfalls neue Märkte erschlossen oder alternative Vertriebswege gefunden werden.

Das Problem: Die Firma hat meist nur einen Versuch, sich neu aufzustellen. Verspricht die Geschäftsführung schnelle Lösungen, die dann nicht eingehalten werden können, führt das bei Investoren und Banken zu einem Vertrauensverlust – die Finanzierung steht auf der Kippe.

Die Lösung: In der Praxis hat es sich bewährt, möglichst frühzeitig Maßnahmenpakete im Rahmen ganzheitlicher Konzepte zu definieren und Gesellschafter, Banken und Mitarbeiter einzubinden. Um Vertrauen zu schaffen, sind detaillierte Konzepte gefragt – reine Kostensenkungsprogramme reichen schon lange nicht mehr. Es gilt darzulegen, wie das Unternehmen langfristig am Markt erfolgreich sein kann:

  • Welche konkreten Maßnahmen sind nötig?
  • Mit wie vielen Mitarbeitern kann der Turnaround geschafft werden?
  • Wie hoch sind zusätzliche Investitionen?

Eine durchdachte, passgenaue Strategie ist die zwingende Voraussetzung, um ein Unternehmen aus der Krise zu führen.

2. Die strategische Ausrichtung steht – doch Details werden übersehen

Hat sich die Geschäftsführung einen ersten realistischen Überblick über den wirtschaftlichen Stand verschafft, ist die strategische Richtung meist klar. Alle Schritte jetzt im Detail zu planen, das Dafür und Dawider abzuwägen und Verantwortliche zu benennen, die umsetzen – dieser Aufwand wird von vielen Unternehmen in der Krise unterschätzt. Ein fataler Denkfehler!

Beispiele aus der Praxis

Anstatt wie bisher ausschließlich in Deutschland zu produzieren, sollte ein Teil der Produktion in die USA verlegt werden, schließlich sitzen dort die wichtigsten Kunden. Zu diesem Entschluss kam ein ehemals führendes Unternehmen der Metallindustrie. Was die Geschäftsleitung nicht bedacht hatte: Die Konstruktionszeichnungen zusätzlich in Inch statt in Zentimeter zu führen, erforderte Arbeit im Detail und erhebliche Anpassungen im ERP-System. Darüber hinaus weigerten sich die Konstrukteure, Entwickler und Produktionsleiter von Deutschland in die USA zu ziehen bzw. regelmäßig dorthin zu reisen. Damit war das Vorhaben zum Scheitern verurteilt noch bevor es überhaupt in die Umsetzung ging.

Ähnlich erging es einem Automobilzulieferer in einer finanziell bereits angespannten Situation: Weil eine neue Schraube nicht ausreichend getestet wurde, hielt das ganze System den Anforderungen des Herstellers nicht stand. Die Rückrufaktion kostete dem Unternehmen nicht nur Tausende von Euros, der Imageschaden war beträchtlich.

Praktische Tipps

So wichtig es ist, sich Zeit für eine passende Strategie zu nehmen, so wichtig ist es auch, einen Maßnahmenplan zu konkretisieren – und immer wieder kritisch zu überprüfen bzw. zu hinterfragen:

  • Wer ist für die Umsetzung zuständig?  
  • Sind ausreichende Kapazitäten und Know-How vorhanden?
  • Sind die vorab definierten Zwischenziele erreicht worden?
  • Reicht das Budget bzw. ist genügend finanzieller Spielraum vorhanden?

Auch die Eigentümer sind hier in der Pflicht, die Geschäftsführung zu unterstützen, auf Mißstände hinzuweisen und z.B. externe Hilfe zu empfehlen.

3. Sparen statt investieren

In den seltensten Fällen kommt eine Krise über Nacht. Langjährige Fehlentscheidungen und -entwicklungen, die das Unternehmen geschwächt haben, müssen nun korrigiert werden. Dazu zählen beispielsweise Investitionen in Maschinen oder in neue Produkte und Märkte, ebenso wie in die Weiterbildung und Förderung von Mitarbeitern. Für das Unternehmen bedeutet das, Banken und Investoren zu überzeugen, zusätzliches Geld bereit zu stellen. Keine leichte Aufgabe. Wie das gelingt? Oberstes Gebot ist absolute Ehrlichkeit und Transparenz! Geldgeber sollten über die Höhe der Restrukturierungskosten umfassend informiert werden. Allzu oft tendieren Geschäftsführer dazu, das leidliche Gespräch mit Banken aufzuschieben bzw. die Situation und den Umfang der benötigten Mittel zu beschönigen. Eine Krisenbewältigung ist dann kaum möglich, Banken und Investoren verlieren das Vertrauen.

4. Ängste und Sorgen der Mitarbeiter werden ignoriert


Gerade in Krisensituation ist es besonders wichtig, die Mitarbeiter zu motivieren und sie über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Wie geht es mit dem Unternehmen weiter? Stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel? Wenn ja, wie viele Stellen müssen in welchem Zeitraum abgebaut werden? Wer ist davon betroffen? Muss mit Lohnkürzungen gerechnet werden? All das sind Fragen, die Mitarbeiter bewegen. Nichts ist in einer solchen Situation demotivierender, als unzureichende oder gar falsche Informationen.

Aufgabe der Geschäftsleitung ist vor allem dreierlei:

Frühzeitig informieren

Erstens die wichtigsten Führungskräfte, den Betriebsrat und die Mitarbeiter frühzeitig über die Krise benachrichtigen. Dies sollte keinesfalls schriftlich oder als Rundmail erfolgen – das persönliche Gespräch ist entscheidend. In der Praxis hat sich ein eng getaktetes Vorgehen bewährt: Am besten nacheinander zuerst den Betriebrat zur aktuellen Information informieren, dann die Führungskräfte und anschließend in einer Betriebsversammlung die Mitarbeiter. Gerüchten wird so vorgebeugt, Betriebsrat wie Führungskräfte werden verstärkt eingebunden. Jegliche Unsicherheit gilt es zu vermeiden. Ebenso sollte die Geschäftsleitung bereits im Vorfeld das Gespräch mit den Investoren suchen und Wege aus der Krise aufzeigen bzw. konkrete nächste Schritte darlegen können.

Transparenz und Präsenz zeigen

Zweitens bei der Betriebsversammlung Zahlen offen zu legen wie Umsatzentwicklung, Gewinn- und Verlustrechnung oder Anzahl von Arbeitsplätzen, die abgebaut werden müssen. Wichtig: Nichts beschönigen, sondern ehrlich auf die Fragen der Belegschaft eingehen. Außerdem hat es sich in der Praxis bewährt, regelmäßige Updates durchzuführen; beispielsweise informieren Führungskräfte einmal im Monat ihre Teams zur aktuellen Lage und geben Informationen wie Markttendenzen, neue Konkurrenten etc. weiter. Darüber hinaus ist es an der Geschäftsführung, Präsenz im Unternehmen zu zeigen, keine Berührungsängste zu haben und für alle Mitarbeiter ansprechbar zu sein. Denn es kann erfolgsentscheidend sein, sich ernsthaft mit den Nöten, Sorgen und Bedenken der Mitarbeiter auseinander zu setzen – so erhält die Geschäftsleitung aus erster Hand Informationen zur Stimmung im Unternehmen und gegebenenfalls interessante Ideen und Impulse.

Klare Zielvorgaben formulieren und konsequentes Krisenmanagement

Drittens Erwartungen kommunizieren und genau prüfen, ob Mitarbeiter auch ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden. So unfassbar es klingt, häufig führen Mitarbeiter Tätigkeiten aus, die ihnen nicht liegen oder zu denen entscheidende Kompetenzen fehlen. Beispielsweise war in einem führenden Produktionsunternehmen der englische Wortschatz einer Vertrieblerin nicht ausreichend gut genug – und das obwohl sie seit über einem Jahr für ausländische Kunden zuständig war. Ebenso sollte es als Mitarbeiter im Einkauf oder der Konstruktion selbstverständlich sein, Informationen von Lieferanten, z.B. über neue Entwicklungen bei Werkstoffen einzuholen und im Unternehmen weiter zu geben. Leider wird dies in der Praxis häufig vernachlässigt.

Für die Geschäftsleitung heißt das, Erwartungen klar zu formulieren und in regelmäßigen Abständen zu kommunizieren – es gilt, die Botschaft in den Köpfen der Mitarbeiter fest zu verankern.

Wer als Unternehmer so seine Mitarbeiter aktiv einbindet und deren Potenzial geschickt nutzt, dem gelingt auch der erfolgreiche Turnaround.

ZUM AUTOR
Über Andreas Pahl
Andreas Pahl Interim Management
Als Interim Geschäftsführer begleitet Andreas Pahl Unternehmen durch tiefgreifende Veränderungen wie Neuausrichtungen, Restrukturierungen oder Transaktionen mit Beteiligungskapitalgebern. Seine Schwerpunkte sind Working Capital Management, Liquiditätsteuerung und der Aufbau von Teams bzw. Mitarbeiterentwicklung. Pahl kann auf über 15 Jahre praktische Erfahrung als Geschäftsführer zurückgreifen. Seine Kunden: internationale Mittelständler mit einem Jahresumsatz von 20 bis 400 Millionen Euro, unter anderem aus der Medizintechnik, Metall-/ Elektroverarbeitung und dem Großhandel.
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