Kolumne
Chefsache Führung, 12.07.2010
Perspektive Mittelstand
Keinen Kuschelkurs
Der Mitarbeiterbindung giftige Blüten
Während der sich verschärfende Fachkräftemangel immer mehr Arbeitgebern die Schweißperlen auf die Stirn treibt, heißt es für Führungskräfte, sich warm anzuziehen. Denn die Forderungen der Mitarbeiter werden steigen.
Der Kampf um Fachkräfte entbrennt, schreibt das Handelsblatt in seiner Ausgabe vom 30.06.2010. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt nach der Krise rascher als erwartet. Schon im Herbst werden es weniger als drei Millionen Arbeitslose sein. Der raschen Erholung der deutschen Industrie sei Dank. Nun hat der Wettlauf der Betriebe um knapper werdende Arbeitskräfte begonnen.

Schlagzeilen dieser Art kommen mir irgendwie vertraut vor. Schon in den 1970-er Jahren war davon zu lesen. Bevor dann die geburtenstarken Jahrgänge den Arbeitsmarkt überschwemmten. Und in den 1990-er Jahren war bereits vom „War for Talents“ die Rede. Und nun: Wieder wird der Mangel an qualifizierten Fachkräften beklagt. Tatsache bleibt: Wir haben immer noch (zu) viele Arbeitslose. Komisch.

Natürlich liegt das Grundproblem in der mangelnden Bildung, primär der Langzeitarbeitslosen. Und selbstverständlich leisten die konjunkturellen Schwankungen Beiträge. Ebenso wie der demografische Wandel erstmals seine Folgen für den Arbeitsmarkt zeigt.

Doch was heißt das für die Führungskräfte? Müssen die sich jetzt, als verlängerter Arm des Arbeitgerbers, „erpressen“ lassen? Tanzen ihnen die Mitarbeiter nunmehr auf dem Kopf rum, weil sie sonst mit Weggang drohen? Müssen Führungskräfte tatsächlich ihre Mitarbeiter durch „Branding binden“, wie im Heft 03/2010, „Bindung durch Branding“, Artikel „Gemeinsam Werte schaffen“ der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) nachzulesen ist?

Wenn so Personalführung funktionieren würde, dann hätte ich meine gesamte Berufserfahrung wohl in einem Paralleluniversum erworben. Denn für jede erfahrene Führungskraft liegt auf der Hand: Sobald der Schwanz mit dem Hund wackelt, also der Chef sich nach den Wünschen und Anforderungen der Mitarbeiter richtet statt umgekehrt, ist Führung nicht mehr das Thema. Sondern das Fordern nach Anerkennung, das Aufstellen von Ansprüchen und am Ende die Verweigerung von Leistung.

Wer hat gesagt, dass sich jeder Mitarbeiter wohl fühlen soll? Wieso muss der Arbeitgeber seinen Arbeitskräften die Wünsche von den Lippen ablesen und versuchen, es ihnen möglichst recht zu machen. Das führt einzig und allein zu einem Verlust an Respekt und Autorität, nicht zu einer größeren Anziehungskraft für Talente. Welcher High Potential will schon bei einer solchen Firma arbeiten?

„Wie kann ich meine Mitarbeiter binden?“ fragen sich verantwortungsbewusste Führungskräfte.
Doch genau das ist der Fehler: Denn diese Fragestellung setzt voraus, dass es überhaupt möglich ist gute Mitarbeiter zu binden. Die einzige Möglichkeit, seine besten Mitarbeiter zu binden ist aus meiner Sicht eine Rolle Paketband zu verwenden. Bei allen anderen Maßnahmen ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Denn wenn die Mitarbeiter gehen wollen, werden sie gehen. Eine Führungskraft kann das nicht verhindern. Und wenn die Atmosphäre auch noch so kuschelig und die Firmenkultur noch so heimelig ist.

Gerade bei den Leistungsträgern versagen sämtliche Instrumente der „Bindung“, die auf nichts anderes zielen als den Mitarbeiter in irgendeiner Form emotional abhängig zu machen. Mitarbeiterloyalität ist ein Mythos, zumindest bei den Leuten, die Sie am dringendsten brauchen!

Die bessere Herangehensweise wäre zu fragen: Welche Bedingungen sucht ein leistungsbereiter Mitarbeiter? Pamela Kerwin, eine langjährige Wegbegleiterin von Steve Jobs erzählte neulich im Spiegel-Interview, wie sehr der Apple-Guru seine Leute hetzte, wie launisch und aggressiv er war. Sie sagte: „Manche gehen. Aber die Besten bleiben“. Denn die Besten gehen dorthin, wo Sie die Chance bekommen zu zeigen, was sie drauf haben. Alles andere ist esoterisches Klimbim!
ZUM KOLUMNIST
Über Roland Jäger
Roland Jäger ist Unternehmensberater, Trainer, Coach und Buchautor. Nach Berufsjahren im Banken- und Finanzwesen arbeitete er im Management einer renommierten Privatbank und in einem bedeutenden Beratungsunternehmen. Seit 2002 ist er Inhaber der rj management ...
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