Über Perspektive Mittelstand
Die Perspektive Mittelstand ist eine unabhängige, branchenübergreifende Business-Plattform zur Förderung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen und ihrer Mitarbeiter. Ziel der Initiative ist es, über hochwertige Informations-, Kommunikations- und Dienstangebote rund um den unternehmerischen und beruflichen Alltag die Wissensbildung, Kommunikation und Interaktion von und zwischen Existenzgründern, Unternehmern, Fach- und Führungskräften und sonstigen Erwerbstätigen zu unterstützen. Weitere Informationen zur Perspektive Mittelstand unter: www.perspektive-mittelstand.de
Überhebliche Branchengrößen
Beratungsresistent - und schließlich pleite
Bild: Screenshot-Ausschnitte der Websites von Kodak und Schlecker.
Der Mut konsequent loszulassen und moderne, zukunftsorientierte Wege zu beschreiten und sich klar zu positionieren, fehlte. Teuer, umständlich und völlig kundenfern. Die Quittung kam. Die Nr. 1 im Film ist heute Fujitsu, im Kameramassengeschäft Sony & Co. Kodak? Who the hell is Kodak? Ach pleite!
Ein interessantes Geschäftspotential blieb ungenutzt, weil man nicht in der Lage war, über die eingefahrene, lemmingartige Branchenlogik hinaus zudenken und Versuche in unbekannte Richtung zu marschieren, abgewehrte. Die Folge solcher Weltsicht ganz generell: Hart umkämpfte rote Ozeane, weil alle dieselbe Brille tragen. Um dort zu überleben oder den Markt anzuführen, muss man mehr bieten als der Wettbewerb… vor allem mehr an Kundennutzen.
Zu wenig Kundennutzen und dazu ein miserables Image hatte auch Schlecker. Auch Schlecker hat sich nicht der gebotenen Wandlung gestellt. Die Pionierzeit der Drogeriesupermärkte war in den 70er- und 80er-Jahre. 1975 eröffnet vom gelernten Metzger Anton Schlecker war das Unternehmen erfolgsverwöhnt. Schlecker verdrängte die Tante-Emma-Drogisten und wuchs rasant mit einer enormen Marktabdeckungs- und Versorgungsdichte. Bereits 1977 gab es rund 100 weitere Filialen in Süddeutschland. Mitte der 90er ist Schlecker Marktführer und expandiert ins Ausland. 2007 ist das Unternehmen auf rund 14.000 Läden weltweit angewachsen. Dann blieb alles beim Alten.
Die Wettbewerber kamen nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern in den 90ern haben auch Discounter und Supermärkte das wachsende und lukrative Geschäft mit den Drogeriewaren entdeckt und ein dichtes Filialnetz vor allem in den Innenstädten aufgebaut. Sie bieten schönere und kundenfreundlichere Läden, bessere Sortimente, oft bessere Preise, mehr Kundenorientierung und gehen – vor allem dm unter Götz Werner – mit dem wertvollen Mitarbeiterpotential sozialkompetenter um. Mit Bespitzelung und Einschüchterung von Mitarbeitern machen sie keine Schlagzeilen. Schleckers Image ist zum Davonlaufen.
Die Probleme von Schlecker sind kein Markt-Wettbewerbsproblem, denn der Drogerie-Markt wächst seit Jahren kontinuierlich. Wettbewerber wie dm, Müller, Rossmann haben Schlecker längst links überholt, legen konstant gute Ergebnisse vor und werden von den Lieferanten und Markenartiklern bevorzugt behandelt.
Der 67-jährige Firmenpatriarch – geschätztes Vermögen 3 Mrd. Euro - kann nicht loslassen. Er verpasst den notwenigen Wandel auf massive Umfeldveränderungen strategisch notwendige Antworten und Kursänderungen zu finden. Klassisches Syndrom: Erst als der Schmerz besonders groß und die Zahlen im freien Fall und nach und nach tausende Läden geschlossen werden müssen, wird über die Kinder Lars und Meike Schlecker eine neue Strategie und Kultur versucht umzusetzen. Doch das patriarchalisch-autokratisch geführte Unternehmen ist wie ein Supertanker – der hat keinen Wendekreis wie ein Sportboot. Die Kursänderung braucht lange und kommt zu spät. Auch ein geplantes Investment von zu lesenden 230 Mio. Euro zur Modernisierung der Filialen reichen nicht, die Kunden schnell genug zu Schlecker zurückholen.
Dazu kommen neue Managementfehler. Geboren aus operativem Aktionismus ohne strategische Basis: Mit dem neuen Slogan "For You Vor Ort" sollte ein modernes, offenes Image geschaffen werden. Doch genau das war Öl ins Feuer. Die Klientel, vorwiegend eine weniger den Anglizismen zugewandte Zielgruppe, empört sich im Internet und schrumpft planwidrig weiter. Dilettantisches Management. Keine Strategie. Aus einer Schwalbe wird noch kein Sommer, schon gar nicht, wenn die Schwalbe nur ein Spatz ist! Die allermeisten der noch rund 7300 Märkte in Deutschland sind kaum mehr zeitgemäß. So wirken billig, wenig einladend. Da kann der Kunde das „Persil“ besser im Internet bestellen. Endstation Pleite!
Schlecker soll nun in einer Planinsolvenz saniert, die meisten der rund 30.000 Arbeitsplätze und 7300 deutschen Filialen erhalten bleiben. Bei einer „geplanten Insolvenz" muss der Antrag auf Insolvenz beim zuständigen Amtsgericht direkt mit einem Vorschlag für ein Insolvenzplanverfahren und einem bereits ausgearbeiteten Insolvenzplan verbunden werden. Meist wird ein solches Verfahren von einem Sanierer begleitet. Dann müssen die Gläubiger über den ausgearbeiteten Insolvenzplan entscheiden. Die alte Geschäftsführung bleibt bei der Planinsolvenz im Amt. Der bestellte Insolvenzverwalter tritt nur beratend auf. Im Gegensatz zur bekannteren Regelinsolvenz wird das Unternehmen nicht abgewickelt, um Liquidität zur Befriedigung von Gläubiger zu erhalten. Vielmehr soll es gesund geschrumpft und neu ausgerichtet werden.
Ob der Turnaround gelingt, hängt von den Gesellschaftern des Unternehmens, also der Schlecker-Familie, ab. Diese können nicht zu Maßnahmen jenseits der bestehenden Rechtsstrukturen und Pflichten gezwungen werden, da die Rechtsform des Unternehmens in der Planinsolvenz bestehen bleibt. So kann die Familie den Verkauf – sollte es für die Läden überhaupt Käufer geben - oder z.B. eine Kapitalerhöhung verweigern. Nun, wenigstens jetzt sollte man sich den Mitarbeitern und Arbeitsplätzen zuliebe offen und investitionsfreudig zeigen, als Wiedergutmachung – mit 3 Mrd.
Schauen wir mal…
ZUM KOLUMNIST
Über Prof. Dr. Christoph Schließmann
Prof. Dr. Christoph Ph. Schließmann ist Wirtschaftsanwalt und Fachanwalt Arbeitsrecht in Frankfurt am Main und berät und begleitet seit über 20 Jahren Unternehmen, Unternehmer, Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführer in Fragen der Unternehmens-, ...
WEITERE KOLUMNEN
Prof. Dr. Christoph Schließmann
Das Tamagotchi-Phänomen: Facebook - Zucker oder Flop?
http://perspektive-mittelstand.de/Das-Tamagotchi-Phaenomen-Facebook-Zucker-oder-Flop/management-wissen/4699.html
Bedenklicher Trend zur Selbst-Juristerei: „Jus-Yourself“ nicht zu empfehlen“
http://perspektive-mittelstand.de/Bedenklicher-Trend-zur-Selbst-Juristerei/management-wissen/4663.html
Leadership-Essay: Führen kraft künstlicher Intelligenz?
http://perspektive-mittelstand.de/Leadership-Essay-Fuehren-kraft-kuenstlicher-Intelligenz/management-wissen/4382.html
Gerangel wegen „Käse“: Media Markt bremst sich selbst aus
http://perspektive-mittelstand.de/Gerangel-wegen-Kaese-Media-Markt-bremst-sich-selbst-aus/management-wissen/4333.html
Link zur Hauptkolumne
http://perspektive-mittelstand.de/Prof-Dr-Christoph-Schliessmann-Alles-was-Recht-ist/kolumne/9981.html
Link zur Online-Version dieses Beitrags
http://perspektive-mittelstand.de/Kodak-und-Schlecker-Beratungsresistent-und-schliesslich-pleite/management-wissen/4509.html