Pressemitteilung, 02.08.2006 - 10:04 Uhr
Perspektive Mittelstand
Kontroverse Debatte über August-Titelstory von Technology Review: Steht die Bürokratie Existenzgründern im Wege?
(PM) , 02.08.2006 - Hannover/Heidelberg, www.ne-na.de - Widrige Rahmenbedingungen sollten Erfinder nicht schrecken. Diese Ansicht vertritt Falk Strascheg, einer der ersten Wagniskapitalgeber in der Bundesrepublik, im Gespräch mit dem Magazin Technology Review www.heise.de/tr/. „Wenn man die richtigen Voraussetzungen mitbringt, dann ist es egal, wo man seine Unternehmen gründen will. Wer schon an den Formalitäten scheitert, wird den Rest erst recht nicht schaffen." Aus Deutschland kämen reichlich patentierte Erfindungen, bislang werden jedoch nur relativ wenige erfolgreich vermarktet. Allerdings wächst die Hoffnung, dass sich das ändert: Strascheg erwartet nach eigenen Angaben „in den nächsten Jahren eine Gründerwelle". Zudem habe das Geschäftsklima für Investitionen in junge Unternehmen in diesem Frühjahr einen Rekordstand erreicht. In der Wirtschaft wird dieser Optimismus nicht geteilt: „Die Ansichten von Herrn Strascheg sind an Naivität kaum zu übertreffen. Die Zahl der Firmengründungen hatte nur eine kurze Zeit Hochkonjunktur während des New Economy-Booms. Der neue Unternehmergeist ist allerdings schnell verflogen. Dafür war allerdings nicht nur der Crash des Neuen Marktes verantwortlich, sondern auch die autoritären Strukturen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Eigenverantwortung, freier Wettbewerb, Selbst-Management und Privatinitiative zählen nicht gerade zur deutschen Leitkultur. Mit unserer Beamten- und BAT-Mentalität kommen wir nicht sehr weit. Im System der Wissenschaft erzeugtes Wissen muss unternehmerisches Wissen werden. Öffentlich-rechtliche Elfenbeintürme können wir uns nicht mehr leisten. Alle staatlichen Einrichtungen und auch die Hochschulen müssen sich als ‚katalytischer’ Unternehmer verstehen. Ein Blick zum MIT in Boston, zur Universität Cambridge oder zu israelischen Universitäten genügt, um zu verstehen, wo die Reise hingehen muss“, fordert Michael Müller, Experte für Dienstleistungsökonomie und Geschäftsführer der a & o-Gruppe (Firmensitz Potsdam und Neuss), die sich auf IT-Dienstleistungen spezialisiert hat. „Das Titelbild der Augustausgabe von Technology Review zum Thema ‚Deutschland, deine Erfinder’ zeigt fast nur 'ältere' Herren und belegt, wie sehr viele redaktionelle Ansichten an der Realität des Standorts Deutschland vorbeigehen“, kritisiert der Firmengründungsexperte Frank Rinn vom Heidelberger Ingenieurbüro Rinntech www.rinntech.com. Deutschland sei nicht nur hoch entwickelt und arbeitsteilig sei, sondern darüber hinaus auch noch extrem reguliert durch Gesetze und Verordnungen. „Innovationen bedeuten dann nicht nur Umsatzverluste etablierter Marktteilnehmer oder Kompetenzverluste von Behörden oder Verbänden, sondern auch die Notwendigkeit, Regulationen zu ändern. Und das kann Jahre bis Jahrzehnte dauern, vor allem auch, weil die etablierten Marktteilnehmer in Gremien und Verbänden etabliert sind und Einfluss auf zuständige Behörden haben, die für Regulierungen zuständig sind. Viele Innovationen können sich in Deutschland nicht etablieren, weil ihnen Verordnungen entgegenstehen oder die Einstiegshürden zu hoch sind“, weiß Rinn. Für manche Produktinnovationen sei beispielsweise eine behördliche Zulassung mit extrem hohen Kosten und enormem Zeitverlust verbunden. „Hinzukommen oftmals unglaubliche Bürokratiehindernisse - nicht nur solche, die auf Drängen und mit Unterstützung von etablierten Marktteilnehmern aufgebaut wurden, auch um unliebsame Konkurrenz zu unterdrücken. Warum erfolgt die Stellenzuweisung von Bauämtern in Abhängigkeit von deren Umsatz? Solange staatliche Strukturen wie auch Honorarordnungen Verschwendung begünstigen und Einsparungen bestrafen, werden viele Innovationen weiterhin immanent blockiert“, kritisiert Rinn. So brauche man oft Jahre, um eine Zulassung für ein energiesparendes Heizsystem zu bekommen. „Zudem werden Monopole wie das Grüne Punkt-Mülltrennungssystem durch den Staat geschützt, obwohl der freie Markt die ökologisch und ökonomisch besseren Lösungen bereits hervorgebracht hat, wie beispielsweise mit dem Trockenstabilatsystem“, so Rinn. Der öffentliche Ruf nach echten Innovationen wirke insofern wie der Wunsch, sich zu waschen ohne dabei nass zu werden: „Angeblich wollen alle Innovationen, wenn diese aber kommen, dann schreien die Betroffenen, kämpfen still und heimlich, um die Innovationen zu unterdrücken oder zu verhindern. Solange Besitzstandswahrung bei uns nicht nur ein verständliches individuelles Streben ist, sondern die Grundlage eines staatlichen und behördlichen Regulierungswahns, werden es echte Innovationen weiterhin schwer haben“, sagt Rinn. Da nützen auch angebliche Risiko-Milliarden wenig, so lange die Mehrzahl der Investoren und Business Angel wie die Lemminge dem Investitions-Mainstream folgen. „Was Deutschland braucht sind mehr eigenverantwortliche Unternehmer, die steuerlich nicht noch dafür bestraft werden, dass sie im Gegensatz zu angestellten Managern persönliche Verantwortung übernehmen. Unternehmer brauchen Kapital und ab und zu auch etwas öffentliche Anerkennung ihrer Risikobereitschaft und ihres Engagements. Was wir nicht brauchen sind Manager, die mithilfe astronomischer Abfindungen von Job zu Job springen und ebenso wenig brauchen wir Behörden, die nur um ihre Existenz und Größe dauerhaft zu rechtfertigen an überkommenen Regeln und Strukturen festhalten. Die für den Ausbau echten Unternehmertums notwenigen steuerlichen Änderungen sind seit langem bekannt, bleiben aber in den Schubladen, denn die praktizierte Politik ist nichts anderes als das Ergebnis der lobbyistischen Einflusskräfte aus Großindustrie, Verbänden und Behörden“, so Rinn. Solange es diesen bestimmenden Kräften gut gehe, haben sie keinen Anlass zu Änderungen. Ein amerikanischer Unternehmerkollege von Rinn meinte dazu: "The Germans only learn the hard way."